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|102|Kapitel 6 Else Krug

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Wenige Wochen nach ihrer Ankunft stand Grete Buber-Neumann auf dem Appellplatz, um zu sehen, ob man sie für den Posten einer Blockältesten auswählen würde.

Im August 1940 reichte der Einfluss der Politischen weiter, als irgendjemand vorhergesagt hätte. Nicht nur Kommunistinnen, sondern Gefangene aller politischen Richtungen übernahmen Posten von „Asozialen“ und Kriminellen. Auch die Polinnen, die befürchteten, niemals solche Funktionen zu bekommen, hofften vom Putsch zu profitieren, indem sie eigene Kandidatinnen aufstellten, und waren sicher, dass Grete über die notwendigen Qualitäten verfügte. Sie hofften, sie als eigene Blockälteste statt der verhassten Minna Rupp zu bekommen, doch der Plan scheiterte.

Sie wurde auf den Appellplatz „neben fünf oder sechs andere stramm und unbeweglich stehende Wesen gestellt. Wir warteten. … Endlich kam betont gemessen die Oberaufseherin Langefeld zu unserer Reihe. Sie musterte die einzelnen, oder tat doch so; dann fragte sie eine nach der anderen, warum und wo sie verhaftet worden und wie lange sie schon im Lager sei. Darauf traf sie die Entscheidung. Zu mir sagte sie: ‚Nehmen Sie gleich Ihre Sachen und gehen Sie auf Block 2. Sie sind dort Stubenälteste.‘“1

Als Grete den Polinnen dies erzählte, waren sie entsetzt. In Block 2 saßen die gefürchteten „Asozialen“ mit schwarzem Winkel. Tatsächlich hatte sie beim Eintreten das Gefühl, einer „tobenden Meute“ gegenüberzustehen. Ihre erste Aufgabe bestand darin, mittags das Essen auszuteilen. Als sie das versuchte, drängten sich die hungrigen Frauen mit ihren Blechnäpfen um sie und schrien: „Stubenälteste, heute fängt’s bei Tisch 3 an!“ „Stubenälteste, ich bin heute dran mit Kübelauskratzen!“ Grete stand vor Angst wie gelähmt mit ihrer Kelle da, ohne die bedrohliche Menge bändigen zu können

|103|Als die politischen Gefangenen die „Asozialen“ und Kriminellen von der Macht verdrängten, hatten sie nicht bedacht, dass sie als Blockälteste mit ihnen leben mussten, während für die SS die Einsetzung der Politischen zur Leitung der „Asozialen“ eine weitere Gelegenheit zum Teilen und Herrschen war. Die politischen Gefangenen in den „asozialen“ Blocks waren schockiert von dem, was sie vorfanden. Als Nanda Herbermann Blockälteste wurde, sah sie dort Gestalten wie aus „Sodom und Gomorra“. Der Schmutz stieß sie ab: „Mehrmals habe ich Häftlinge erwischt, die ihr Eßgeschirr in der Nacht mit auf die Pritsche nahmen und darin ihre großen und kleinen Bedürfnisse verrichteten.“ Der moralische „Schmutz“ schockierte sie noch mehr, vor allem der lesbische Sex. Nanda hatte ein beschütztes Leben geführt und für den Bischof von Münster eine oppositionelle katholische Zeitung herausgegeben. Über die als asozial Weggesperrten schreibt sie: „Hart und unerbittlich hatte sie ihr Schicksal gemacht.“

Einige von ihnen waren zwar richtige Ungeheuer, vor denen ich stets Angst behalten habe. Moralisch waren sie ganz zugrunde gerichtet, dabei schlau und listig und deshalb gefährlich. … diese ausgestoßenen Kinder der menschlichen Gesellschaft … Unter der Knute von SS und Gestapo, unter der dauernden Mißhandlung konnten diese Menschen naturgemäß nur noch schlechter werden.

Manche der Frauen waren so verzweifelt, dass sie sich gegen den Zaun warfen und „am Morgen verkohlt an den elektrisch geladenen Stacheldrähten“ hingen.2 Die deutsche Kommunistin Bertha Teege sah eine solche Tote am Tag ihrer Ankunft im Juli 1940: „In der vergangenen Nacht hatte eine junge Asoziale aus Wien einen Fluchtversuch unternommen und war an dem Hochspannungsdraht tot hängengeblieben. Zur Abschreckung mußten wir Zugänge als erstes die Leiche besichtigen, so wie sie am Draht hing.“3

Bertha, die schon andere politische Gefangene dort kannte, sicherte sich rasch die Ernennung zur Blockältesten und wurde zu Block 9, einem weiteren „Asozialenblock“, geschickt. Hier löste sie die Münchner Puffmutter Philomena Müssgueller ab, ein weiteres Opfer des Putsches, die in den Strafblock gekommen war. Teege fand auf der einen Seite ihres Blocks „Asoziale“ und auf der anderen Sinti und Roma vor. Sie zu kontrollieren, war „eine gewaltige Arbeit“ und „Kraftanstrengung“, aber bald arbeitete Bertha mit ihrer alten KPD-Genossin Luise Mauer zusammen, die inzwischen Blockälteste des „berüchtigten Berufsverbrecherblocks“ war. „Wir bogen gerade, was in unsern Kräften stand.“ Beide hatten Kontakt zur Lagerverwaltung.4

|104|Die Sinti und Roma waren, so Bertha Teege, leichter lenkbar als die Prostituierten. „Sie benehmen sich wie unmündige Kinder, zankten, verprügelten und vertrugen sich und waren im Allgemeinen leicht zu lenken.“ Die „Asozialen“ waren dagegen heruntergekommen und konnten sich nicht anpassen. Über 80 Prozent hatten Geschlechtskrankheiten, Tuberkulose oder beides.5

Wer diese Frauen waren, sagte Teege aber nicht. Wie andere Politische scheint sie nie nach ihren Namen gefragt zu haben. Von den berüchtigten frühen Kapos wie Müssgueller, Kaiser und Knoll abgesehen, scheinen die gewöhnlichen Kriminellen und „Asozialen“ im Lager fast nie Namen gehabt zu haben. Von der SS wie von den Häftlingsfrauen wurden sie als anonyme Masse gesehen. Gefangene benutzten SS-Jargon, um sie zu beschreiben: Sie waren „Asoziale“, „Schädlinge“, „Weiber“ oder – wie Grete sagte – eine „tobende Meute“.

Selbst, wenn ein Kapo mit schwarzem oder grünem Winkel für eine Freundlichkeit im Gedächtnis bleibt, bekommt sie selten einen Namen, obwohl Edith Sparmann sich an Goldhansi erinnerte, den Spitznamen ihrer Blockältesten. Goldhansi war nett zu Edith, die bei ihrer Ankunft sehr jung und von ihrer Mutter getrennt war. „Goldhansi fand meine Mutter und fädelte es ein, dass wir uns trafen“, sagte Edith. Wahrscheinlich verlor auch Goldhansi ihren Posten beim Putsch.6

Obwohl wir viel darüber erfahren, was die Politischen über die „Asozialen“ dachten, wissen wir nicht, was diese über sie dachten. Im Gegensatz zu den politischen Gefangenen hinterließen sie keine Erinnerungen. Sich nach dem Krieg zu äußern, hätte bedeutet, den Grund für ihre Inhaftierung offenzulegen und noch mehr Schande auf sich zu ziehen. Bei einer Entschädigung hätten sie vielleicht ein Motiv gehabt, sich zu melden, aber es gab keine.

Die nach dem Krieg gegründeten deutschen Hilfsorganisationen für Überlebende wurden von den Politischen dominiert. Und weder im kommunistischen Osten noch im Westen sahen diese Organisationen einen Grund, „asozialen“ Überlebenden zu helfen. Solche Häftlingsfrauen waren nicht als „Kämpferinnen gegen den Faschismus“ eingesperrt worden, darum kam keine für finanzielle oder sonstige Hilfe infrage, was immer sie gelitten haben mochte. Auch die Westalliierten interessierten sich nicht für ihr Schicksal. Obwohl es im Lager tausende „Asoziale“ gab, sagte nicht eine einzige Frau mit schwarzem oder grünem Winkel in den Hamburger Ravensbrück-Prozessen oder in späteren Verfahren aus.

Aus diesem Grund verschwanden diese Frauen ganz einfach; die Rotlichtbezirke, aus denen sie kamen, waren von alliierten Bomben dem Erdboden gleichgemacht worden, darum wusste niemand, wo sie hingingen. |105|Viele Jahrzehnte lang hielten Holocaustforscher die Geschichten der „Asozialen“ auch für irrelevant; sie werden in den Darstellungen der Lager kaum erwähnt. Überlebende aus dieser Gruppe zu finden, war doppelt schwierig, weil sie keine Organisationen gründeten. Wenn man heute am Düsseldorfer Bahndamm an die Türen klopft, einem der wenigen nicht zerstörten Rotlichtbezirke der Vorkriegszeit, erntet man nur wütende Aufforderungen, zu verschwinden.

Erst vier Jahrzehnte nach dem Krieg begannen Forscher mit der Suche nach überlebenden „Asozialen“, aber von den wenigen, die sich meldeten, gab keine ihren richtigen Namen an und keine sagte aus, Prostituierte gewesen zu sein. Käthe Datz gab zu, als „Arbeitsscheue“ eingesperrt worden zu sein; eines Tages verließ sie ihren Fabrikjob, um ihre kranke Mutter zu pflegen.

Dann haben sie mich mitgenommen bis rein nach dem Polizeipräsidium her. Daß ich eben verräterisch wäre und daß ich hier ein Vergehen begangen hätte …In Berlin haben sie auch so einen Sammeltransport zusammengestellt, also nach Ravensbrück … Da waren Frauen dabei, die früher angeschafft haben, die hatten solche Hackenschuhe an auf dem Pflaster! Ich kann Ihnen sagen, wie die dort auf die Frauen losgegangen sind. „Ihr Schweine! Ihr wollt nicht und euch werden wir’s beibringen!“Da hat’s Fußtritte gegeben, Schläge gegeben.7

Dennoch haben sich dank der NS-Bürokratie ein paar Hinweise erhalten, wer diese Frauen waren. Das von Himmler eingeführte polizeiliche Dokumentationssystem, das die deutsche Unterschicht überwachen und dann ausmerzen sollte, war so ausgedehnt, dass die alliierten Bomben nicht jede Akte vernichteten. Nirgends war diese Bürokratie umfangreicher als in Köln, wo es einen der größten Rotlichtbezirke Deutschlands gab. Auch weil diese Frauen den Soldaten dienten, wurden sie intensiv überwacht und kontrolliert. 1942 wurde die Stadt zerbombt, aber bei den Aufräumarbeiten nach dem Krieg wurden einige Polizeiakten zufällig aus dem Schutt geborgen und in Düsseldorf archiviert, wo sie fast 70 Jahre lang ungelesen blieben.

Hier ist die Akte von Anna Sölzer. Als ihr Polizeifoto aufgenommen wurde, war Anna erst 22 Jahre alt, hübsch und trug einen dunklen Filzhut. Sie arbeitete als „Dirne“, wurde mehrfach vorgeladen, weil sie die polizeilichen Auflagen nicht einhalten konnte und stand als „Asoziale“ unter polizeilicher Überwachung. „Bei der heutigen Kontrolle zeigte sich die S. sehr widerspenstig und konnte erst nach längeren Bemühungen zum Aufstehen und Mitgehen bewogen werden“, heißt es im Polizeibericht. Anna war schwanger und gab zuerst an, den Erzeuger nicht zu kennen. Sie erzählte |106|der Polizei, sie wolle weiterhin als Prostituierte arbeiten, bis sie das Kind bekomme.

Anna Sölzer selbst war nach dem frühen Tod ihrer Mutter in ein Waisenhaus in der Nähe von Köln gebracht worden, besuchte dort acht Jahre die Volksschule und wechselte in ein anderes Heim, um Hauswirtschaft zu lernen. Ihre erste Stelle als Hausgehilfin gab sie wegen der geringen Verdienstmöglichkeiten auf, begann zunächst in einer Fabrik, aber selbst dort verdiente sie so wenig, dass sie als Prostituierte zu arbeiten begann.

Während Ihrer Schwangerschaft wurde Anna krank und verließ die unter Überwachung stehende Kölner Wohnung, um den möglichen Vater des Kindes zu suchen und ihn um Unterstützung zu bitten. Nach Hause zurückgekehrt, wollte sie der Polizei seinen Namen und seine Adresse nicht nennen, „weil der Mann verheiratet ist und Familie hat“. Die Polizisten ließen sie in der Situation die Erklärung unterschreiben: „Ich wurde nochmals auf die Bedeutung der Überwachung hingewiesen und weiß, dass ich bei Nichtbefolgung der Auflagen in ein Konzentrationslager eingewiesen werde.“

Nach dem „Erb- und lebensgeschichtlichen Fragebogen“ der Gestapo kommt wenige Monate später Anna Sölzers Sohn Bodo zur Welt. Bodo wird in ein Waisenhaus gebracht. Noch im selben Jahr wird Anna nach Ravensbrück überstellt.

Annas Akte enthält auch ein Telegramm der Lagerleitung an die Gestapo, dem zufolge sie am 28. Dezember 1944 um 16 Uhr an Tuberkulose starb. Diese Krankheit grassierte zweifelsfrei im Lager, aber 1944 wurde sie häufig als Todesursache angegeben, um Mord zu vertuschen. Die Gestapo erhielt aus Ravensbrück den in solchen Fällen verschickten Standardbrief: „Eine Besichtigung der Leiche [durch die Angehörigen] ist auf Anordnung des Lagerarztes aus hygienischen Gründen nicht möglich. Die Leiche wird sofort eingeäschert.“ Die Polizisten antworteten noch an das Lager, dass das Kind im Waisenhaus erbberechtigt sei: „Ich bitte, etwa noch vorhandene Effekten an vorstehende Anschrift zu senden.“8

Auch die Lebensgeschichte von Ottilie Görres wurde aus dem Schutt gerettet. Sie lebte seit ihrem dritten Lebensjahr in Heimen. Bei ihrer Festnahme hatte sie keine Arbeit und „trinkt den ganzen Tag in den Wirtschaften“, wie der Kommissar schrieb. Ottilies Familie wurde auch als erblich belastet befunden. Gegenstände, die ihr bei der Einweisung ins Lager abgenommen worden waren – eine Brosche und ein Kamm –, seien abzuholen, besagte eine Notiz. Sie war in Ravensbrück gestorben.9

Noch mehr Gesichter von Frauen blicken aus den Akten, alle erzählen ähnliche Geschichten. Elisabeth Fassbender wuchs in einem Kölner Waisenhaus auf und wurde wegen Diebstahls eines Mantels festgenommen. Auch sie starb in Ravensbrück.

|107|Von Anfang an machten die „Asozialen“ im Lager etwa ein Drittel aller Gefangenen aus und in den ersten Jahren trafen weiterhin viele Prostituierte, Obdachlose und „Arbeitsscheue“ ein. Die Überfüllung ihrer Blocks nahm rasch weiter zu, die Ordnung brach zusammen, die Folge waren unbeschreibliche Verhältnisse und Krankheiten.

Ungeübt im Befolgen von Regeln, war es stets wahrscheinlicher, dass „Asoziale“ wegen kleiner Vergehen wie falschen Bettenbauens herausgepickt und dann zur Prügelstrafe oder in den Strafblock gesperrt wurden, von wo sie in weit schlechterem Zustand zurückkamen. Nach Bertha Teeges Aussage waren einige politische Blockovas anscheinend ebenso schnell wie die Aufseherinnen, wenn es „Asoziale“ zu melden galt.

Bertha beklagt sich, dass sie nichts tun konnte, um diesen Frauen zu helfen, denn es herrschte „Schlägerei, Angeberei, Faulheit“ und sie weigerten sich, die Regeln zu befolgen. Frauen konnten nun in den Strafblock geschickt werden, wenn sie bloß ein Kleid kürzten, sich die Augenbrauen zupften oder das Haar schnitten. „Sonderbarerweise verfielen viele Häftlinge auf solche Eitelkeiten, aus den Reihen der Asozialen, besonders den Anhängern der lesbischen Liebe.“ Ein junges Mädchen wurde wegen Faulheit in den Strafblock geschickt. „Sie … machte ihr Kleid auf und zeigte mir ihre durch Frost und Ungeziefer zerfressene Brust. Am andern Morgen war sie tot.“10

Als Diebstähle in der SS-Kantine passierten, gab man den „Asozialen“ die Schuld und alle mussten stundenlang ohne Nahrung antreten, während der Block durchsucht wurde, sodass sie umfielen „wie die Fliegen“. Die Suche blieb ohne Erfolg, man fand bloß „armselige Kassiber und Liebesbriefe von Asozialen“.11

Was viele der neuen politischen Blockältesten verblüffte, war nicht nur die Unordnung in den „asozialen“ Blocks, sondern die gleichgeschlechtliche Liebe, die sich ausbreitete, als die Überfüllung die Körper enger zusammendrängte. Nanda Herbermann hegte keinen Zweifel, dass lesbische Liebe in den „asozialen“ Blocks am stärksten verbreitet war. Was sie sah, erstaunte sie und sie betete für diese „niedergebeugten Seelen“, die untereinander die tollsten Dinge trieben.

Die Frauen wären so „total verkommen“ gewesen, was sie sich damit erklärte, dass es für sie „nur noch Sexualität gab“. Männer gab es nicht. Die SS-Männer beschimpften die Häftlingsfrauen und sexueller Kontakt führte zur Entlassung. Die einzigen anderen Männer, die zu Beginn im Lager zu sehen waren, waren männliche Gefangene aus Sachsenhausen und Dachau, die neue Blocks bauten. Diese Arbeitssklaven waren dauernd anwesend, sodass sie ab Sommer 1942 eigene Baracken bekamen und ein kleines Männerlager an der Rückseite des Frauenlagers entstand. Doch das |108|Männerlager befand sich hinter der Lagermauer und war mit Stacheldraht eingezäunt; sexueller Kontakt war fast unmöglich, fand aber manchmal dennoch statt. Die polnische Gefangene Maria Bielicka berichtete, dass Prostituierte aus den „Asozialenblocks“ manchmal Kontakt zu Männern im kleinen Männerlager hatten. „Sie wussten, wie das zu machen war. Eine wurde erwischt, kam in den Bunker und bekam 25 Hiebe.“

Gleichgeschlechtliche Beziehungen unter den Häftlingsfrauen gab es in vielen Formen. Manche waren offen lesbisch. Obwohl weibliche Homosexualität kein Haftgrund war, wurden einige in den Akten als lesbisch registriert und trugen schwarze Winkel. Viele lesbische Frauen versuchten ihre Sexualität nicht zu verbergen, einige wählten Männernamen – Max, Charlie oder Jules – und stellten manchmal anderen nach, die nicht lesbisch, aber leicht zu beeinflussen waren. Andere Frauen boten Sex im Austausch gegen Lebensmittel. Grete kannte eine lesbische „Prostituierte“ namens Gerda, die sich „Gert“ nannte und von den Gefangenen in Margarine- und Wurstrationen bezahlt wurde.12

Auch Nanda räumte ein, dass viele der Frauen sich dem Sex ergaben, weil sie einsam waren. Einige der „niedergebeugten Seelen“ – Gisela, Freda und Thea – suchten sogar Nähe bei Nanda selbst. Sie umarmten sie und „der Schmerz über ihr verpfuschtes Leben … schüttelte“ sie. Eine Frau starb in Nandas Armen, sie war „durch und durch krank“. Thea wanderte nachts im Block umher und versetzte die schlafenden Frauen in Angst. „Du wußtest nicht mehr, was du tatest“, erinnerte sich Nanda.

In einer Nacht, als ich schlafend auf der Pritsche lag, hast du mich mit beiden Fäusten geschlagen, daß ich erschreckt auffuhr. Du standest da, mit Decken umgehängt, wie ein graues Gespenst. Ich wollte dich festhalten, du fingest an zu toben, sprangst zum Fenster hinaus, ich mit einigen Häftlingen hinter dir her, bis wir dich endlich einholten. Es war eine eisige Winternacht … Da kam die Nachtwache, kam die SS mit den Hunden, und ich mußte dich begleiten in den Zellenbau, wo man dir eine Zwangsjacke vor meinen Augen anlegte. Auch du bist aus dem Totenhaus nicht mehr lebend herausgekommen.13

Die „Arbeitsscheue“ Käthe Datz überlebte die Einsamkeit der „Asozialenblocks“ auch, weil sie eine Freundin namens Helga hatte. Die beiden begegneten sich, als sie rasiert wurden. „Die kam dann raus aus der Dusche, die hab ich nicht erkannt. … Da sagt die zu mir … ‚Na du weißt doch, ich bin die Helga.‘“ Käthe schmuggelte einen kleinen Kamm ins Lager, und als ihr Haar wieder wuchs, kämmte sie sich damit die Nissen aus.

|109|Die hätten mir alles nehmen können, aber meinen Staubkamm nicht! Ich hab mich jeden Tag gekämmt. … Also früh gab’s erstmal, wie gesagt, eine Wassersuppe, es sollte Kaffee sein, aber es war nur Wasserbrühe. … viele haben es ja gar nicht gekriegt, die saßen schon in der Ecke, die haben gar nichts zu essen gekriegt, wenn die sahen, daß die schon bald kaputt waren. … Die haben direkt gewartet, bis die da in der Ecke starben und dann haben die sie abtransportiert. … Die [Kleiderläuse] haben sich in die Nähte von den Sachen gesetzt und haben dann solche roten Spuren hinterlassen, wie wenn Sie sich mal kratzen. Und das war der Leute ihr Verderb! Wer eben nicht mehr konnte, der hat nun gescharrt und gescharrt. Creme oder sowas kriegten Sie nicht, zum Arzt konnten Sie auch nicht wegen so etwas gehen. Die kriegten dann eben Eiter-Ekzeme und solches Zeug.14

Den „Asozialen“, die Trost im Sex fanden, gelang es offensichtlich nicht, dies geheim zu halten. Andere Gefangene erwähnten häufig, dass nachts Betten wackelten oder sogar zusammenbrachen. Und, da lesbische Liebe im Lager (wenn auch nicht außerhalb) ein Vergehen war, wurden viele erwischt und in den Strafblock geworfen und dort „nahmen die sexuellen Verirrungen überhand“.15

Erika Buchmann, die 1942 Blockälteste des Strafblocks wurde, sagte, die Liebe im Block wäre „manchmal schamlos und zügellos“ gewesen, aber Paare suchten auch Privatsphäre. „Wenn man nachts aufstand, um zur Toilette zu gehen, musste man warten, weil die Pärchen bei zugesperrter Tür in den kleinen Kabinen waren.“16

Auch Grete Buber-Neumann war vom lesbischen Sex schockiert, aber gleichmütiger als andere, vielleicht, weil ihre Augen vom Gulag geöffnet worden waren. Nach Gretes Meinung ging es den Prostituierten dort viel besser, weil es im Gulag auch Männer gab: „Unter den anarchischen Verhältnissen im sibirischen KZ setzte sich eine Prostituierte oft glänzend durch, sie war geradezu in ihrem Element.“ In Ravensbrück dagegen kam „ein Mensch, dessen Gesundheit bereits untergraben ist, der nie regelmäßig gearbeitet hat, … in die Zange des nazistisch-preußischen Konzentrationslagerregimes“.17

Schockierender als der Sex war für Grete die Art, wie die Frauen einander ständig denunzierten. „Wenn wir abends nach einem Lagertag, der doch schon morgens um halbfünf Uhr begann, endlich auf dem Strohsack lagen, … dann begannen im Schlafsaal die Leidenschaften zu toben. Da rief aus der hintersten Ecke im 2 Stock eine: … ‚Nich mal ’nen janzen Rock hattste auf dem Hintern. Vor fufzich Fennche biste mitjejangen!‘“18

Und dennoch scheint wie bei Nanda auch Gretes Kritik, Zuneigung für diese Frauen zu verbergen. Vielleicht lag das an Gretes Freundschaft mit Else Krug.

|110|Als Grete im Spätsommer 1940 Block 2 zuerst betrat und das Essen auszugeben versuchte, geriet sie in Panik, als die „Meute“ sie bedrohte. „Da erhob sich eine Frau mit einem auffallend ausgeprägten Kinn und lebhaften braunen Augen drängte sich neben mich und rief mit einer Stimme, die ans Kommandieren gewöhnt schien: ‚Wenn ihr nicht sofort auf die Plätze geht und euch weiter so schweinisch gegen die neue Stubenälteste benehmt, erfolgt ein Donnerwetter und die Essenkübel werden zurück in die Küche getragen!!‘ Der Erfolg war erstaunlich!“ Danach hatte Grete zunächst keine Schwierigkeiten mehr.

Grete war der Frau, die ihr geholfen hatte, so dankbar, dass sie in ihren Memoiren von ihr erzählte. Sie hieß Else Krug. Und, weil sie Grete half und sich mit ihr anfreundete, wurde Else Krug eine der wenigen Prostituierten in Ravensbrück, die mit Namen bekannt sind.

Grete als Neuzugang im Lager wusste nicht, dass Else dort schon eine bekannte Figur war; sie war mit dem ersten Transport aus Lichtenburg eingetroffen und eine der ersten Frauen mit schwarzem Winkel, die einen Kapoposten bekam. Sie leitete die Arbeitskolonne im Vorratskeller und hatte den Job trotz des kommunistischen Putschs bis jetzt behalten. Als Gefangene mit einigem Ansehen im Block hatte Else darum beim Essen einen Platz am obersten Tisch, gleich neben der Stubenältesten. Hier konnten sie und Grete reden und einander kennenlernen.

Else erzählte oft von ihrer Vergangenheit als Prostituierte in Düsseldorf, immer mit einem Augenzwinkern. Ihre Spezialität war Sadomasochismus gewesen, den sie in lebhaften Einzelheiten beschrieb. Manchmal sagte sie zu Grete: „Nu woll’n wir mal’n bißchen Naturkunde treiben“ und teilte ihre Erinnerungen. „Bis dahin hatte ich mich – als ein Mensch, der teils medizinische, teils pseudowissenschaftliche Literatur über dieses Gebiet gelesen hatte – für völlig aufgeklärt gehalten. Aber Else Krugs Berichte ließen mir die Haare zu Berge stehen.“

Dennoch entwickelte Grete Bewunderung für Else. „Im Gegensatz zu den anderen Asozialen sprach sie trocken und sachlich von den perversesten Ungeheuerlichkeiten, und in ihrer ganzen Art lag ein gewisser ‚Berufsstolz‘.“ Else jammerte nie oder behauptete wie manche andere, sie werde sich ändern. Stattdessen überlegte sie: „Nach ein paar Jahren KZ wird es mir gar nicht mehr so leichtfallen, in einer Nacht dreihundert Mark zu verdienen, da muß ich schon eine ‚eigene Note‘ in Kleidung und Auftreten finden, um noch Erfolg zu haben!“19

Grete erfuhr auch, dass Else ihre Küchenkolonne gut im Griff hatte und stolz darauf war. Die Arbeit in dieser Kolonne war sehr beliebt, denn es gab viele Gelegenheiten Karotten, Kartoffeln und Rüben hinauszuschmuggeln, manchmal sogar Dosen oder Marmelade – aber auch ein hohes Risiko, erwischt |111|oder von einer Politischen denunziert zu werden, die selbst einen solchen Posten wollte. Wahrscheinlich war der Hauptgrund, warum Else Krugs Aktivität trotz Hanna Sturms Verleumdungskampagne gegen die „Asozialen“ nicht beeinträchtigt worden war, dass sie ihre Kolonne – alles „Asoziale“ – an der kurzen Leine hielt und dafür sorgte, dass die Beute gerecht verteilt wurde. Else war eine Mutter der Küchenkolonne geworden und gewann deren Loyalität, wie Grete bemerkte.

In keinem ihrer Gespräche scheint Grete aber etwas über Elses Vorgeschichte oder ihre Mutter erfahren zu haben, wie es oft bei anderen Frauen geschah.

Einmal im Monat durften die „Asozialen“ wie alle Gefangenen einen Brief schreiben und eine der Aufgaben der Stubenältesten war die Vorzensur der Post, deshalb las sie alle Briefe. Die Briefe an Mütter waren am herzzerreißendsten. „Liebe Mutter, schreibe mir doch einmal ein einziges Wort. Ich bin sehr traurig. Liebe Mutter, ich habe dir soviel Schande gemacht, aber jetzt will ich mich ganz bestimmt bessern. … Schicke mir doch mal eine Mark.“ Manchmal gab es am Samstag, wenn die Post kam, eine unerwartete Antwort für eine Frau, weil „eine Mutter sich hatte erweichen lassen, dann flossen die Tränen in Strömen. Aber am Sonntag hatten sie alle Beteuerungen längst vergessen.“20

In den meisten Fällen bekamen die Frauen aber nie eine Antwort, entweder erreichten ihre Briefe nicht das Ziel oder die Familie hatte sich von ihnen abgewandt. Manche Frauen schrieben auch nie, weil sie vielleicht schon vor langer Zeit den Kontakt zu ihren Familien verloren hatten und sich nicht zu sagen trauten, was aus ihnen geworden war oder wo sie waren, so wie es bei Else gewesen zu sein scheint. Wir wissen aus anderen Quellen, dass Elses Mutter Lina Krug keine Ahnung hatte, wo ihre Tochter sich aufhielt.

Die Familien der „asozialen“ Gefangenen sind ebenso unauffindbar wie die Frauen selbst. Oft hatten sie keine feste Adresse oder saßen selbst hinter Gittern. Wenn vermisste Frauen nach dem Krieg nicht zurückkehrten, blieben solche Familien meist stumm. Vielleicht ahnten sie, wohin ihre Lieben geschickt worden waren, sahen aber keinen Sinn darin, ihre Stimme zu erheben; Familien bekamen weder Hilfe noch Entschädigung.

Elses Mutter erhob aber ihre Stimme. Nach dem Krieg wandte sie sich an die Organisation der Überlebenden, die kommunistisch geleitete Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) mit der Bitte um Informationen über ihre Tochter. Lina Krug scheint keine Ahnung gehabt zu haben, dass ihre Tochter Prostituierte gewesen sein könnte oder warum sie festgenommen wurde. Der Brief erhellte auch etwas von Elses Hintergrund, eine Lebensgeschichte, die keineswegs den „asozialen“ Stereotypen der Polizeiakten entsprach.21

|112|Elisabeth (Else) wurde am 3. März 1900 in Merzig im heutigen Saarland geboren und die Familie wohnte im Nachbarort Neudorf-Altenkessel. Elses Vater Jacob Krug war Schneidermeister und ein angesehener Bürger. Irgendwann in den 1920er Jahren ging sie nach Düsseldorf. Lina erklärt nicht, wann oder warum, aber wir wissen aus anderen Quellen, dass Jacob Krug früh starb, deshalb suchte Else vielleicht Arbeit, als die Familie ihren Ernährer verlor. Wegen der steigenden Arbeitslosigkeit dieser Jahre gingen viele junge Frauen in die Großstädte, um im Haushalt wohlhabender Familien zu arbeiten.

Warum Else in die Prostitution abglitt, ist unklar, aber wahrscheinlich brauchte sie einfach Geld, wie so viele andere Frauen. Sie hätte ihrer Mutter kaum erzählt, was sie tat, deshalb brach wohl der Kontakt zwischen den beiden ab. Wann sie Prostituierte wurde, ist ebenso schwer festzustellen, aber wir wissen dank weiterer erhaltener Akten, dass sie 1938 in einem Düsseldorfer Bordell in der Corneliusstraße 10 arbeitete, dem damaligen Herzen des Rotlichtviertels.

Neben den Akten über Prostituierte wurden auch einige Diensttagebücher der Polizei aus dem Schutt deutscher Städte geborgen, darunter das Diensttagebuch der Düsseldorfer Polizei für das Jahr 1938. Das abgegriffene Buch führt alle Razzien des Jahres in allen Düsseldorfer Bordellen auf. Sie fanden monatlich statt und jedes Mal wurden etwa 25 Stammkräfte registriert und dann wieder nach Hause geschickt.

Immer wieder tauchen dieselben Adressen und Namen auf. In einem Haus in der Corneliusstraße 10 gab es häufig Razzien. Einige Prostituierte wurden zusammen mit einem Ehemann aufs Revier gebracht, der häufig ihr Zuhälter war. Die meisten hatten ein paar persönliche Besitztümer – ein paar Pfennige und einen Hut –, die sie bei der Einlieferung abgaben und mit ihrer Unterschrift eintrugen. Eine der Frauen aus der Corneliusstraße 10 hatte auch eine Tasche dabei, und das war Else Krug.

In der Nacht des 30. Juli 1938 gab es dort wieder eine Razzia, aber diesmal wurden die üblichen Verdächtigen nicht wieder nach Hause geschickt. Sie waren wegen Himmlers neuer Erlasse gegen „Asoziale“ festgenommen worden, eine der ersten Massenfestnahmen dieser Art, und das bedeutete, sie würden bald nach Ravensbrück kommen. Bevor sie das Revier verließ, unterzeichnete Else Krug den Zettel für ihre Tasche in ihrer gewohnt deutlichen Handschrift.

In ihrem zweiten Jahr in Ravensbrück muss Else schon mindestens vier Jahre lang keinen Kontakt mehr zu ihrer Mutter gehabt haben, vielleicht viel länger. Dann verlor sie jede Möglichkeit, nach Haus zu schreiben, auch wenn sie gewollt hätte. Eine nach der anderen verloren die letzten „asozialen“ Kapos wegen der Funktionsübernahmen der Politischen ihre Posten |113|und, als Elses Schmuggel schließlich verraten wurde, verlor sie auch den Job im Vorratskeller. Sie musste eine Weile in den Strafblock, Ziegel schleppen und Lastkähne entladen, aber das brach sie nicht, sagte Grete, die manchmal ein Wort mit ihrer Freundin hinter dem Zaun des Strafblocks wechseln konnte. „Grete“, sagte Else einmal, „die glauben, sie können mich mit Arbeit kleinkriegen! Da haben sie sich geirrt, das kann ich besser als alle!“22

Die Brutalität im Strafblock war schlimmer denn je. Eine neue Aufseherin, die Bäckerstochter Gertrud Schreiter aus Köln, schlug mit einem Ledergürtel. Sie „wurde wild“, sagten die Frauen und Gefangene sagten später, sie hätten die Frauen aus dem Strafblock daran erkannt, dass die Brutalität „auch sie zu Bestien machte“ – „die letzten Reste von Sanftheit verschwanden aus ihren Gesichtern und ihrer Gestalt“.23

Gegen Ende des Jahres 1940 beschloss Koegel diese Frauen für die Prügelstrafe am Bock einzusetzen. Sie wurde inzwischen so oft verhängt, dass Dorothea Binz und Maria Mandl überarbeitet waren und Hilfe brauchten. Wenn Frauen aus dem Strafblock sich dafür hergaben, bekamen sie Sonderrationen und wurden in ihren Stammblock zurückgeschickt. Es mangelte nicht an Freiwilligen. Auch, um die Trapezkünstlerin Katharina Waitz nach ihrem dritten Ausbruch zu schlagen, rührten sich viele Hände.

Nach ihren beiden vorigen Fluchtversuchen hatte Katharina viele Monate im Strafblock verbracht. 1941 fand sie wieder einen Weg. Ihr Ausbruch war dieses Mal so atemberaubend, dass viele Häftlingsfrauen sich später daran erinnerten. Im Schutz der Dunkelheit entschlüpfte sie aus dem Strafblock, ohne Wachen oder Hunde zu alarmieren, und erreichte die SS-Kantine. Sie stieg aufs Dach und kletterte mit einer Decke und einem Kissen über den Elektrozaun, um sich vor dem Strom zu schützen, dann sprang sie auf der anderen Seite herunter. Mit all ihren artistischen Künsten überkletterte sie die fünf Reihen Stacheldraht und die vier Meter hohe Mauer und benutzte wieder Kissen und Decke, um den Stacheldraht auf der Mauerkrone zu übersteigen. Dann sprang Katharina in die Freiheit, doch am Morgen fanden die Wachen die Decke im Stacheldraht und das Kissen auf dem Kantinendach.

Die Gefangenen, die sich an Katharinas Flucht erinnerten, erinnerten sich auch, wie sie zurückgebracht wurde. Während der Jagd nach ihr musste das ganze Lager strafstehen, aber den Strafblock, aus dem sie entkam, traf es am härtesten. Diese Frauen mussten ohne Essen so lange antreten, bis Katharina gefunden war.

Es dauerte drei Tage und drei Nächte. Am Morgen des vierten Tages wurde sie in einem Versteck in Fürstenberg entdeckt. Die Aufseherinnen mit den Hunden kamen zurück und hinter ihnen erschien Koegel, der Katharina vor sich her stieß. Sie war voller Hundebisse und mit Blut und Schmutz bedeckt

|114|Doris Maase sah vom Fenster des Reviers aus, wie Koegel Katharina zum Strafblock brachte. Laut Grete Buber-Neumann und anderen rief er: „Da habt ihr die Waitz. Ihr könnt mir ihr machen, was ihr wollt!“24 Eine andere Zeugin hörte ihn sagen: „Werft sie den Bestien vor, damit sie sich mit ihr amüsieren“, und, sobald er Katharina den Strafblockfrauen übergab, stürzten sich diese auf Waitz und „[trampelten] diese buchstäblich im Waschraum des Strafblockes zu Tode. Der Leichnam der Waitz muß derart fürchterlich ausgesehen haben, daß zum ersten Mal in der Lagergeschichte der Leichnam nicht von Häftlingen wegbefördert wurde, sondern von Dr. Sonntag selbst und seinem Sanitäter Müller“, sagte Doris Maase.25

Nicht lange nach Katharinas Tod organisierte Koegel eine weitere Massenprügelstrafe und wieder war der Strafblock beteiligt. Die Zeuginnen Jehovas, die in den Kaninchenställen arbeiteten, weigerten sich, Angorawolle zu sammeln, weil sie für Soldatenmäntel benutzt würde, darum sei es Kriegsarbeit. Koegel geriet außer sich und befahl zahlreiche Frauen zu prügeln, doch dafür brauchte er zusätzliche Hilfskräfte, also griff er auf Freiwillige aus dem Strafblock zurück. Erneut wurden Vergünstigungen geboten und es meldeten sich auch Frauen, doch Koegel brauchte noch mehr.

Vielleicht wegen ihrer imposanten Erscheinung oder, weil er ihren Stolz bemerkte, wählte Koegel speziell Else Krug als Vollstreckerin aus. Wie die anderen erhielt sie die Chance auf Entlassung aus dem Strafblock, aber sie weigerte sich. Koegel rief sie in sein Büro und Grete erfuhr, was dort vorging.

Koegel war keinen Widerspruch gegen seine Befehle gewohnt, darum schrie er Else wütend an, sie solle gehorchen.

„Nein, Herr Lagerkommandant, ich schlage niemals einen Mithäftling!“ „Was, Sie dreckige Hure, Sie wollen die Arbeit verweigern?!“ „Jawohl, Herr Lagerkommandant!“ „Sie werden noch an mich denken! Ab!“26

Ohne Haar und ohne Namen

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