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11. Virtualisierung konventioneller Angebote

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Eine weitere Besonderheit digitaler Plattformen ist ihr Verhältnis zu nicht-digitalen konventionellen Angeboten. So bieten einige Plattformen Leistungen an, die aus Nutzersicht als funktional äquivalent oder substitutiv zu herkömmlichen Angeboten angesehen werden kann. Zu beobachten ist dies derzeit in der Telekommunikationsbranche am Beispiel der weit verbreiteten Messenger WhatsApp oder Threema.134 Beide werden aus Nutzersicht überwiegend für das Versenden und Empfangen von Kurznachrichten genutzt und können deshalb als funktional äquivalent zu konventionellen SMS-Diensten angesehen werden.

Allerdings beschränken sich viele Angebote nicht darauf, lediglich bereits bestehende Angebote über die Internet-Technologie „virtualisiert“ nachzubilden. Vielmehr werden viele Angebote um weitere Funktionen ergänzt, sodass sie im Verhältnis zu herkömmlichen Angeboten komplementär sind, wie zum Beispiel der Videotelefonie-Dienst Skype, Online-Datingplattformen oder neue Finanzdienstleister. Hinzu kommt, dass die Angebote selbst durch ihre Virtualisierung von einem materiellen Verschleiß unabhängiger werden können, indem ihre Kapazitäten und Ressourcen untereinander beliebig austauschbar gemacht werden.135 Gleichzeitig steigen die qualitativen Erwartungen der Nachfrager. Mit dieser Virtualisierung werden die Angebote einerseits auf eine bestimmte Technologie festgelegt, was wiederum mit Pfadabhängigkeiten einhergeht, wodurch Handlungsmöglichkeiten verschlossen werden.136 Andererseits werden dadurch vorherige Pfade durchbrochen, indem neue Handlungsmöglichkeiten bereitgestellt werden.137 Digitale Plattformen stellen damit eine starke Bedeutung für die gesellschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Veränderungen dar.

90 Evans/Schmalensee, Matchmakers, 2016, S. 199ff. 91 Ebenda, S. 129ff.; ähnlich Engert, AcP 2018, S. 304 (305f.). 92 Podszun, in: Kersting/Podszun, Die 9. GWB-Novelle, Kapitel 1, Rn. 5; Podszun/Franz, NZKart 2015, S. 121 (124). 93 Louven, Verbraucherrechte im Verbrauchsgüterkauf in Deutschland und Spanien, 2018 94 Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, 2015, S. 51f. 95 Dewenter/Rösch/Terschüren, NZKart 2014, S. 387 (389). 96 Ebenda, S. 387 (388). 97 Ebenda, S. 387 (388). 98 Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, 2015, S. 52. 99 Ebenda, S. 51f. 100 Ebenda, S. 52. 101 Evans/Schmalensee, Matchmakers, 2016, S. 48. 102 Schmalensee, JIE 2002, S. 103; Rochet/Tirole, JEEA 2003, S. 990 (1013); Rochet/Tirole, RJE 2006, S. 645 (646f.); zu kartellrechtlichen und sektorspezifischen Besonderheiten Louven, NZ-Kart 2020, S. 426. 103 Rochet/Tirole, JEEA 2003, S. 990 (990); Budszinski/Lindstädt, WiST 2010, S. 436 (437). 104 Rochet/Tirole, RJE 2006, S. 645 (647); Evans/Schmalensee, Matchmakers, 2016, S. 32. 105 Dewenter/Rösch, Einführung in die neue Ökonomie der Medienmärkte, 2015, S. 39ff. 106 Ewald, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 7, Rn. 71; Dewenter/Rösch, Einführung in die neue Ökonomie der Medienmärkte, 2015, S. 136. 107 Busche, in: Busche/Röhling, Kölner Kommentar zum Kartellrecht, § 18 GWB 108 Hass, MedienWirtschaft Sonderheft 2007, S. 70 (70); Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, 2015, S. 45. 109 Hass, MedienWirtschaft Sonderheft 2007, S. 70 (72f.). 110 BKartA, Beschl. v. 22.2.2002 – B7-168/01 (Liberty/KDG), BeckRS 2002, 10429 = WuW 2002, 632. 111 Rochet/Tirole, JEEA 2003, S. 990 (1017). 112 Rochet/Tirole, RJE 2006, S. 645 (646). 113 Evans/Schmalensee, Matchmakers, 2016, S. 47. 114 Ebenda, S. 35. 115 Rochet/Tirole, JEEA 2003, S. 990 (1016). 116 Blaschczok, Kartellrecht in zweiseitigen Wirtschaftszweigen, 2015, S. 49. 117 Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, 2018, S. 473, 489f.; Haucap, Wirtschaftsdienst 2015, S. 91 (94). 118 Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, 2018, S. 489. 119 Vgl. Übersicht bei ebenda, S. 489f. 120 Evans/Schmalensee, Matchmakers, 2016, S. 44. 121 BKartA, Beschl. v. 6.2.2019 – B6-22/16 (Facebook), BeckRS 2019, 4895, Rn. 249. 122 OTT-Kommunikationsdienste erbringen ihre Leistung „Over the Top“, was deren Erbringung über das offene Internet bei gleichzeitiger weitgehender Unabhängigkeit von herkömmlicher Telekommunikationsinfrastruktur beschreiben soll. Die Nutzung dieser Kommunikationsdienste setzt einen bestehenden Internetzugang für den jeweiligen Nutzer über einen Telekommunikationsdienst voraus und stellt die Schaffung dieser Voraussetzung in das alleinige Risiko des Nutzers; Telle, in: Taeger/Telle, Aktuelle Rechtsfragen im Informationsrecht in Rumänien und Deutschland, 2017, S. 39 (40). 123 BKartA, Beschl. v. 22.10.2015 – B6-57/15 (Online-Datingplattformen), BeckRS 2016, 1137, Rn. 17, 19, 72. 124 BKartA, Beschl. v. 22.10.2015 – B6-57/15 (Online-Datingplattformen), BeckRS 2016, 1137, Rn. 17; das BKartA unterscheidet in dem konkreten Verfahren zwischen den Kategorien Partnervermittlungsplattformen (Rn. 26), Singlebörsen (Rn. 29) und Casual-/Adult-Dating-Plattformen (Rn. 31). 125 Haucap, Wirtschaftsdienst 2015, S. 91 (92). 126 Lewandowksi, in: Kuhlen/Semar/Strauch, Grundlagen der praktischen Information und Dokumentation, 2013, S. 495 (499). 127 Glöggler, Suchmaschinen im Internet, 2003, S. 39f. 128 Vgl. Höppner/Grabenschröer, NZKart 2015, S. 162 (165), die von einem „effizientesten Zugang zu den relevantesten Informationen“ sprechen. 129 Ebenda, S. 162 (164). 130 Henseler-Unger, in: Sassenberg/Faber, Rechtshandbuch Industrie 4.0 und Internet of Things, § 1, Rn. 15; Scheer, IS 2016, S. 275 (278); Andelfinger/Hänisch, Internet der Dinge, 2015, S. 32. 131 Sürmeli et al., IS 2017, S. 595 (596); Drescher, Blockchain Basics, 2017, S. 11ff. 132 Einführend zur Blockchain-Technologie aus juristischer Perspektive: Pesch/Sillaber, CRi 2017, S. 166 (167); Saive, CR 2018, S. 186 (186f.). 133 Vgl. dazu die Übersicht bei Drescher, Blockchain Basics, 2017, S. 216. 134 Telle, in: Taeger/Telle, Aktuelle Rechtsfragen im Informationsrecht in Rumänien und Deutschland, 2017, S. 39 (41). 135 Dreher, ZWeR 2009, S. 149 (151). 136 Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, Recht und Innovation, 2016, S. 213; Simonis, in: Sauer/Lang, Paradoxien der Innovation, 1999, S. 149 (152). 137 Podszun, Wirtschaftsordnung durch Zivilgerichte, 2014, S. 124.

Kartellrechtliche Innovationstheorie für digitale Plattformen

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