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4. Informationen

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Plattformen bauen ihre Dienste im Wesentlichen darauf auf, Informationen zu verarbeiten und zu vermitteln.186 Dies kann auf verschiedene Weisen mit wettbewerblichen Implikationen in Verbindung gebracht werden. Zum einen dienen Informationen dem innehabenden Unternehmen als Grundlage seiner eigenen Entscheidungen im Wettbewerb, etwa wenn es seine Plattform-Dienste dadurch erfüllen oder verbessern kann, oder aber neue wirtschaftliche Verwertungen dazu vornehmen kann. Informationen können einem Unternehmen also Wissen vermitteln, das es im Wettbewerb für seine Zwecke nutzen kann. Dies kann zu Vorteilen und Vorsprüngen im Wettbewerb führen und für Unternehmen wiederum ebenso eine Marktzutrittschwelle darstellen, wenn sie nicht über diese Informationen verfügen. Im Zusammenhang mit den bisher dargestellten Besonderheiten bei Plattformen erwächst auch aus der Masse an Informationen eine Bedeutung. Denn Informationen können unter anderem Ergebnisse der verschiedenen Nutzerverhältnisse für das Unternehmen abbilden und damit im Zusammenhang mit den bereits dargestellten Netzwerkeffekten stehen. Für die verschiedenen Nutzergruppen stellen die Informationen einen wesentlichen Mehrwert und Entscheidungsgrundlage dar. Gleichzeitig stehen Daten und ihre einfachere und wirtschaftliche Verwertung durch digitale Plattformen in einem Zusammenhang mit Größenvorteilen, da größere Datenmengen mit mehr Verarbeitungsmöglichkeiten in Verbindung gebracht werden. Für andere Unternehmen kann es eine Herausforderung darstellen, einen eigenen oder ähnlichen Datenbestand aufzubauen wie ein bereits erfolgreich etabliertes Plattformunternehmen. Dabei vermögen Plattformen Informationen einfacher zu vermitteln, sodass sie konventionelle Dienste teilweise überflüssig erscheinen lassen und als unangemessen empfundene Gegenleistungen wie zum Beispiel Provisionen vermeiden lassen. Anders kann dies bei Tätigkeiten sein, die eine umfangreiche und individuelle Informationsverarbeitung verlangen. So lassen sich Standardangebote einfacher über eine digitale Plattform darstellen als individualisierte Leistungen.

Hervorzuheben ist zunächst für die weitere Untersuchung, dass nicht Daten allein als technische Vorgänge bewertet werden, sondern eine kartellrechtliche Bewertung auf die dahinterstehende Information in ihrem jeweiligen wettbewerblichen Zusammenhang abzielt.187 Dies geht daraus hervor, dass die wettbewerbliche Brisanz sich häufig überhaupt erst daraus ergibt, dass ein Unternehmen über Informationen verfügt, die ein anderes nicht hat.188 Das Datum im technischen Sinne stellt zunächst lediglich eine Zeichenfolge dar.189 Es hat als solche noch keine eigenständige Bedeutung im Kartellrecht, sofern man nicht die Speicherung und Auswertung von Daten als Leistungen im Zusammenhang mit der Abgrenzung eines hierfür sachlich relevanten Marktes untersucht. Eine bloße Zeichenfolge an sich ist hinsichtlich seiner wettbewerblichen Wirkungen im Übrigen bedeutungslos. Es besteht also in kartellrechtlicher Hinsicht ein Unterschied zwischen Datum und Information, auch wenn in sonstigen rechtlichen Diskussionen eine Abgrenzung nicht immer trennscharf vorgenommen wird und die beiden Begriffe häufig sogar synonym zueinander verwendet werden.190 Die Information unterscheidet sich von dem Datum durch ein von der jeweiligen Betrachtung abhängiges spezifisches Referenzkriterium.191 Daten sind eine technische Grundlage für Informationen.192 Sie werden über die den digitalen Plattformen zugrunde liegenden Internetinfrastrukturen und Informationstechnik sowie mittels der dabei eingesetzten Schnittstellen und dem World Wide Web verarbeitet.

Eine wettbewerbliche Bedeutung kann eine Zeichenfolge aber dann erlangen, wenn ihr von den relevanten Personen eine Bedeutung zugeschrieben wird.193 Dies erfolgt durch Transformation oder Kombination.194 Erstere beschreibt die Zuschreibung einer Bedeutung zu der Zeichenfolge in einer konkreten Situation durch mindestens eine Person. Letztere meint dies speziell durch die Zusammenfügung von verschiedenen Zeichenfolgen. Dies kann durch Wettbewerber erfolgen, ebenso wie der jeweiligen Marktgegenseite. Diese Bedeutung kann sehr stark variieren und jeweils für verschiedene Personen unterschiedliche Bedeutungen haben, ist also relativ.195 Diese Relativität findet sich in einer kartellrechtlichen Betrachtung wieder, wenn die konkrete wettbewerbliche Bedeutung einer Information untersucht wird. Nicht die Masse an Daten und damit in Verbindung gebrachten Informationen ist kartellrechtlich unmittelbar bedeutsam, sondern zunächst vor allem ihre wettbewerbliche Qualität für den jeweiligen Betrachter im Wettbewerb.196 Die Qualität von Informationen kann für Innovationen bedeutsam sein, wenn auf ihrer Grundlage Unternehmen neue oder bessere Angebote oder Prozesse schaffen und bewerben können.197 Erst wenn diese qualitative Aussage über den Informationsgehalt von Daten angestellt werden kann, wäre eine quantitative Aussage über den Bestand der hiermit qualifizierten Daten möglich.

In diesem Zusammenhang steht die Bewertung von Netzwerkeffekten und Größenvorteilen bei digitalen Plattformen, wie sie insbesondere auch in § 18 Abs. 3a Nr. 1 und 3 GWB im deutschen Kartellrecht ausdrücklich als mögliche Marktmachtkriterien erwähnt werden. Eine eigenständige Bedeutung der Größe eines Datensatzes für die Marktmachtbewertung ergibt sich nicht aus § 18 Abs. 3a Nr. 4 GWB, der seinem Wortlaut nach als Marktmachtkriterium für Plattformen „sein Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten“ vorsieht. Zum einen ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, dass es weniger um die Größe und das Potenzial zur Ausschaltung des Wettbewerbs durch die Vorenthaltung geht, als die vorgelagerte Zugriffsmöglichkeit.198 Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung zur 9. GWB-Novelle, mit der diese Vorschrift eingeführt wurde und die vor allem auf eine Erfassung marktmachtrelevanter Vorsprünge durch diesen Zugang abzielt.199 Über das im Wortlaut enthaltende Kriterium der Wettbewerbsrelevanz wird auch bei dieser Vorschrift deutlich, dass es auf einen besonderen wettbewerblichen Bezug ankommt. Im Kontext muss dieses Kriterium deshalb so verstanden werden, dass nicht die final-absolute Inhaberschaft über einen bestimmbaren Datenschatz zur Voraussetzung einer Marktstellung gehört, sondern es kommt auf die besonderen Bezugsquellen an, die das Unternehmen sich unabhängig vom Wettbewerb aufbauen konnte.

Als dritter Begriff tritt an dieser Stelle das Wissen auf, was sich als subjektivpersönlicher Bestand von organisierten Informationen zu einem bestimmten Bereich beschreiben lässt.200 Es ist Gegenstand und Ergebnis des noch zu erläuternden Wettbewerbsprozesses als Entdeckungsverfahren, in dem Unternehmen nach neuen Informationen suchen, um diese in ihren Erfahrungsschatz zu integrieren und darauf aufbauend für sie wettbewerblich günstig wirkende Entscheidungen treffen zu können.201 Dieses kann dem Unternehmen einen Vorsprung in Form eines Wissensspielraums verschaffen. Für Innovation hat Wissen deshalb eine besondere Bedeutung, weil es sich als Erfahrungsschatz darstellen kann und damit neue Innovationen ermöglichen kann.202 Wissen kann aufgrund seiner reinen Subjektivität aber nicht selbst Gegenstand eines Marktes und des Wettbewerbs sein, sondern ist lediglich ein mögliches unternehmensinternes Ergebnis.

Kartellrechtliche Innovationstheorie für digitale Plattformen

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