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C. Annäherung an einen Innovationsbegriff

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Der Begriff „Innovation“ kann im Zusammenhang mit innovationsrelevantem Kartellrecht über zwei verschiedene methodische Fragestellungen fassbar gemacht werden. Auf der einen Seite steht die Klärung des Rechtsbegriffs, der entsprechend rechtlich ausgelegt wird, auf der anderen Seite sind tatsächliche Feststellungen über die Umstände zu treffen, die im Zusammenhang mit Innovationssachverhalten erheblich sind. Doch letzteres ist nur möglich, wenn die tatsächlichen Feststellungen nach den jeweiligen theoretischen Grundlagen im Rahmen einer rechtlichen Würdigung – also der kartellrechtlichen Bewertung von Innovation – überhaupt berücksichtigt werden dürfen.248 Dies beschreibt besonders prägnant die Herausforderung kartellrechtlicher Fragestellungen, sind diese doch besonders stark von wettbewerbstheoretischen Wertungen einerseits und den hierauf gestützten Feststellungen andererseits geprägt. Bei den wettbewerbsökonomischen Theorien handelt es sich zunächst um außerrechtliche Wertungserkenntnisse, denen also keine unmittelbare rechtliche Wirkung entnommen werden kann. Das Kartellrecht ist aber bei seiner Auslegung auf diese Erkenntnisse angewiesen. Die kartellrechtliche Bewertung innovationserheblicher Sachverhalte hat also eine tatsächliche Komponente und eine wertende Komponente. Erst durch die wertende Komponente des Rechts und der Rechtserkenntnis aber kann die tatsächliche Komponente berücksichtigt werden. Dies gilt für den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit besonders, da ein eigenständiger kartellrechtlicher Innovationsbegriff sich bislang nicht ausmachen lässt.249 Schließlich ist die Rechtswissenschaft als wertende Wissenschaft notwendigerweise an Tatsachen und Erkenntnisse gebunden, die ihr als zu bewertende Umstände vorgegeben werden.250

Die rechtliche Bewertung des Innovationsbegriffs setzt eine bestimmte, der Auslegung des jeweiligen Rechts entsprechende Anwendung dieses sprachlichen Ausdrucks voraus. Der aus dem feststellbaren sprachlichen Ausdruck abgeleitete Innovationsbegriff wird zum einen durch Einflüsse bereits bekannter innovationstheoretischer Ansätze und Erkenntnisse geprägt, die noch zu erörtern sind. Zum anderen kommt es nicht lediglich auf die dargestellten wirtschaftstheoretischen Grundlagen und Eingrenzungen eines möglichen, aber nicht abschließend rechtlich klärbaren Innovationsbegriffs im Wettbewerb an, sondern vielmehr sind diese ersten Annäherungen mit dem europäischen und deutschen Kartellrecht und Wirtschaftsverfassungsrecht überein zu bringen. Dies muss zum einen gelten, weil die Bewältigung innovationserheblicher Plattform-Sachverhalte notwendigerweise eine Festlegung dahingehend bedürfen, entweder was Innovation oder Innovationswettbewerb ist oder wie das geltende Recht ausgelegt werden muss, um innovationserhebliche Umstände erfassen zu können, oder aber wie das Recht selbst gelten kann oder fortentwickelt werden muss. Es kommt also auch auf die Klärung der damit verbundenen Frage an, ob und wie weit die dargestellten wettbewerbstheoretischen Ansätze hinsichtlich eines Innovationsbegriffs überhaupt rechtlich verwertet werden können. Innovation und Wettbewerb als auch ökonomisch untersuchbare Phänomene bilden im Zusammenhang mit rechtlichen Fragestellungen zunächst rechtliche Begriffe, die entsprechend nach rechtlichen Methoden ausgelegt werden müssen.

248 Drexl, in: von Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, Wettbewerbsverfassung, S. 935; Wieddekind, in: Eifert/Hoffmann-Riem, Innovation und rechtliche Regulierung, 2002, S. 134 (139); Hoffmann-Riem, Innovation und Recht, Recht und Innovation, 2016, S. 236. 249 Ewald, in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 7, Rn. 11, 17ff. 250 Vgl. Wieddekind, in: Eifert/Hoffmann-Riem, Innovation und rechtliche Regulierung, 2002, S. 134 (139).

Kartellrechtliche Innovationstheorie für digitale Plattformen

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