Читать книгу Zeiten der Leidenschaft - Shana Abe - Страница 11

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»Die was?«, fragte der Schotte mit einer Stimme, die Eiszapfen zum Klirren hätte bringen können.

»Sirene«, wiederholte Io nun doch nicht mehr ganz so selbstsicher. »Hast du denn nicht … Weißt du denn nichts über Kell?«

Es schien unglaublich. Kell war uralt, genau wie der Fluch. Sie hatte gedacht, dass alle Menschen davon wussten. Sie hatte gedacht … Oh Gott, sie hatte gedacht, er wüsste es.

Ihr ganzes Leben lang hatte Io sich das Land jenseits ihrer Insel vorgestellt. Es war nicht weit bis zu deren Ufern. In milden Nächten schwamm sie nah genug heran, um den Rauch der Fischerdörfer zu schmecken, den Prahlereien der Männer zu lauschen, während diese ihren Fang säuberten, in die Fenster der Katen zu schauen, wo sie Ehefrauen und Witwen und Hunderte schreiender Kinder erblickte.

Die Hunde bellten sie an, doch die Menschen riefen sie mit ihrem Pfeifen zurück, sodass sie sich in Lagunen ihren Betrachtungen hingeben konnte. Sie verstand die Menschen nicht, und deshalb hatte sie sie, wann immer sie konnte, aufgesucht.

Das hatte ihrer Mutter überhaupt nicht gefallen. »Halte dich fern«, hatte sie gewarnt, »und gib keinen Ton von dir. Lass nicht zu, dass sie dich auch sehen, Ione. Man wird dich nicht willkommen heißen, sondern sich nur vor dir fürchten.«

Für sie war es immer eine Ironie des Schicksals gewesen, dass diejenigen, die sie fürchteten, jene waren, die sie im Sterben umarmte, um ihre Ängste zu vertreiben.

Und so schwamm Io und schwamm, ohne jedoch jemals mehr als einen flüchtigen Blick auf das Leben der Menschen zu erhaschen. Ihr schien es so, als lebten die Menschen in einer Welt voller Lachen und Licht, ein verbotener Ort voller Geheimnisse: Ackerbau, Tanz, Brautwerbung, Liebe.

Liebe.

Sie nahm von ihnen alles, was sie kriegen konnte. Sie war ganz versessen auf alles Menschliche und lernte ihre Lieder und ihre Sprache. Sie beobachtete, wie sie sich umwarben und wie sie sich paarten, aßen, tranken und schliefen. Sie kletterte an Ankerketten empor und lauschte insgeheim den Geschichten der Seeleute, die von Geschöpfen ihrer Art und anderen berichteten. Sie redeten über ihre Familien, erzählten von Monstern und spekulierten über die Metvorräte an Bord. Sie achtete darauf, dass man sie nie sah, wie ihre Mutter es ihr eingeschärft hatte.

Aber das reichte ihr noch nicht. Sie erfuhr nie genug, um das schmerzhafte Sehnen tief in ihrem Innern zu befriedigen. Sie konnte nicht herausfinden, welche Magie das Leben der Menschen bestimmte, die es auf Kell nicht gab. Sie würde nie begreifen, warum ihr Vater die Insel verlassen hatte.

Männer, nahm Io an, gediehen nie lange an ein und demselben Ort. Aber Ione war entschlossen, es mit ihrem zu versuchen.

Das schimmernde Licht des Mondes modellierte seine Gesichtszüge. Mit seinem tiefschwarzen Haar und den silberklaren Augen war er schön genug, um einer der ihren zu sein. Seine strengen Gesichtszüge wirkten wie gemeißelt, und die hochgezogenen Augenbrauen ließen ihn vorwurfsvoll erscheinen. So wie er dastand, mit ihrer Hand in seiner, hätte er eine der Götterstatuen sein können. Ein Gott aus Marmor, aber ach, wie warm.

Der Schotte wich einen Schritt zurück. Nur einen einzigen, aber das reichte, um ihr einen schmerzhaften Stich zu versetzen. Sie ließ seine Hand nicht los, sodass beide ihre Arme strecken mussten.

»Wie ist das möglich, dass du es nicht wusstest?«, fragte Ione verblüfft. »Du hast mich doch im Wasser gesehen. Du hast es selbst gesagt.«

»Ich dachte, das wäre alles nur meiner Einbildung entsprungen.« Er verzog die Lippen, doch nicht zu einem Lächeln. »Ich dachte, ich wäre gestorben.«

»Das wärest du auch. Ich habe dich gerettet.«

Sehr sanft, sehr beherrscht löste er ihre Hände voneinander. Seine Finger zitterten ganz leicht. Er schloss sie zu einer Faust. Sein versteinerter Gesichtsausdruck verstärkte sich noch und wirkte nun distanziert und kühl. Mit einer ruckartigen Bewegung wandte er den Blick von ihr ab und starrte ins Dunkel. Diese Miene kannte sie, und sie machte sie bedrückt.

»Hast du Angst vor mir, Schotte?«

»Ich habe keine Angst vor dir. Ich habe Angst …« Er presste die Lippen noch fester zusammen, sodass sie grimmig nach unten wiesen. »Der Himmel möge mir beistehen. Ich muss verrückt sein.«

Die Verzweiflung, die in seiner Stimme mitklang, machte sie betroffen. Io dachte an die Sterblichen, denen sie gefolgt war, die nie geschaut hatten, was unter den abgrundtiefen Wellen lag, und sich nie zu weit vom Festland entfernt hatten. Sie sah das Stück Treibholz an, das der Schotte als Stütze benutzte, und spürte, wie Scham in ihr aufstieg.

»Du bist nicht verrückt«, sagte sie. »Morgen werde ich es dir beweisen; denn heute Nacht ist das Wasser zu aufgewühlt. Es wäre gefährlich, jetzt hinauszugehen. Heute Nacht werden wir schlafen. Morgen werde ich dir beweisen, dass du nicht verrückt bist.«

»Ich werde nicht schlafen«, sagte er fast mit einem Knurren.

»Na gut. Du brauchst nicht zu schlafen.«

Das Bett sah weich und einladend aus. Sie schlüpfte unter die Decken, streckte sich aus und hielt ihm ihre Hand hin.

»Was machst du da?«, fragte er steif.

»Du sagtest, du willst nicht schlafen. Also komm.«

»Ich bin nicht … Ich werde nicht …« Er schien vergessen zu haben, was er sagen wollte, und starrte sie nur an.

»Wir werden nicht schlafen«, erwiderte sie leicht erschöpft und ungeduldig.

»Mein Gott«, rief er und wich noch einen Schritt zurück. Sein Stock knallte laut auf den Boden. »Das war alles real? Die Träume von dir … von uns zusammen …«

»Deine Erinnerung lässt dich nicht im Stich.« Sie schenkte ihm ein Lächeln, das ihn trösten sollte, und streckte ihm weiterhin einladend ihre Hand entgegen. »Komm schon. Du wirst es genießen, das verspreche ich dir. Ich bin kein Traum.«

»Nein … Das bist du nicht. Nichts davon ist ein Traum.«

Seine Stimme wurde ganz leise, so leise, dass sie ihn kaum noch verstand. Mit zerzaustem Haar und weißen Knöcheln klammerte er sich an seine provisorische Krücke. So wie er dastand, eingehüllt vom Mondlicht, sah er nicht mehr wie ein Mensch aus, sondern wie ein Tier – ein wilder Wolf, geschmückt mit Quarz und Onyx, der Gefahr ausstrahlte.

Dann trat er aus dem Licht, und Io spürte, wie es ihr, ein bisschen nur, das Herz zerriss. Sie setzte sich wieder auf.

»Aedan?«

Er hüpfte an ihr vorbei, wobei er einen großen Bogen um das Bett machte.

»Aedan …«

»Nein.«

»Geh nicht«, sagte sie. »Bitte.«

Beim dreibeinigen Diwan blieb er stehen, aber er schaute nicht zu ihr zurück.

Hilflos spreizte sie die Hände. »Ist es nicht das, was die Menschen tun?«

»Was?«

»Sich paaren. Mann und Frau, im Bett, im Wald … Ich weiß es. Ich habe es gesehen.«

Jetzt drehte er sich zu ihr um. »Du hast es gesehen?«

»Aye. Und ich dachte, es hätte dir gefallen, Schotte.«

»Ich war bewusstlos«, sagte er barsch. »Du hättest mir nicht beiliegen sollen.«

»Es hat mir gefallen.« Sie senkte den Blick und strich mit den Händen über die Decke. »So wie dir auch.«

Er sagte nichts, aber sie hörte ihn lang und schwer ausatmen.

»Du willst weder schlafen noch essen«, sagte sie leise. »Du willst nicht mit mir zusammen sein. Das Ganze ist mir ein Rätsel. Was willst du eigentlich?«

Er beendete seine Musterung des Bodens, hob den Kopf und warf ihr einen feurigen Blick aus silbernen Augen zu.

»Ich weiß es nicht.« Er klang wieder sehr grimmig. »Ich weiß es noch nicht.«

»Du solltest hier bleiben. Das weißt du doch.«

»Nein.«

»Wo willst du denn sonst hin? Was gibt es denn so Dringendes zu erledigen? Hier gibt es nur das Schloss und die Insel. Außerhalb dieser Mauern gibt es wilde Tiere, denen man besser nicht mitten in der Nacht begegnet.«

Er drehte das Treibholz in der Hand, sodass er ein mahlendes Geräusch auf dem Steinboden hervorrief.

»Ich glaube, du lügst«, sagte sie. »Ich glaube, du willst doch bleiben.«

Mit leicht zur Seite gelegtem Kopf hörte er ihr zu. Sie konnte nur den Schwung seines Wangenknochens erkennen und den angespannten Muskel, der sich unter seiner Tunika abzeichnete.

»Nicht wahr?« Io stahl sich ans Bettende und schob langsam die Beine über die Kante. Ein Seidenlaken bauschte sich hinter ihr auf. Sie zog es hervor und legte es sich um die Schultern.

»Nicht wahr?«

Sie stieg aus dem Bett, und die Seide floss hinter ihr her, um sich dann um ihren köstlichen Leib zu schmiegen. Er beobachtete ihr Kommen aus den Augenwinkeln. Hin- und hergerissen zwischen seinem Willen und ihrem stand er bewegungslos da. Sie spürte bereits seine Hitze, wütendes Verlangen, wachsende Begierde. Das Laken immer noch festhaltend trat sie hinter ihn und schlang ihre Arme um seine Brust. Die Seide legte sich wie eine lockere Fessel, leicht wie eine Brise um sie beide.

»Nicht wahr«, wisperte Ione, und dann schmiegte sie sich ganz langsam an seinen Körper. Ihre Wange ruhte an seinem Schulterblatt. Ganz tief aus seiner Kehle drang ein Laut, der pures männliches Verlangen ausdrückte. Sie spürte ihn in ihrem ganzen Körper.

Sie ließ eine Ecke des Seidentuches los und strich mit ihrer Hand über seinen Körper. Ihre Finger fanden ihren eigenen Rhythmus, erforschten seine Formen, die warmen Konturen und die wachsende Anspannung in seinen Muskeln. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und hielt sich an ihm fest, als sie ihn auf den Nacken küsste.

Als er sich endlich bewegte, geschah dies so schnell, dass sie nur einen kurzen Blick auf sein Gesicht erhaschte, das in seiner Wildheit wieder an einen Wolf erinnerte, ehe seine Lippen sich auf ihren Mund senkten. Der Stock polterte zu Boden, und seine Hände vergruben sich fast schmerzhaft in ihrem Haar, als sein Mund sich leidenschaftlich auf ihren presste.

Die Plötzlichkeit, mit der er über sie herfiel, erschreckte sie. Sie hing wie eine Gefangene in seiner Umarmung. Sein Körper verbrannte sie wie eine alles verzehrende Flamme. Diese Empfindung traf sie wie ein fiebriger Schock, ein Kribbeln, das sich in ihrem ganzen Körper ausbreitete.

Sein mächtiger Körper drängte sich gegen ihren, schob sie durchs Zimmer, bis sie gemeinsam auf das Bett taumelten. Das Seidenlaken schwebte wie ein Schleier hinter ihnen her und blähte sich noch ein letztes Mal auf. Sie gab fast keinen Laut von sich, als sie aufs Bett fiel, und dann war er wieder da. Ein unsanfter Mann von wunderschöner Gestalt und mit harten Muskeln streckte sich über ihr aus und bedeckte sie mit seinem Körper.

Ihre Arme schlossen sich um seinen Nacken.

»Lass es nicht zu«, keuchte er. Er zitterte vor Anspannung, als er mit dem Knie ihre Schenkel auseinander schob.

»Ja«, sagte sie. Das war zwar nicht die richtige Antwort, aber nichtsdestotrotz wahr und das, was sie wollte.

»Ja«, sagte sie wieder und erwiderte seinen Kuss. Dann übersäte sie seine Lippen, sein Kinn, den salzigen Bogen seiner Schulter mit Küssen. Er stöhnte. Das tiefe Grollen erschütterte sie beide, dann drückte er sein Gesicht in ihr Haar. Sein keuchender Atem strich über ihren Hals.

Sich rastlos unter ihm windend zerrte sie an ihm. »Aedan, hör nicht auf.«

Doch das hatte er bereits. Sie spürte jetzt eine andere Art von Anspannung in ihm, eine tiefe, bebende Stille, die sich auf sie legte, bis auch sie ruhig wurde und beide nur noch keuchend in der Dunkelheit lagen.

»Bitte, hör nicht auf«, wisperte Ione verzweifelt.

»Sag mir eins.« Seine Stimme war ganz rau, und er hob auch nicht den Kopf. »Bist du … Bist du mit anderen zusammen gewesen?«

»Was meinst du damit?« Was er sagte, ergab keinen Sinn für sie, nichts ergab einen Sinn – warum hatte er aufgehört? Er wollte sie, sie wollte ihn. Io versuchte, sich an ihn zu schmiegen, aber seine Arme schlossen sich noch fester um sie.

»Vor mir«, fragte er wieder, ohne nachzugeben, mit knirschenden Zähnen. »Du sagtest, du hättest Menschen gesehen – im Wald, im Bett. Bist du schon mal mit einem anderen Mann so zusammen gewesen?«

»Ob ich mich gepaart habe?«

»Aye.« Das eine Wort drang wie Donnerhall aus seinem Mund.

»Nein«, sagte sie. »Nur mit dir.«

»Himmel.« Er drückte sie fester – eine kurze, leidenschaftliche Umarmung –, dann wälzte er sich von ihr herunter. Er stieg aus dem Bett, seine Erregung war deutlich zu erkennen, und entfernte sich.

»Was spielt das für eine Rolle?« Io setzte sich auf. »Aedan?«

Er konnte kaum denken, kaum sehen oder auch nur stehen. Ihre Stimme klang wie das Plätschern von Wasser über Flusskieseln, ein leises Murmeln, dem nur ganz schwach zu entnehmen war, wie verletzt sie sich fühlte.

Er hatte ihr wehgetan. Das hatte er nicht gewollt.

Sie war unschuldig – zumindest war sie es gewesen. Und er hatte ihr beigelegen, hatte sie benutzt, sie mit einer Offenheit und Leidenschaft geliebt, die ihn immer noch in Erstaunen versetzte und die Macht besaß, seinen Verstand zu vernebeln und ihn zu ihr zurückzutreiben, in ihre Arme, in ihr Bett und zu ihrem wundervollen, köstlichen Körper.

Er hatte sie benutzt. Und sie wusste es noch nicht einmal. Noch nicht.

Was sie auch sein mochte – Sirene oder doch nur ein Erdenmädchen, er wusste kaum, was er glauben sollte –, er selbst konnte sich nicht vergeben. Er hatte immer so hart um seine Ehre gekämpft, hatte so sehr beweisen wollen, dass er des Titels wert war, der ihm von Geburt an gehörte – und jetzt, hier, hatte er etwas getan, das sich nie mehr rückgängig machen ließ.

Ein schöner Prinz, fürwahr, dachte er bitter.

Ein Teil von ihm hatte die Wahrheit gekannt, hatte gewusst, dass kein Traum so real wie sie sein konnte, keine Phantasievorstellung so greifbar. Er hatte es gewusst – aye, sein Herz hatte sie erkannt – in dem Augenblick, als er sie im großen Saal erblickt hatte.

Unschuldig. Allein.

Die Art, wie sie sich kleidete, die Art, wie sie sprach – er hätte es schon früher erkennen müssen. Sie war noch nie mit anderen Menschen zusammen gewesen. Sie hatte nie all die normalen Dinge getan, die für ihn so selbstverständlich und alltäglich waren: sich mit Freunden unterhalten, durch die Berge reiten, ein Schachspiel bei Kerzenschein, Spielmänner, Feste – all diese Merkmale von Zivilisation. All das gab es auf Kell nicht.

Und schlimmer noch, er war auf sie losgegangen, obwohl die Schuld eigentlich bei ihm gelegen hatte. Noch etwas, was gegen ihn sprach, noch eine Sache, bei der er Schande auf sich geladen hatte.

Er spürte ihre Berührung an seinem Arm. Ihre Finger glitten über ihn hinweg, und er drehte sich um. Nachdenklich und traurig schaute sie zu ihm auf. Das Mondlicht glitzerte in ihrem Haar.

Auch wenn sie mit anderen zusammen gewesen wäre, mit hundert anderen, hätte er immer noch kein Recht, sie zu nehmen. Überhaupt kein Recht.

»Ich werde woanders schlafen«, sagte Aedan und war überrascht, dass seine Stimme so fest klang. »Folge mir nicht. Bleib hier, Ione.«

»Ich habe dich beleidigt«, sagte sie traurig.

»Nein.« Er nahm ihre Hand und küsste ihre Finger. Sofort kam das Verlangen mit geballter Kraft zurück. Er musste sich förmlich zwingen, sie loszulassen. »Nein, ich habe mich selbst beleidigt.«

Er humpelte aus dem Zimmer.

Die Krönung fand noch in der gleichen Nacht statt.

Die Königin ritt auf einem majestätischen, schwarzen Hengst zur Kirche. Es war das Pferd ihres Bruders, nicht ihres. Schlank und schmal saß sie auf seinem Rücken. Sie ritt es als Tribut an seine Tapferkeit, und die Leute von Kelmere bekundeten ihre Zustimmung, als sie an ihnen vorbeikam. Die Königin erwiderte ihre Rufe und ihre Glückwünsche mit ernstem Nicken, während ihr Blick entweder auf den Weg vor ihr oder auf den sich verdunkelnden Himmel gerichtet war.

Die Krönung sollte am Abend stattfinden. Man war darin übereingekommen, so Prinz Aedan zu huldigen, der während der einsetzenden Dämmerung gestorben war, als er seine Schwester hatte retten wollen.

Der Weg wurde von Hunderten von brennenden Fackeln erleuchtet, die heller strahlten als das abnehmende Licht oder die Sterne, die gerade erst aufgingen. Callese ließ den Hengst im Schritt gehen. Die Kupfermünzen, die am Sattel angebracht waren, klingelten bei jedem Schritt, und die weißen Schleifen in der Mähne des Hengstes flatterten. Sie trug die Farben ihres Vaters, und das Wappen war auf ihre Röcke gestickt. So konnten alle sehen, dass sie auch ihm auf diese Weise die letzte Ehre erwies.

Um sie herum waren die weisen Männer ihres Vaters – die nun ihr zur Seite stehen würden – Krieger, Ratgeber und Bischöfe, die alle ihre schönsten Gewänder trugen, die Menge beobachteten, die sich näher drängte, und ihre Königin im Auge behielten.

An der Tür zur Kirche waren noch mehr Menschen, unzählige hatten sich versammelt, und Callese wusste, dass sich auch im Innern der Kirche viele aufhalten würden. Die von königlichem Geblüt waren, warteten im Innern der Kirche … Jedoch nicht so viele, wie es wohl gewesen wären, wenn sie noch ein oder zwei Tage der Krönung geharrt hätte. Doch auch so warteten ihr treu ergebene Herrscher, Prinzen von hohem Geblüt, Clanchefs aus den Highlands und sogar die Herrin der Wälder.

Sie saß mit Hilfe eines ehrfürchtig blickenden Jungen ab, indem sie von seinen Händen aus auf den Boden trat. Sie drehte sich um und winkte ihrem Volk zu, das ihren Gruß mit plötzlich aufkommendem lautem Jubel erwiderte. Die Lichter flackerten und bebten.

Der Hengst stampfte unruhig auf, und Callese griff wieder nach den Zügeln. Sie ließ ihre Hand über seinen Kopf zu den Nüstern gleiten, und das Pferd beruhigte sich und senkte seinen Kopf friedlich neben ihren. Sie bildeten einen schönen Anblick: die blonde junge Königin mit dem Lilienkranz im Haar und der mächtige Hengst, dessen rabenschwarzes Fell neben ihrer hellen Gestalt noch dunkler wirkte.

Der Priester, der ihr am nächsten stand, hatte die Geste gesehen. Sehr würdevoll beugte er sich nach vorn und sprach leise zu ihr.

»Der Prinz befindet sich jetzt an einem besseren Ort, meine Königin.«

Callese hob den Kopf. Es war das erste Mal seit Tagen, dass wieder ein Lächeln auf ihrem Antlitz lag: ein betörendes, fröhliches Lächeln, das dem Priester den Atem nahm.

»Guter Pater«, erwiderte sie. »Das weiß ich doch.«

In dieser Nacht, in der seine Schwester zur Königin der Inseln gekrönt wurde, hatte Aedan keinen einzigen Traum.

Ione fand ihn, als der Morgen dämmerte. Er schlief in dem Zimmer, das auch ihr Vater immer vorgezogen hatte und in dem die Sachen so aufgestellt waren, wie es die Menschen machten, wie er ihr einst erzählt hatte. Drei Sessel standen um einen Tisch, in dessen Platte farbiges Glas eingelegt war. Es gab zwei Truhen für Kleider, deren Deckel geschlossen waren, um den Inhalt vor Licht zu schützen, und einen schönen Wandbehang, der ein Schloss zeigte. Es war kleiner als ihres, und Bauern gingen davor über ihre Äcker und verteilten die Saat.

Aedan hing schlafend in einem der Sessel. Die Beine hatte er lang ausgestreckt, und das Kinn ruhte auf der Brust. Seine Haltung sah nicht sehr bequem aus. Es stand außer Zweifel, dass ihm mit einem Bett besser gedient gewesen wäre.

Io setzte sich leise in einen der anderen Sessel und wartete darauf, dass er erwachte. Sie achtete nicht auf die Zeit, die verging. Sie saß einfach nur da und beobachtete ihn, bewunderte, wie das erste Licht des Tages auf ihn fiel, bewunderte seine Gestalt, seine verschränkten Arme, ja sogar seine einzelnen Atemzüge.

Ja, stellte sie fest. Sie mochte ihn viel lieber, wenn er schlief.

Wenn er schlief, entspannten sich seine grimmigen Züge, er sah jünger aus, und die Sorgenfalten waren geglättet. Er war keine Marmorstatue mehr, sondern wieder aus Fleisch und Blut, nur ein Mensch, von der Sonne gebräunt, mit Narben und Bartstoppeln, die seine Wangen blau aussehen ließen.

Sie ertappte sich dabei, wie sie seine Hände betrachtete, deren kräftige Finger seine Ellbogen umschlossen. Sie waren mit Kratzern übersät, aber trotzdem voller Eleganz. Fähige Hände. Ob ein Breitschwert oder einen Kelch – beides hielt er mit gleicher Anmut.

Sie erinnerte sich daran, wie sie sich auf ihrem Körper angefühlt hatten. Sie erinnerte sich an die Hitze seiner Lippen, wie er sie geküsst hatte, als wäre sie heller und köstlicher Mittsommertau. Sie hatte das Gefühl gehabt, als würde sie mit ihm verschmelzen, als würde sie völlig in der alles verzehrenden Freude, die zwischen ihnen war, aufgehen.

Ione stützte ihre Wange mit ihrer Hand ab und unterdrückte einen Seufzer. Sie wollte das wieder spüren.

Wie war es möglich, grübelte sie, solche Dinge für einen Mann zu empfinden, den sie kaum kannte? Er war ihr immer noch ein Rätsel. Sie hatte keine Ahnung, was für ein Mensch er jenseits von Kell gewesen war. Es schien fast so, als wäre er erst im Meer zu vollem Leben erwacht – so wie sie vor langer Zeit –, und alles andere vor dem heutigen Tag wäre verblasst. Aber so war es nicht. Er war ein Sterblicher. Er war irgendwo von sterblichen Eltern gezeugt und geboren worden, war unter Menschen aufgewachsen. Vielleicht hatte er sogar in einem der Dörfer, die sie heimlich besuchte, gelernt und gelebt.

Wie war es möglich, dass ihr Herz nur noch für ihn schlug?

Io hatte keine Erklärung dafür. Sie hatte nur in seine Augen geschaut, und dann war es passiert: Der Geist, den sie darin gesehen hatte, die reine Ehrlichkeit seiner Seele hatten sie verzaubert. Ihre Wahl konnte Probleme mit sich bringen. Sie hatte ihre Entscheidungen immer schnell getroffen – überstürzt, wie ihre Mutter gemeint hatte. Aber Ione würde es nicht bedauern, diesen Mann in ihre Arme und ihr Zuhause gelassen zu haben.

Egal, was passieren mochte.

Sie fragte sich kurz, ob es auch für jene erste Sirene und ihren Fischer so gewesen war. Ob sie auch dieses süße, heiße Hoffen in der Brust gespürt hatten.

Immer noch schlafend drehte Aedan den Kopf, sodass einer seiner zerzausten Zöpfe über seine Wange glitt. Er brauchte dringend einen Kamm und ein Bad.

Sie beugte sich vor und strich den Zopf zurück. Sein Bart fühlte sich angenehm fremd unter ihren Fingern an.

Als er schließlich aufwachte, rührte sie sich nicht, um ihn nicht zu erschrecken. Verschlafen sah er sich finster in dem Raum um, setzte sich mit einem Stöhnen im Sessel auf und rieb sich den Nacken. Immer noch wartete sie, und als sein Blick schließlich doch auf sie fiel, deutete Io nur mit einem Nicken auf den Tisch ihres Vaters.

»Ich habe dir dein Frühstück gebracht.«

Es bestand aus hartem Brot und gesalzenem Fleisch auf einem Teller. Daneben stand ein Becher mit bitterem Ale, das aus einem heil gebliebenen Fass stammte, welches sie von dem Schiff geborgen hatte.

Sie hoffte, dass es das war, was er mochte. Sie hoffte, dass sie alles richtig gemacht hatte: Sie wusste, dass die Menschen unterschiedliche Sachen zu den unterschiedlichen Tageszeiten aßen. Aber sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann welches Essen serviert wurde, und auf den Schiffen, die vor Kell kenterten, war ohnehin nie eine große Auswahl zu finden. Dass sie das Ale gefunden hatte, war ein Glücksfall gewesen. Das Fass hatte sich zwar zwischen zwei Wänden des Schiffsrumpfs verklemmt, aber sie wollte zumindest den Versuch unternehmen, es herauszuholen. Sie hatte gegen die mächtigen Wellen kämpfen müssen, um es zu bergen. Doch die ganze Zeit hatte sie sich sein Gesicht vorgestellt, wenn er es sähe. Hatte sich seine Freude über ein vertrautes Getränk vorgestellt.

Eine leichte Brise wehte in das Zimmer. Sie traf den Schotten und schien ihn etwas zu stärken. Er rieb sich die Augen, setzte sich gerader auf und ließ den zierlichen Sessel plötzlich ganz klein wirken. Er blieb, wo er war, und schaute sich an, was sie ihm gebracht hatte, ohne jedoch etwas anzurühren. Er sah nicht wieder zu ihr hoch.

Nach einer Weile meinte Ione zögernd: »Wenn dir das Essen nicht zusagt, werde ich mehr Fische für dich töten.«

»Nein.« Er brachte sein Bein in eine Position, die es ihm ermöglichte, dichter am Tisch zu sitzen. Immer noch wich er ihrem Blick aus. »Es ist in Ordnung.«

Aedan konzentrierte sich auf das Essen. Es war schlicht und einfach und das, was Matrosen und vernünftige Menschen zu sich nahmen. Es war die Art von Kost, die er überall bekommen würde – zu Hause, am Herd von Fremden, wenn er durch seine Heimat zog, oder an Bord der Schiffe seines Vaters.

Aber er befand sich hier an keinem dieser Orte. Er war an einem Ort, zu dem keiner zu reisen wagte, neben einem Wesen, das kein Mensch sich vorzustellen wagte. Sie war das genaue Gegenteil von dem Mahl, das sie ihm bot. An ihr war nichts Gewöhnliches. Sie bestand nur aus sagenumwobenen Mythen und Zauberei, eine Frau, die keine Frau war und doch so viel mehr.

Aye, er wusste, wie viel mehr.

In diesem Moment, als die Sonne gerade anfing, mit rosafarbenem Schimmer aufzugehen, begann Aedan, in diesem staubigen, zugigen Zimmer eines alten Schlosses auf einer sagenumwobenen Insel die Situation, in der er sich befand, allmählich zu akzeptieren. Ihm blieb keine andere Wahl. Er konnte sein Schicksal entweder akzeptieren oder sich wie ein Wahnsinniger dagegen auflehnen. Es hatte keinen Sinn, gegen das Schicksal aufzubegehren – sein Vater hatte ihm das einst vor sehr langer Zeit erklärt, während sein Blick an Aedans Mutter, der Königin, gehangen hatte, die ihm hinter langem schwarzem Haar hervor ein schnell aufblitzendes Lächeln geschenkt hatte.

Sie hatte nach den alten Bräuchen gelebt. Alle wussten das, doch niemand sprach darüber. Im Geheimen hatte sie den Mond verehrt und die Sonne angebetet, sie hatte Alraune gesammelt, um daraus Zaubertränke zu machen, und Mistelzweige, die Glück bringen sollten. Als Kind war Aedan ihr überallhin gefolgt. Als Mann hatte er sie nur geliebt und ihre Andersartigkeit, die sie von seinem Vater und den Männern der Kirche unterschied, akzeptiert. Als sie kurz nach seinem siebzehnten Geburtstag starb, war Aedan im Dunkel der Nacht allein in die Gruft zurückgekehrt und hatte für sie eine letzte Zeremonie aus Rauch, Mondlicht und Myrrhe abgehalten.

Er war sich, nicht ohne Erheiterung, der Tatsache bewusst, dass seine Mutter seine ungewöhnliche Retterin geschätzt hätte – wenn auch nicht sein Benehmen.

Aedan hob den Becher und schaute zu Ione, die ihn wie immer aus tiefblauen Augen intensiv betrachtete. Dann begann er zu essen.

Das Essen war fürchterlich – das Brot hart wie Stein, das Fleisch so zäh, dass er es fast nicht kauen konnte. Nur das Ale war einigermaßen annehmbar. Aedan hatte den Verdacht, dass das vor allem daran lag, weil er sich damit das Salz aus dem Mund spülen konnte.

»Schmeckt es?«, fragte sie, als er an einem weiteren Bissen kaute.

»Ja«, log er und war froh darüber, als er sah, dass sie lächelte.

Wie zuvor aß sie auch diesmal nicht mit. Er aß alles bis auf den letzten Krümel auf.

»Du bist fertig«, verkündete Ione, als er seinen leeren Becher hinstellte. »Lass uns aufbrechen.«

»Wohin?«

»Ich habe dir doch gesagt, dass ich dir beweisen würde, dass du nicht verrückt bist. Ich bin bereit.«

Sie rutschte auf ihrem Sessel nach vorn. Hübsch und mit leicht geröteten Wangen sah sie fast wie ein normales Mädchen aus. Heute Morgen trug sie ihr Haar offen. Keine Perlenschnüre waren hineingewoben und auch keine anderen Schmuckstücke, die er hätte sehen können. Es fiel ihr in Locken über die Schultern und hatte eine Farbe, für die er noch nicht einmal ein Wort wusste. Es war eine Mischung aus Rot und Gold, Feuer und Sonne. Sie trug einen Umhang, der mit rotem Stoff eingefasst und silbernen Nadeln geschlossen war. Er reichte ihr bis zu den Knöcheln, die sie sittsam neben dem Sessel gekreuzt hatte.

Sie bemerkte, dass er sie musterte. Mit hochgezogener Augenbraue setzte sie eine Miene auf, die er gut kannte.

»Das heißt, wenn du bereit bist, dich der Wahrheit zu stellen, Schotte.«

»Schön«, meinte er und stand auf. »Ich bin auch bereit.«

Sie nickte und ging zu einer Truhe, die er in der letzten Nacht gar nicht bemerkt hatte. »Du brauchst etwas Wärmeres zum Anziehen als deine Tunika. Es ist kalt in den Höhlen.«

Höhlen?, hätte er beinahe gefragt, aber er hielt sich gerade noch rechtzeitig zurück.

Sie warf ihm quer durch das Zimmer ein Stoffbündel zu. Er fing es lässig auf, schüttelte es aus und stellte fest, dass es sich um eine frische Tunika handelte, die aus sandfarbener, schwerer, gewebter Wolle bestand.

»Beinlinge?«, fragte er. Sie warf einen zweifelnden Blick auf sein geschientes Bein.

»Stiefel«, beharrte er eigensinnig, und sie drehte sich um und wühlte so lange herum, bis sie ein Paar fand.

Aedan setzte sich wieder hin und beschäftigte sich mit den Stiefeln. Sie bot keine Hilfe an, sondern stand währenddessen nur da und ließ ihren Blick zwischen dem Fenster und ihm hin und her schweifen. Er nahm sich mit Absicht viel Zeit. Lockerte die Senkel, schob seine Füße hinein, wobei die Schienen sehr störten, und stellte fest, dass die Hirschledersohlen noch deutlich die Form des früheren Besitzers hatten. Durch seine gebeugte Haltung war ihm alles Blut in den Kopf geflossen, und schließlich wurde ihm das zu viel, sodass er sich mit dem zweiten Stiefel beeilte. Dann setzte er sich auf und blinzelte, um die Punkte vor seinen Augen zu vertreiben.

Die Tunika lag auf seinem Schoß. Er sah zu Ione. Sie erwiderte seinen Blick.

»Nun?«, fragte sie.

»Geh raus«, sagte er.

»Warum?«

»Weil ich will, dass du es tust«, erwiderte er abgehackt.

Sie verdrehte die Augen und ging.

Die sandfarbene Tunika war weich und schwer. Sie stellte eine gewaltige Verbesserung zu seiner alten dar, die nicht nur zerlumpt war, sondern auch durchdringend nach seiner gestrigen Mahlzeit roch. Er dachte zuerst, dass sie zu klein sein könnte – er war einer der größten Männer seines Klans, wie die Schneiderin von Kelmere immer wieder gern betonte –, aber die neue Tunika war offensichtlich für jemand ähnlich Großen angefertigt worden, und so saß sie gut. Auf die Ärmel war eine Reihe tanzender Pferde gestickt, was fremdartig, aber gleichzeitig hübsch aussah. Er fragte sich, woher das ungewöhnliche Muster wohl stammen mochte, welche Frau die Tunika wohl genäht und welcher Mann sie zumindest eine Weile getragen hatte.

Ione wartete mit gesenktem Kopf, sodass ihr Haar das Gesicht verhüllte, auf dem Korridor auf ihn. Als er auftauchte, ging sie los, ohne zu schauen, ob er ihr auch folgte.

Er war langsamer als sie. Sein Bein begann bereits wieder zu schmerzen, und das Treibholz war wirklich zu kurz, um von großem Nutzen zu sein. Sie ließ ihn schnell hinter sich zurück, während sie durch den unbeleuchteten Korridor glitt. Sie war die Haupttreppe bereits zur Hälfte hinuntergestiegen, als sie sich ungeduldig umdrehte, wieder zu ihm hochstieg und sich vor ihn kauerte. Sie ließ ihre Hand erst über sein Bein und dann seinen Kopf gleiten, wobei ihre Berührungen solch eine Ruhe ausstrahlten, wie sie in ihrem Gesicht nicht zu sehen war. Aedan stand still da und erlaubte es ihr schweigend, während er die Erleichterung genoss, die wie kühles Wasser durch seine Adern floss.

Dann setzten sie ihren Weg gemeinsam fort.

Der große Saal war halb dunkel, die Sonne stand noch nicht hoch genug, um durch das löcherige Dach zu scheinen. Ione führte ihn an den einsamen Tischen vorbei zu einem mit einem Bogen überspannten Durchgang, der ganz versteckt in einer Ecke lag. Durch den Durchgang kam man zu einer weiteren Treppe mit steilen Stufen. Aber mit ihrem um seine Hüfte geschlungenen Arm war der Abstieg nicht so schwierig, wie er zuerst befürchtet hatte. Weder sie noch er sprachen. Es schien ganz natürlich, dass nur die Geräusche ihrer Schritte in dem schmalen Gang widerhallten.

Es wurde dunkler, dann heller, und dann erstrahlte ein überraschend helles Licht. Es war ein seltsames Licht: fahl, kühl und mit türkisfarbenem Schimmer. Die Stufen endeten auf einem Treppenabsatz aus Marmor, der feucht glitzerte. Jenseits der Plattform war das Meer – oder eher Meerwasser, das sich unter dem Schloss unter der Insel selbst staute, denn sie befanden sich in einem Höhlengewölbe.

Aedan stand einfach nur da und nahm den leeren Raum, die feuchten Höhlenwände, die mit Kristallen besetzt zu sein schienen, und das schwappende blaue Wasser mit den Augen auf. Es gab keinen Ausgang nach draußen, es war auch nicht das kleinste Stück Himmel zu sehen. Soweit er das beurteilen konnte, drang alles Licht von unten durch die Wellen, durch eine Öffnung, die unter Wasser lag und das Tageslicht einließ.

Ione ließ ihn los. Sie trat an den Rand der Plattform und öffnete ihren Umhang, sodass dieser zu Boden glitt. Sie war nackt und leuchtete in den Farben einer anderen Welt: Ihre Haut strahlte in hellstem Blau, und ihr Haar wirkte fast violett. Ohne ihm auch nur noch einen Blick zu schenken, hob sie die Arme über den Kopf und legte die Hände zusammen. Mit einem geschmeidigen, kraftvollen Sprung tauchte sie in das glitzernde Wasser.

Zeiten der Leidenschaft

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