Читать книгу Zeiten der Leidenschaft - Shana Abe - Страница 13
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ОглавлениеDas andere Ende von Kell war immer nebelverhangen. Dort befanden sich hohe, steile Berge, die mit Wäldern bedeckt waren, die sich bis in die Ausläufer erstreckten und den Rest der Insel sprenkelten. In den Wäldern lebten Bären, Hasen und Wildschweine. Wildblumen blühten in üppigen Farben, und Tautropfen beugten ihre Stängel zu Hirtenstäben. Ströme nährten Moos, Fische und Wasserfälle und schliffen die Steine im Flussbett zu glatten Kieseln. Es war ein berauschender Ort, wo es nach Pinien und Wolken duftete.
Ione kannte alle Winkel. Sie hatte die Wälder immer wieder durchstreift und erforscht, war dabei aber nie so weit vom Meer entfernt, dass sie es nicht mehr hätte spüren können. Trotzdem genoss sie ihren üppigen kleinen Flecken Erde.
Ihre Mutter hatte ihr alles über das Meer beigebracht, doch ihr Vater hatte sie das Land lieben gelehrt, und so kam sie hierher, um über den Schotten nachzudenken und zu entscheiden, wie sie am besten mit ihm verfahren sollte.
Er war unglücklich. Sie wusste nicht, warum, konnte noch nicht einmal behaupten, es zu verstehen. Sie nahm an, dass er die menschlichen Errungenschaften vermisste wie Tavernen, Straßen, große Schiffe und Dörfer, die ohne Magie errichtet worden waren. Solche Annehmlichkeiten würde sie ihm nie bieten können. Aber, hatte Io gedacht, sie könnte ihm etwas viel Besseres geben. Sie könnte ihm – wäre sie kühner – ihr Herz schenken. In Wahrheit hatte sie Angst, dass sie das bereits getan hatte.
Aber er wollte fort.
Sie lag zwischen den Farnsträuchern und blickte finster zum Himmel. Was war eigentlich mit ihm los, dass er sie so sehr verschmähte? War sie böse? War sie eine Hexe, die die sehnlichsten Wünsche auf die schrecklichste Art in Erfüllung gehen ließ? Nein. Sie war nur – sie selbst. Sie hatte gedacht, dass sie in den Augen der Sterblichen schön sei, aber anscheinend nicht für ihn. Sie war keine Hexe, sie machte keine leeren Versprechungen.
Aber er wollte sie verlassen. Er würde gehen, und sie würde ihm nicht folgen können.
Der Himmel möge ihr vergeben. Vielleicht hatte sie sie beide verdammt.
Aus Schwäche hatte sie ihn hergebracht. Schwäche, Einsamkeit, das hatte sie dazu gebracht, nach etwas zu greifen, das nie ihr Eigen hätte sein sollen …
Jahrelang hatte sie allein auf Kell gelebt. Aber wie schön war es, sogar für diesen kurzen Zeitraum, einen Gefährten zu haben, laut zu sprechen und eine andere Stimme zu hören, im Sand Fußspuren zu sehen, die nicht ihre eigenen waren, in der Nacht Wärme zu spüren – zumindest Wärme.
Was würde sie tun, wenn er ging?
Io wischte sich eine unerwünschte Träne aus den Augen. Sie würde nicht um ihn weinen. Sie konnte Weinen nicht ausstehen.
Mit dem Arm unter dem Kopf rollte sie sich auf die Seite und zupfte an ein paar Grashalmen. Ob er bleiben oder gehen wollte, war seine Entscheidung. Keine Sirene konnte einen Mann gegen seinen Willen festhalten, sonst würde der Fluch sie beide treffen.
Na schön. Sollte er doch versuchen, die Insel zu verlassen. Wenn er dumm und blind war, wenn er dumm genug war, gehen zu wollen, dann verdiente er weder sie noch Kell. Er konnte in seine lächerliche, langweilige Welt zurückkehren und sein lächerlich langweiliges Leben führen und sie für immer vergessen, genau wie sie ihn auch vergessen würde – außer der Fluch brachte ihn vorher um.
Sie nahm eine Hand voll Erde und ließ sie auf die Farne rieseln. Aye. Geistig minderbemittelter Mann. Undankbarer, dickköpfiger Schotte.
Soll er doch gehen!
Doch ganz tief in ihrem Innern brannte ein Licht eigensinniger Hoffnung, das im höchsten Grade lästig war. Es brannte weiter, egal wie viele Vernunftgründe sie mit ins Spiel brachte. Sie wollte diese Hoffnung nicht. Es schmerzte zu sehr, wenn man hoffte. Diese Lektion hatte sie gelernt.
Doch die Hoffnung raunte: Es muss etwas geben, das ihn dazu bringt, bleiben zu wollen.
Io wandte das Gesicht wieder dem Himmel zu und drückte die Hände an ihr Herz, um den Schmerz einzudämmen.
Die Tage vergingen, und schließlich ging sie wieder nach Hause.
Sie fand ihn schlafend im Schlossgarten, wo er sich auf einer zerbröckelnden Bank aus Alabaster ausgestreckt hatte. Er lag im Schatten eines wild wuchernden Weinstocks. Durch das dichte Blätterdach fielen hie und da Sonnenstrahlen, die ein Mosaik aus Licht und Schatten auf ihn warfen.
Als sie sich näherte, öffnete er die Augen, und der silbrige Blick, der sie traf, ließ sie auf der Stelle stehen bleiben.
Während ihrer Abwesenheit hatte sich sein Aussehen sowohl verbessert als auch verschlechtert. Der Bart war weg, sodass sein kräftiger Kiefer und die sinnlichen Lippen, die sie kannte, wieder zu sehen waren – doch seine Haut war gerötet, sein schwarzes Haar zerzaust und die Tunika zerrissen. Die Schnüre um seine Beinschiene mussten dringend wieder straff gezogen werden.
»Ione.« Mit finsterer Miene setzte er sich auf. »Wo zum Teufel bist du gewesen?«
»Ich schulde dir keine Rechenschaft«, erwiderte sie, doch ihr Tonfall blieb ruhig.
Er stand auf, und sie bemerkte, dass er eine neue Krücke, diesmal aus Eschenholz, hatte. »Ich hatte …« Er verstummte und räusperte sich. »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Das ist alles.«
»Nicht nötig.« Sie hob ihre Hand. »Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht.«
Er schaute den schlichten kleinen Behälter, den sie in der Hand hielt, an, als würde sich darin eine Natter befinden. Sein Gesichtsausdruck ließ sie erst lächeln und dann in Gelächter ausbrechen.
»Keine Sorge, Schotte. Ich tue dir nichts. Ich habe eine Salbe für deine Haut zubereitet, damit sie besser heilt und dich vor der Sonne schützt.«
Er sagte nichts, sondern schaute sie nur weiter finster an.
»Du brauchst sie«, fügte sie unverblümt hinzu. »Ohne Schutz wird dir die Sonne das Blut vergiften und dir den Verstand verwirren.«
»Vielleicht hat sie das bereits«, grummelte er.
»Vielleicht«, stimmte sie ihm fröhlich zu. »Setz dich, und lass dir von mir helfen.«
Sie hatte sich die Zeit genommen, wieder etwas zum Anziehen zu finden. Diesmal trug sie ein Gewand von täuschender Schlichtheit. Dunkelviolett wie das Innere einer Herzmuschel. Das Haar hatte sie zurückgenommen und zu einem einzigen Zopf geflochten, der bis über ihre Taille fiel und mit Perlen geschmückt war. Sie wollte, dass er sich wohl fühlte, er sollte nicht an sie denken, sondern an das, was sie ihm geben wollte. Zumindest im Moment.
Wachsam ließ Aedan sich nicht gerade sehr entspannt wieder auf die Bank sinken. Io reichte ihm das Tongefäß und ließ ihn den Korken entfernen.
»Das ist nur Öl, siehst du?« Sie kniete sich vor ihn, nahm den Behälter und neigte ihn ein wenig, sodass ein Tropfen in ihre geöffnete Hand fiel. »Ich habe es aus süßen Mandeln, Rosenessenz, Ringelblumen und Lavendel hergestellt. Dann habe ich noch die roten Blätter von Mohn hinzugefügt, der der Flüssigkeit Wärme gibt.« Sie hob die Hand an ihre Lippen und leckte den Tropfen auf. »Man kann es sogar trinken. Nichts, wovor man Angst haben müsste.«
»Ich habe keine Angst vor dir, Ione.«
» Hervorragend.«
Er griff nach ihrem Handgelenk. »Ich habe keine Angst vor dir«, wiederholte er eindringlich. »Das sollst du wissen.«
Er war so nah, dass sie die zarten Fältchen in seinen Augenwinkeln sehen konnte. Sein Blick hielt ihren fest, und das Funkeln durchdrang sie wie eine Schwertklinge.
»Nun«, meinte sie schließlich. »Das freut mich.«
»Was ich für dich empfinde … hat mit Angst überhaupt nichts zu tun.«
Eine Strähne seines schwarzen Haars wurde vom Wind hochgehoben und strich über ihre Nase. Aufgeregt und nervös wich sie vor ihm zurück. Sie hatte Angst, dass er ihre Gedanken und Hoffnungen erkennen könnte.
»Hier.« Sie richtete sich auf und gab ihm den Behälter zurück. »Du solltest es sofort benutzen.«
»Danke.«
Sie zuckte die Achseln und trat von der Bank weg zu dem undurchdringlichen Grün der Kletterpflanze. Sie streckte einen Finger aus und wickelte sich eine der Winden darum. Sie hatte nicht den Eindruck, dass Aedan sich hinter ihr gerührt hatte.
»Ich werde nicht gucken«, sagte sie in Richtung der Blätter.
Sie hörte ein leises Geräusch, das Rascheln von Stoff und Füße, die über Kies scharrten. Sie spürte, wie sich ein süßer Druck in ihrer Brust aufbaute, so zart wie die Rankpflanze und genauso kräftig.
»Es riecht … gut«, meinte Aedan.
»Rosen«, rief sie ihm in Erinnerung. »Die wachsen hier viel.«
»Ich habe sie gesehen.«
Sie blickte an den Blättern vorbei in den dunstigen blauen Himmel. Ein Zaunkönigpaar flog in den Wald hinein.
»Gefällt es dir?«, fragte Io.
»Was?« Er klang vorsichtig.
»Das Öl.«
»Aye. Das tut es.«
Sie zog an einem Blatt. »Bist du fertig?«
»Fast.«
»Dann lass mich dir den Rücken einreiben«, sagte Ione, »dort, wo du nicht ankommst.«
Die Stille, die folgte, war lang und schwer. Schließlich sagte er mit seltsam flacher Stimme: »Na gut.« Mit sich blähendem violettem Rock und schwingendem Zopf drehte sie sich zu ihm um.
Er hatte immer noch seine Tunika an, aber er hatte die Schnur, die sie zusammenhielt, gelockert, sodass seine breite Brust und die Schultern zu sehen waren, die jetzt durch das Öl glänzten. Schwert, Gürtel und Scheide lagen auf der Bank neben ihm. Er saß und starrte auf den runden Behälter, den er in der Hand hielt. Durch die gesenkten Wimpern wirkten seine Augen dunkelgrau. Erst jetzt bemerkte sie, dass seine Zöpfe sich gelöst hatten und die Perlen weg waren.
Vielleicht würde sie sie ihm später neu flechten.
Ihre Füße machten keine Geräusche auf dem Boden. Sie stand vor ihm und streckte die Hand aus. Aedan gab ihr den Behälter.
Sie goss ein wenig Öl in ihre Hand und bewunderte den klaren, buttrigen Glanz, dann stellte sie das Gefäß neben sein Schwert. Statt auf die andere Seite der Bank zu gehen, trat Io zwischen seine Beine, und ehe er etwas dagegen einwenden konnte, beugte sie sich über ihn und strich mit ihren Händen über die feste Wölbung seiner Schultern. Sie spürte die Anspannung, mit der er ihr widerstand. Statt sich zu entspannen, versteifte er sich noch mehr – aber er stieß sie nicht von sich.
Ihre Hände glitten hoch und runter und verteilten das Öl. Dabei erforschte sie die fein gemeißelten Muskeln auf seinem Rücken, der bis auf eine Narbe an seinem rechten Schulterblatt ganz glatt war. Es handelte sich um eine halbmondförmige Narbe, die durchs Alter verblasst war und sich genau um den Knochen zog. Ein paar Zentimeter weiter, und vielleicht hätte er nach der Verletzung nie wieder den Arm bewegen können.
»Wie bist du dazu gekommen?«
»Bei einer Schlacht«, erklärte er zurückhaltend. Sein Kopf befand sich etwa in Höhe ihrer Taille. »Eine Schlacht mit … den Bretonen. Ja, ich glaube, das war's.«
»Aha. Bretonen.«
Sie hörte kurz auf, um sich noch mehr Öl zu nehmen. Als sie sich wieder über ihn beugte, verstärkte sich der Druck ihrer Hände im Vergleich zum sanften Streicheln vorher. Mit glitschigen Fingern massierte sie seine verspannten Muskeln und arbeitete sich mit kleinen, knetenden Bewegungen um seine Narbe herum. Er gab einen tiefen, fast schon wehmütigen Laut von sich und ließ zu, dass sie noch weiter unter seine Tunika glitt.
Sie lehnte jetzt an ihm, während sie ihn massierte. Ihr Körper umarmte ihn und spürte bei jedem Streicheln, jeder Berührung seine Kraft, während er sich mit den Händen an der Bank festklammerte. Er war eine massive, nie nachgebende Stütze, ganz und gar Mann und mühsam gebändigtes Verlangen. Ihr Bauch lag an seiner Schulter, ihre Schenkel lagen an seiner Brust, und der süße Druck in Io begann, sich zu entfalten, auszudehnen und immer mächtiger zu werden. Als sie es nicht mehr ertragen konnte, richtete sie sich auf und ließ ihre Hände über seinen Rücken nach oben und um seine Schultern gleiten, um dann vor ihm auf die Knie zu sinken, während ihre gespreizten Finger auf seiner Brust lagen.
Er schaute sie an, und sie sah das wilde Verlangen in seinem Gesicht: ein strenges, gut aussehendes Gesicht, so dunkel und so unverschämt schön. Langsam glitten Ios Hände tiefer und fanden die Stelle, wo sein Herz schlug – zum Leben erwachter Donnerschlag unter den angespannten Muskeln seiner Brust.
Er hob seine Hand – doch nicht, um nach ihrer zu greifen, wie sie gedacht hatte. Mit unerwarteter Zärtlichkeit strich er mit seinem Daumen über ihr Kinn. Es war nur eine ganz leichte Berührung, doch die ruhige Zurückhaltung wurde von dem Sturm, der in seinen Augen tobte, Lügen gestraft.
»Es ist nicht ehrenhaft«, flüsterte Aedan fast zu sich selbst. Aber sein Blick hing an ihren Lippen.
»Was hat Ehre hier schon zu bedeuten?«, entgegnete Ione genauso leise. »Ich bitte dich nicht darum, jemandem etwas anzutun. Ich bitte nicht darum, dass du leidest. Wir sind allein auf Kell und werden es immer sein. Die Ehre, von der du sprichst, lebt weit weg von hier.« Sie legte eine Hand an seine Wange. »Aber du lebst hier – mit mir.«
Er schüttelte den Kopf. Sie beugte sich nach vorn und drückte ihre Lippen auf seinen Mundwinkel. Es war ein zarter Kuss, der ihn ganz still werden ließ.
Ione bewegte sich und küsste ihn voll auf den Mund. Er stieß sie nicht zurück, erwiderte den Kuss aber auch nicht. Wieder kam eine leichte Brise auf und zerzauste ihm das Haar, das weich wie Seide über ihre Haut strich. Sie legte ihre Hand darauf und ließ es durch ihre Finger gleiten, während ihr Kuss weiter nach unten wanderte, über seinen Kiefer und noch weiter nach unten, bis ihre Zunge seinen Halsansatz berührte.
Aedan stöhnte, und sie spürte es als tiefes, gequältes Summen an ihren Lippen.
»Ione, ich kann nicht …«
Sie lächelte ihn an. »Aber ich weiß, dass du kannst.«
Schließlich zog er sich doch zurück und packte ihre Schultern mit schmerzhaftem Griff. »Hör zu.« Seine Augen glitzerten silbern. »Ich habe dir nichts zu bieten – kein Heim, kein Königreich. Ich kann dir noch nicht einmal meinen Namen geben.«
»Ich will deinen Namen nicht, und ich will auch kein Königreich. Ich will dein Herz. Deinen Körper.«
Er stieß ein raues Lachen aus. »Meine Seele auch?«
»Aye«, erwiderte sie rückhaltlos. »Die auch. Und ich schwöre dir, dass ich mich um diese Teile von dir kümmern werde, wie kein anderer es könnte.«
Das Geheimnis ihres violetten Gewands bestand darin, dass das Mieder sich öffnete, wenn man an einer versteckten Schleife zog. Dann glitt es wunderbar leicht von ihren Schultern bis zu ihrer Taille. Sie hob ihre Arme, und der üppige Stoff glitt ihren ganzen Körper entlang nach unten, bis sie in einem Wasserfall aus Stoff kniete und die kühle Luft ihre Haut liebkoste.
Aedan schien überhaupt nicht mehr zu atmen.
»Du gibst mir diese Teile von dir«, sagte sie leise, »und ich gebe dir im Gegenzug alles, was ich bin.« Sie umfasste ihre Brüste, hob sie an und verrieb das Öl mit provozierend kreisenden Bewegungen. »Alles, Aedan.«
Das brach seinen Widerstand – der Anblick dessen, was sie ihm anbot. So erotisch, so freizügig, vom duftenden Öl schimmernde Hände, deren Finger ihre Brustwarzen reizten, bis diese steil nach oben standen. Er spürte, wie er fiel, den Versprechungen verfiel, die sie ihm machte, und da war nur noch sein eiserner Wille, der ihn zurückhielt. Er wollte, was sie ihm anbot, sehnte sich so verzweifelt danach, dass das Verlangen ihn beben ließ und wie ein Donnerschlag die Erde erschütterte. Er war entflammt und brannte vor Verlangen nach ihr.
Sie hielt inne. Er hörte sie seinen Namen unsicher mit leiser, fragender Stimme sagen, als würde sie wieder jeden Augenblick aufstehen und weggehen.
In einer einzigen fließenden Bewegung rutschte er von der Bank und riss sie in seine Arme, um mit ihr zu Boden zu sinken. Seine Arme bildeten einen sehr ungenügenden Schutz gegen den Kies, der den Boden bedeckte, aber es schien ihr nichts auszumachen. Ione ließ sich mit ihm zu Boden gleiten. Mit zurückgeworfenem Kopf, sodass ihr weißer Hals sich ihm einladend entgegenstreckte, unterwarf sie sich seinem Willen. Unsanft schob er sich über sie. Es war kein zartes Liebesspiel, keine höfische Anmut lag in seinen Bewegungen. Er und sie befanden sich schon längst jenseits solcher selbst auferlegter Beschränkungen. Die Liebenden kannten einander vom Gesicht über den Körper bis hin zu den intimsten Berührungen. Er streckte sich auf ihr aus und spürte, wie die Glut in ihm zu tosenden Flammen erwachte.
Seine Lippen glitten über ihre Haut, bis er die feste Spitze einer ihrer Brüste fand und fest daran saugte. Mit einem bejahenden Laut klammerte sie sich an ihn, der unschuldige Griff ihrer Hände in seinen Haaren zog ihn noch näher. Ihr Rücken wölbte sich nach oben, und ihre Schenkel öffneten sich. Der Kies bohrte sich in seine Hände und in seine Knie: Es spielte keine Rolle, es war nur ein weiterer Aspekt, der mit ihrer Eroberung einherging – Schmerz und Ungestüm und wildes, tiefes Vergnügen.
Hinter ihnen kippte das Gefäß mit dem Öl um, rollte über die Bank und fiel zu Boden. Ihre Füße hatten sich in den Falten ihres Gewandes verfangen. Ungeduldig trat er es beiseite und befreite sie beide davon, denn nichts sollte zwischen ihnen sein.
Beharrlich zerrte sie an seiner Tunika. Als er sich aufsetzte, um sie auszuziehen, riss sie die Tunika entzwei, und er lachte an ihren Lippen, ihren vollkommenen Lippen, ihrer schimmernden Haut. Atemlos stimmte Ione in sein Lachen ein.
Dann küsste Aedan sie – ein langer, wollüstiger Kuss, der aus Zunge, Geschmack und Rosen bestand. Sein ölig glatter und heißer Körper pochte vor Verlangen nach ihr.
Er spürte etwas Kühles auf seinem Rücken. Sie hatte das Gefäß mit den Händen ertastet und goss es über ihm und ihr aus, um es dann zu verreiben. Er setzte sich auf und zog sie mit sich hoch. Ganz und gar mit Öl bedeckt, glitzerte sie wie ein Stern. Ein prächtig schimmerndes Wunder aus Farben, Freude und einem betörenden Lächeln. Dieser Anblick berührte ihn, brachte ihn dazu innezuhalten, denn er schlug eine Saite tief in seinem Innern an, zog sein Herz zusammen und blendete seine Seele.
»Ione, ich …«
Aber Aedan wusste nicht, was er sagen sollte, wie er ausdrücken sollte, was er fühlte. Worte reichten einfach nicht, das Verlangen zu beschreiben, das ihn erfasst hatte.
Du wunderschönes, blendendes, herrliches Geschöpf, ich will dich, ich will dich, Liebste …
Sie legte den Kopf zur Seite, und dieses liebliche Lächeln lag immer noch auf ihren Lippen, als ihre Hände an seinem Körper streichelnd nach unten glitten. Sie fand seinen Schaft und legte ihre Hände darum, um ihn ganz langsam zu drücken und zu massieren. Er packte ihre Handgelenke – im Rausch der Leidenschaft wusste er kaum, ob er sie aufhalten oder ermutigen wollte –, und sie tat es wieder, wobei sie sich enger an ihn schmiegte und ihren Körper in köstlicher Qual an ihm rieb.
»Küss mich«, sagte sie, und er tat es, wobei er ihren Zopf um seine Faust wickelte und sie an sich zog. Die Perlenkette riss, und die milchigweißen Kügelchen prasselten wie Regentropfen auf die Erde.
»Berühr mich«, verlangte sie, und auch das tat er. Er schob seine Hand in den Spalt zwischen ihren Beinen. Sie war feucht, glatt vom Öl und längst bereit. Er liebkoste, erregte und weitete sie, bis sie keuchte und sich mit leisen, stoßweisen Seufzern an ihn drängte, sodass Aedan dachte, er würde sterben.
»Tu es«, befahl sie mit kehliger Stimme. »Komm in mich.«
Und er tat es.
Es war wild und rau und herrlich. Er stieß ohne jedes Feingefühl in sie, benutzte sie, um sich Erleichterung zu verschaffen, und ließ sie ihn benutzen. Sie bäumten sich auf und warfen sich gegeneinander. Er hielt ihre Arme über ihrem Kopf fest und sie grub ihre Zähne in seinen Nacken. Die Perlen kullerten unter ihnen umher, der Kies bohrte sich in ihre Leiber, und er stieß fester und immer fester zwischen ihre weit geöffneten Schenkel. Sie wälzte sich hin und her und keuchte, ihre Lippen waren wund, und ihr Blick ging ins Leere. Er ließ ihre Handgelenke los, um seine Hände unter ihre Hüften zu schieben und sie anzuheben. Ione schrie auf und erreichte ihren Höhepunkt. Das Beben ihrer Weiblichkeit brachte auch ihm die Erlösung, sodass er sich fast schmerzhaft strömend in sie ergoss.
Die Zeit verging. Io konnte nicht erkennen, wie viel Zeit vergangen war. Sie sah nur, wie die Sonne über den Himmel zog und die Alabasterbank im sich ändernden Licht einen Farbton wie Schnee annahm.
Sie lag auf dem Rücken neben Aedan und spürte eine absurd glückliche Erleichterung, während sich von unten harte Steine in sie bohrten und über ihr Schäfchenwolken am Himmel hingen. Sie war nicht mehr allein. Sie würde nie mehr einsam sein, nie wieder.
»Du isst nie«, meinte er plötzlich, als würden sie eine Unterhaltung fortsetzen, die sie vor langer Zeit begonnen hatten.
»Doch, das tue ich«, erwiderte sie. »Aber nicht wie du.«
»Kein Fisch?«, fragte er.
»Nein.«
»Kein Fleisch.«
»Nein.«
»Was dann?«
»Kleine Dinge«, sagte sie, während sie überlegte. »Einen Regentropfen. Ein Blatt der Teebeere. Dinge von der Insel.«
Er stützte sich auf seinen Ellbogen und musterte sie. »Und das reicht dir zum Leben?«
»Aye. Hier schon.«
»Aber woanders?«
»Es gibt kein Woanders«, entgegnete sie friedlich. »Alles, was wir brauchen, gibt es auf Kell.«
Er schien darüber nachzudenken. Himmel und Bäume rahmten ihn ein. Er schimmerte noch, ihr Schotte, sein langes Haar war zerzaust, und um seine Lippen lag ein ernster Zug. Das Öl hatte seine Haut zu Bronze poliert, sodass seine Augen jetzt noch heller wirkten. Sein Blick glitt von ihrem Gesicht zu ihrem Hals und blieb am Medaillon hängen, dessen Kette jetzt locker herunterbaumelte.
Ein Wolf, der eine Pause macht, dachte sie. Ihr Wolf.
Sie konnte immer noch seine Küsse schmecken. Sie spürte immer noch seinen Atem an ihrer Wange.
»Hat es für dich viele andere gegeben?«, fragte Ione.
Er schaute wieder auf und sah sie durchdringend an.
»Mit denen du dich gepaart hast«, sagte sie. »Du hast mir mal diese Frage gestellt. Und ich frage mich jetzt, ob es andere wie mich gegeben hat?«
Ein höchst ungewöhnlicher Ausdruck huschte über sein Gesicht, seine Miene verschloss sich, und er presste die Lippen aufeinander. Nach einer Weile sagte er: »Nein. Es hat nie eine andere wie dich gegeben.«
»Oh.« Sie wandte das Gesicht ab, um ihre Freude zu verbergen.
Eine Biene kam angeflogen und geriet ob des Dufts von Mandeln und Rosen ins Taumeln. Io hob ihre Hand. Die Biene landete auf ihrem Finger und begann, schwankend zu krabbeln. »Hör nur.« Sie drehte ihre Hand, während die Biene krabbelte, sodass sie immer oben war. »Sie sagt, wir bekämen eine ruhige Nacht.«
»Eine Biene kann nicht sprechen.«
Io lächelte. »Natürlich kann sie das. Du hörst nur nicht hin.«
»Vergib mir.« Seine Stimme klang sehr trocken. »Ich weiß wohl nicht, wie man das macht.«
»Du könntest es lernen«, schlug sie schüchtern vor.
Er antwortete nicht. Stattdessen setzte er sich auf, und die Biene flog davon zu einem Spalier, an dem fast die Hälfte aller Latten fehlte und das mit leuchtend roten Weinrosen überwuchert war. Sie sahen zu, wie die Biene zwischen Blütenblättern und Dornen verschwand. Drei weitere Bienen kamen und gingen, ehe Aedan einen Seufzer ausstieß, sich mit der Hand durchs Haar fuhr – und es dabei noch mehr zerzauste – und endlich zu sprechen anhub. Ein leicht frustrierter Klang hatte sich in seinen Tonfall geschlichen.
»Hast du diesen Garten angelegt?«
»Mein Vater hat es getan. Er hat fast alles hier gepflanzt.«
Er schaute sich um. Seine finstere Miene war nicht zu deuten. Das Blütenmeer hinter seinem Kopf bildete so etwas wie einen Heiligenschein, und Io musste das Lächeln unterdrücken, das sich wieder ihrer Lippen bemächtigen wollte.
»Er war Steuermann. Ein Mann der See, der begann, das Land zu lieben.« Io zeigte auf die Blumen, die Rankgewächse, Büsche und Kräuter. »Vieles davon ist sein Werk.«
»Wie hieß er?«
»Allectus.«
»Er war also nicht … wie du?«
»Ob er rote Haare hatte?«, fragte sie mit spöttisch ernster Stimme. »Zwei Hände, zwei Ohren, eine Nase? Doch, er war wie ich.«
Seine Miene hellte sich nicht auf. Wenn möglich, wurde sein Mund noch schmaler, und die Augen schauten noch strenger. »Wie du. Eine Sirene.«
»Nein«, sagte sie schließlich. »Er war ein Mensch.«
Wie du.
»So sind wir nun einmal«, versuchte Io, es zu erklären. »Sirenen und Menschen kommen zusammen. So leben wir, so …« lieben wir, hätte sie fast gesagt, doch dann beendete sie ihren Satz mit, »überleben wir.«
Er sah jetzt auf die Erde, wo die Perlen zwischen Kieseln und Dreck verstreut lagen. »Was ist aus ihm geworden?«
Sie streckte sich in der Sonne aus. »Er verließ die Insel und starb.«
»Der Fluch der Sirene«, sagte Aedan langsam.
»Aye.«
»Fasse Mut und komm. Erfahr der Fesseln Macht.« Mit gerunzelter Stirn versank er in Gedanken.
»Gefangen im Herzen, bei Tag und bei Nacht«, beendete sie den Vers leise für ihn.
Er stieß eine Perle mit dem Finger an. »Ich glaube nicht an Flüche.«
»Wirklich nicht?«, fragte sie, und er senkte die Wimpern. Er entdeckte eine weitere Perle und ließ sie zwischen Daumen und Zeigefinger kreisen, als beinhalte deren Oberfläche eine tiefere Bedeutung.
»Wirst du sterben, Ione?«
»Aye, auch ich werde sterben.«
Er schaute sie fast zornig an. Seine Augen hatten einen rauchgrauen Farbton angenommen. »Hier? Allein?«
Die Erleichterung, die Io zuvor gespürt hatte, begann zu verblassen. Sie setzte sich auch auf. »Vielleicht.«
»Und was wird dann aus dir werden?«
Sie streckte die Hände dem Himmel entgegen. »Was wird aus uns allen? Schaut Gott zu und wartet darauf, dass wir zu Ihm kommen? Ich werde fliegen, Schotte, hinauf zu den Sternen. Hinauf zu Gott.«
»Mit meiner Seele«, ergänzte er, und seine Stimme klang wieder ganz trocken.
»Geborgen in meinem Herzen«, sagte sie ernst. »So bringe ich den Geliebten direkt zu Gott.«
Mit umwölkter Stirn musterte er sie und dann wieder das Medaillon. Sie dachte, dass er irgendetwas sagen würde – doch stattdessen beugte er sich ihr entgegen, nahm ihr Gesicht in seine Hände und küsste sie. Io griff nach seinen Schultern, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, während sie von Überraschung und Freude durchströmt wurde. Sie erwiderte seinen Kuss, während ihre Finger in sein Haar glitten und sein Name auf ihren Lippen lag. Er berührte sie voller Leidenschaft, als wäre es das erste Mal. Hände, Herzen und Körper kamen zueinander. Zusammen sanken sie wieder auf den ölgetränkten Boden und erforschten das Wunder ihrer Körper, während sich über ihnen die Wolken zusammenzogen.