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Teresa öffnete den Brief. Es stand kein Absender drauf, ihre Adresse war fein säuberlich in Blockbuchstaben notiert. Vor Jahren hatte sie eine Brieffreundin gehabt. Zweimal hatten sie einander geschrieben. Ein Mädchen aus England, sie tauschten je ein Foto aus und hatten sich nach den zwei Briefen nichts mehr zu sagen. Und natürlich erhielt sie Briefe von dem Kindermädchen, an das sie sich schon lange nicht mehr erinnerte. Jedes Mal wurde sie darin direkt angesprochen: Was tust du? Wie geht es dir? Als Teresa jünger gewesen war, hatte sie immerhin noch Zeichnungen oder ein paar schief geschriebene Worte beigesteuert, aber dann hörte sie auch damit auf. Ihre Mutter übernahm es, die Briefe, die immer weniger wurden, zu beantworten. Oft lagen Fotos dabei, nichtssagende Bilder aus einem fernen Land, mit fremden Menschen darauf.

Aus Afrika kamen oft Mails von Agnes, höflich und immer mit den neuesten Schulergebnissen, die sie erzielt hatte. Sie endeten stets mit göttlichen Wünschen: »May god bless you.«

Sie beantwortete die Mails nur widerwillig, und schließlich hörte sie ganz damit auf. Was sollte sie auch sagen, sie hatte nichts zu berichten.

Und jetzt plötzlich dieser Brief. Ein Relikt, ein Ereignis, das in Romane passte, aber nicht ins 21. Jahrhundert. Sie riss das Kuvert auf.

»Ich weis du hältst mich für einen Idiot. Aber ich hab es voll schön gefunden. Du bist ganz besonders. Für dich war es vielleicht nur ein Gschichterl aber für mich nicht. Nur weil ich ein Skilehrer bin heißt das nicht das ich nicht gefühle hab. Ich mag dich wiedersehen. Ruf mich einfach an. Meine Nummer ist … Dein Bernhard.«

Sie runzelte die Stirn. Der Brief enthielt weder Absender noch Datum, dafür lauter Grammatik- und Rechtschreibfehler.

Der Skilehrer. Er musste irgendwelche Leute ausfindig gemacht haben, die ihre Adresse kannten. Nummer hatte sie ihm keine hinterlassen, sie war schnell und unauffällig abgehauen, während er noch geschlafen hatte. Wer weiß, vielleicht hatte ihn das erst recht angemacht. Es war jetzt fast zwei Wochen her, oder noch länger? Sie konnte sich nicht einmal mehr erinnern, wie er ausgesehen hatte, nur an seine riesigen Hände mit den erstaunlich schlanken Fingern, die nach ihr gegriffen hatten. Oder hatte er gar nicht nach ihr gegriffen, hatte sie ihn einfach umgeworfen? Sie konnte sich nicht mehr erinnern, was da gewesen war. Sie hatte an dem Abend viel getrunken, aber das war nicht der Grund gewesen. Es war so nichtssagend, so unbedeutend, dass sie es aus ihrem Kopfspeicher nicht mehr abrufen konnte. Sie hatte den Papierkorb schon geleert, seinen Namen bereits vergessen, falls sie ihn je gewusst hatte.

Nur ein paar Erinnerungsfetzen konnte sie noch hervorrufen. Die Frauen, die ihr nachgestarrt hatten, teils spöttisch, teils neidisch. Und sein Freund, der ihr zuzwinkerte, als sie das Lokal verließen. Es war so laut gewesen, dass sie im Taxi ein Pfeifen im Ohr vernommen und kurz Panik bekommen hatte, einen Tinnitus zu erleiden. Das Pfeifen war irgendwann in dieser Nacht ganz unbemerkt vergangen.

Seine Fehler fand sie schön, so ehrlich, dass sie sich den Brief nur wegen der schlechten Rechtschreibung noch einmal durchlas. War es nicht interessant, dass mathematische Unfähigkeiten viel eher vergeben wurden als Schreibfehler? Sie war untalentiert, wenn es um Zahlen ging, doch das fiel nicht auf, niemand nahm es ihr krumm, keiner hielt sie deshalb für dumm oder ungebildet, aber ein sehr ohne h, das galt als Dummheit.

Sie legte den Brief in die Schachtel, in der sie das Altpapier sammelte. Auch wenn dieses fehlerhafte Schreiben entzückend war, interessierte es sie nicht.

Teresa hört auf

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