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Einbürgerungs-, Boden- und Wasserrechtspolitik

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Neben dieser Geschichte des Streits um Eigentumsrechte und Kompetenzen in den Bündner Gemeinden bieten die Einbürgerungs-sowie die Boden- und Wasserrechtspolitik einen Zugang zu den Werten, Funktionen und Selbstbildern der Gemeindebürger in wichtigen Domänen ihrer behördlichen Praxis. Sie liefern weitere Hinweise darauf, wie sie sich nicht nur von den Niedergelassenen, sondern auch von den Ausländern abgegrenzt haben.

Der Befund, dass die rechtliche Abgrenzung innerhalb der Bündner Gemeinden regional und zeitlich unterschiedlich realisiert wurde, lässt sich nicht zuletzt an diesen tagespolitischen Praktiken ablesen: Das behördliche Tagesgeschäft konnte durchaus zur Herausbildung des Dualismus von politischer Gemeinde und Bürgergemeinde beitragen, indem sich die Korporation der Gemeindebürger ihren Status als autonome «Gemeinde in der Gemeinde» an diesen Orten immer wieder stabilisierte. Vor allem die Boden- und Wasserrechtspolitik einzelner Gemeinden diente neben Aussagen zur bürgergemeindlichen Einbürgerungskompetenz der Selbstbehauptung dieser Institution in Abgrenzung zu (möglichen) Ansprüchen der politischen Gemeinde. Besonders deutlich wird das bei der Bodenpolitik am Übergang von einer landwirtschaftlich geprägten zu einer industrialisierten Gemeinde. Während über die Frage, ob das Gemeindevermögen für industrielle Zwecke zu nutzen sei, innerhalb der Gemeinden kaum Dissens entstand, konnte die Frage, wem das Eigentum daran oder die Entscheidungskompetenzen darüber zukomme, Abgrenzungs- oder Trennungsmechanismen in Gang setzen. Auch in der seit 1900 entstehenden Kraftwerkindustrie traten Gemeinden als neue Akteure im lokalen Machtgefüge auf. Unter der Vielzahl von Akteursgruppen (Gemeinde, Kanton, Bund, Heimatschutzkreise und andere) fällt auf, dass sich Bürgergemeinden in allen untersuchten Fällen Handlungskompetenzen aneigneten, die ihnen de jure nicht zugefallen wären. Obwohl sich ihre Interessen mit denjenigen der Gesamtgemeinde vollständig deckten, setzte das altrepublikanische Verständnis der Gemeindebürger ein von der politischen Gemeinde getrenntes Vorgehen in Gang.

Darüber hinaus lässt sich an der Einbürgerungspolitik nach 1874 die Haltung der Bündner Gemeindebürger den Ausländern gegenüber darstellen, die überwiegend von Abgrenzung geprägt war. Bei den Gemeinden hat die Forschung zu Recht starke Partikularinteressen64 festgestellt. In erster Linie seien sie darauf bedacht gewesen, «ihre Gemeindegüter zu mehren, die Zahl der daran berechtigten Personen, das heisst der Gemeindebürger, beschränkt zu halten und die kommunalen Kompetenzen gegenüber den Kantonen zu verteidigen».65 Neben ökonomischen Ausschlusskriterien konnte die Religion oder die Gesundheit ein Grund sein, Bürgerrechtsbewerbern ihren Wunsch zu verwehren. Die Spannung zwischen Integration und Ausschluss der Zugezogenen beschränkte sich also mitnichten auf den Konflikt um die Integration der Schweizer Niedergelassenen durch die Schaffung von Politischen Gemeinden im Jahre 1874. Die demokratische Mitsprache wurde genauso über die Verleihung des Bürgerrechts gesteuert, die oft eine Abgrenzung gegenüber Schweizern und Ausländern zur Folge hatte. Darüber hinaus finden sich in Graubünden seit dem Ersten Weltkrieg Beispiele einzelner Gemeinden, deren monetär orientierte Einbürgerungspolitik eine gänzlich andere Praktik zur Folge hatte.

So wie in der Geschichte des Bündner Gemeindedualismus wäre es in der Analyse der Schweizer und Bündner Einbürgerungspolitik verfehlt, der Entwicklung eine einfache Dichotomie liberaler Öffnung «von oben» und vormoderner Abschliessung «von unten» zu unterstellen. Von den erwähnten Ausnahmegemeinden abgesehen, ging die im Regelfall tatsächlich dominierende «Abgrenzung von unten» oft Hand in Hand mit einer «Schliessung von oben», da auch dem Inklusionspotenzial des 1848 auf liberal-aufklärerischer Basis geschaffenen Bundesstaats bereits früh diverse Defizite inhärent waren. Unter dem Einfluss der «neuen Rechten» entwickelte die Schweizer Bundespolitik nach dem Ersten Weltkrieg eine «protektionistische und antiliberale Tendenz», die sich unter anderem durch eine auf Ausschluss bedachte Bürgerrechtspolitik konstituiert hat – und zum Teil bis in die heutige Zeit anhält.66 Die Bürgerrechtspolitik gehörte damit nach dem Ersten Weltkrieg zu jenen Diskursen, bei denen Affinitäten zum in dieser Zeit ebenfalls verstärkten protektionistischen Sprechen über die Rechtsprivilegien der Gemeindebürger feststellbar sind. Mit anderen Worten: Die in den «Krisenjahren der klassischen Moderne» in der Schweiz entstandenen kulturprotektionistischen Diskursmuster wurden von den Gemeindebürgern bisweilen für ihre Einbürgerungspolitik übernommen und dabei oft als Mittel der Abgrenzung ihrer Institution gegenüber der politischen Gemeinde eingesetzt.

Gemeindebürger, Niedergelassene und Ausländer

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