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Vorwort

,Spiritualität‘ steht für eine vielgestaltige Suche nach einem „Ort der Fülle“ (Ch. Taylor). Spirituell leben heißt, sich von einer selbstzentrierten und materialistischen Orientierung lösen. Manche verstehen heute ,Spiritualität‘ darüber hinaus auch im Kontrast zu ,Religiosität‘. Das erste Kapitel der vorliegenden Einleitung geht der Herkunft dieses merkwürdigen Kontrastes nach. Auf dem Hintergrund der paulinischen Wurzeln des Begriffs wird ,Spiritualität‘ pneumatologisch als ars spiritualis bzw. als Kunst geistbestimmten Lebens bestimmt. Im Kreise der akademischen Disziplinen erscheint die Theologie der Spiritualität heute als junger Spross. Wenige wissen, dass dieser Benjamin bereits gut 400 Jahre zählt. Im zweiten Kapitel soll deshalb die Geschichte dieses Faches rekonstruiert werden. Ein kurzer Überblick über gegenwärtige Versuche, das Fach in den theologischen Fächerkanon einzuordnen, vergegenwärtigt die Möglichkeiten seiner künftigen Entwicklung. Im Ausgang an diese erste Selbstvergewisserung und Kontextualisierung wird vorgeschlagen, das Fach als theologische Hermeneutik des geistbestimmten Lebens zu konzipieren.

Was der I. Teil in Form einer Metareflexion entwickelt, wird in den darauf folgenden Kapiteln in verschiedene Richtungen entfaltet und veranschaulicht: Ausgehend von der Vorstellung, dass Gottes Geist in den Glaubenden wohnt und wirkt, werden zunächst die unterschiedlichen Aspekte des Christwerdens und die responsorische Struktur des christlichen Lebens untersucht (II.). Anschließend werden einige spirituelle Lebensformen und die Unterscheidung zwischen aktivem und kontemplativem Leben erkundet (III.). Unter der Überschrift ,Spirituelle Grundvollzüge‘ kommen die unterschiedlichen Formen christlichen Betens, zu denen auch die Meditation und die Kontemplation gehören, in den Fokus der Untersuchung (IV.). Der letzte Teil widmet sich den lebensgeschichtlichen Dimensionen christlicher Spiritualität. Analysiert werden ältere und jüngere Vorschläge, die Wachstumsdynamik des spirituellen Weges zu systematisieren. In allen Abschnitten wird versucht, die ,Ökumene der Gaben‘ ernst zu nehmen und verschiedene konfessionelle Traditionen zu Wort kommen zu lassen. Dass dabei ein katholischer Autor am Werk ist, kann und soll dennoch nicht verborgen bleiben.

Was das vorliegende Buch nicht bieten kann, sind konkrete Anregungen zur spirituellen Methodik. Eine Theologie der Spiritualität hat nicht die Aufgabe einer Praxisanleitung. Sie ist Praxisreflexion im Kontext der Wissenschaft. Einleitung ist das Buch deshalb nicht in einem mystagogischen Sinne. Es handelt sich vielmehr um eine Hinführung zu einem methodischen Nachdenken über das weitgefächerte Gebiet christlich-spiritueller Praxis. Die Disziplin des Denkens kann aber als eigene Form der Askese und insofern ebenfalls als geistliche Übung vollzogen werden.

Vielfältige Anregungen und redaktionelle Unterstützung habe ich erhalten von Dr. phil. Iso Baumer, Dr. phil. Ingeborg Peng-Keller, Dr. theol. Albert Schmucki OFM und Dr. theol. Bruno Rieder OSB. Ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

Zürich, 8. Januar 2010

Simon Peng-Keller

Einführung in die Theologie der Spiritualität

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