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Johanna ist, obwohl nicht eigentlich sportlich und geschickt, doch körperlich vielen ihres Alters überlegen. Mit zwei Brüdern zu Hause muss man schon etwas wehrhaft sein – sie ist es. Rolf und Torsten sind in den Ferien bei Tante Anna in der Heide. Wahrscheinlich werden sie meist draußen mit den kurzen Lederhosen durch Wald und Heide hüpfen, herumrennen, irgendwas im Wald machen, mit Tannenzapfen werfen, schnitzen, nach ein paar Tagen auch Pfeil und Bogen bauen, mindestens, auch Ameisen in ihren Haufen ärgern, aber nur einmal und nur ein wenig. Spechte klopfen hören und sie dann suchen. Täglich, außer sonntags, für Tante Anna die Einkäufe im Konsum machen und ebenso täglich, auch außer am Sonntag, etwas Holz sägen. Hacken dann eher nicht, das musste Tante Anna Mama versprechen. Wahrscheinlich vergnügen sie sich auch bei etwas unerlaubten Unsinn. Rolf, der große Bruder, hat sich von Sylvester ein paar Knaller aufgehoben und die haben da im Dorf unter den Bahnschienen so eine tolle, richtig lange Unterführung, klasse zum Zwecke eigener guter Unterhaltung. Da macht schon ein kleiner Knaller richtig was her. Frauenfürze nennen sie die kleinen Knaller. „Frauenfürze“, das finden sie beide sehr lustig, kichern und lachen dann und kriegen sich kaum wieder ein.

Die kleine Schwester, „das Hannchen oder die Hanne“, hat kräftiges Haar, ein blond-hellbrünetter Mix, und feste Zöpfe. Sie ist ein munteres Mädchen, quatscht gerne und ist, seit sie es kann, eine ausgemachte Leseratte. Sie hat drei gute Freundinnen, eine in der Nachbarschaft in der Siedlung und zwei andere aus der Klasse, die wohnen etwas weiter weg. Die eine heißt auch Johanna, es ist wohl das Johannazeitalter, die andere heißt Brigitte. Auch davon gibt es mehrere. Die sind alle anders, sich aber auch ein bisschen ähnlich. Brigitten halt. Von den Sabines ganz zu schweigen.

Während der Schulzeit nach Hause kommend, wird unsere Johanna meist zum Tischdecken gebeten und wenn es noch etwas beim Kochen zu tun gibt oder die Abfälle auf den Komposthaufen hinten im Garten gebracht werden sollen, wird sie dahin bestellt oder geschickt. Sie geht gern zur Hand, hört ebenso gern ein wenig Musik, interessiert sich auch für die Nachrichten. Es gibt leider nur ein Radio im Haus. Der große Bruder – immer ist es Rolf – hat da das Zepter in die Hand genommen, gibt vor, was man hören kann, ohne dass es peinlich ist. Er macht Ansagen, was geht und was nicht geht, geschmacklich. Deutsche Schlager zum Beispiel, das geht eher nicht, weil: schnulzig. Er ist nicht so der Träumer und für deutsche „Schnulzen“ muss man schon ein Träumer sein – und die Geschwister sollten es auch nicht sein – zumindest, wenn sie nicht in den Streubereich seines Spotts kommen wollen. Da ist also dieses und jenes schon mal tabu. Wenn er jemanden dabei erwischt, dann findet er schnell ein paar Worte, die weh tun. Von halb zwei bis zwei Uhr ist Mittagspause beim Sender und auch Ruhe im ganzen Hause. Ist die Zeitung frei – erst der Papa, er kommt meist mittags nach Hause – blättert sie gerne ein wenig darin. Aus aller Welt, letzte Seite, man muss die Zeitung nur umdrehen, und: kleine Bildgeschichtchen von irgendwelchen Wikingern mit voll viel Ehekrach in fünf Bildern und die Peanuts, die mag sie.

Wird’s dann ganz still, steigt sie hoch in ihr Zimmer, die ziemlich steile Treppe rauf. Johanna schnappt sich dann ein Buch, streckt sich auf dem Bett aus, gerne die Lieblingsdecke mit den Pferden drüber und – liest.

Mittags, später wieder und auch mal nachts, dann auch mal unter der Decke.

Johanna verrückt die Geschichte

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