Читать книгу Johanna verrückt die Geschichte - Sönke Bohn - Страница 8
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Johanna, auch mal „Süße“, Hannchen oder, seltener, Hanni wird sie von ihren Eltern, Verwandten – also auch von Klaus und Tine – der Bäckersfrau, den Nachbarn und Herrn Schulze, dem Lehrer genannt, eigentlich von allen. Sie kennen Johanna scheinbar besser als sie sich selbst.
So gut gekannt zu werden soll Eindeutigkeit schaffen und vermitteln. Und für die, die sie nicht kennen, ist sie einfach mal so ein Mädchen, mit Gummitwist, Poesiealbum und Pferdebildchen – und so weiter.
Das ist manchmal lästig, denn: Hanna ist schon ein Kind, aber irgendwie nicht nur. Und sie ist auch ein Mädchen, aber nicht nur. Sie ist auch eine kleine Schwester, aber eben nicht nur. Auf jeden Fall nicht nur nett und niedlich, sondern auch mal ernst. Oder verzweifelt. Oder manchmal auch einfach sehr einsam.
So bekommt Johanna, obwohl sie ein ziemlich normales Mädchen aus der Doppelhaussiedlung ist, einen zweiten, provisorischen Namen: „Thoulasith“.
Der Name Thoulasith ist an sich eher bedeutungslos. Aber, es ist schon ein bisschen kompliziert, dass es bedeutungslos sein muss. Und genau so ist, genau so passt. Es könnte ja auch ein anderer Name sein, Lea zum Beispiel, oder David, und schon gar nicht Sara oder Israel. Das eben könnte zu einer unangemessenen Orientierung, ja einengenden Festlegung führen. Denn auch diese andere, verborgenere Seite ist komplex. Der andere Name soll uns ja zunächst nur ein wenig unterstützen, helfen, anzuerkennen, dass sie sich als Johanna mit einem mit ihrer Umgebung wenig harmonierenden, ja fremdelnd-komplizierten Innenleben, nun „Thoulasith“ genannt, zurechtfinden muss.
Und ein Innenleben haben ist so eine Sache – und erst dieses Innenleben sein! Die Erwachsenen haben sowas ja bestimmt auch, heimliche Sachen, viele verborgene Dinge, mal „Leichen im Keller“, irgendwelche „Ich-will-das-vergessen-Sachen“ die einen, irgendeinen Knall, der sich immer wieder in den Alltag hineinmischt, die anderen. Schambesetztes hier und vermeintlich oder tatsächlich normverletzende „Abweichungen“, Sachen, über die man mit niemandem spricht, da. Und unheimliche Heimlichkeiten. Aber vielleicht sind das ja nicht nur angeklebte Eigenschaften.
Doch wie den Nachbarn und Kollegen, der Verwandtschaft begegnen, wo jeder doch wissen oder ahnen kann, dass da noch etwas anderes hinter einer noch so biederen Fassade schlummern muss oder sich gar ganz munter herumtrollt!! Das strebt niemand an. Und dann erst einem Kind gegenüber!
So hat schon das junge Mädchen „normale“ Johanna-Erlebnisse, und darin hineingemischt sowohl sie selbst als die anderen irritierende Erlebnisse und Auftritte „Thoulasith“ benannt. Die kommen einfach so, sind dann einfach da und sie mit einer Art Schalter abzustellen geht nicht. Sie quellen auf, schaffen sich Platz und besetzen das Terrain und schwellen dann auch wieder ab.
So gibt es für Johanna die normalen oder allgemeinen Erlebnisse, die sie mit ihrer Umgebung teilt und die von ihrer Umgebung wohlwollend anerkannt und positiv aufgegriffen werden: die Freude an einer Blume, das Mitgefühl mit der gegen die Fensterscheibe geflogenen armen Meise, genervte oder aufgeregte Bemerkungen zum Schulweg, der Schmerz über den Wespenstich, die Papaliebe, Spaß am Gummitwist und Seilspringen, Pferdeposter an der Wand, Kaugummi und Ahoi-Brausepulver, Winnetou, Penny Lane und, wenn Rolf es nicht mitbekommt, auch mal Alexandra oder Michael Holm hören, denn der sieht, wie sie findet, klasse aus und seine Augen strahlen und Alexandra hat so ein schön trauriges Lied über Bäume gesungen. Johannas erster Ohrwurm. Mein Freund, der Baum, dubidum, dubidum, ist tooht. Auch wenn sich dadurch die kleine Schwester deutlich als Dummchen entpuppt. Deutsche Lieder, oh mein Gott!
Und dann gibt es Erlebnisse, die Johanna nicht mit anderen teilt. Die sind wie aus der Zeit gefallen und dann an sie herangespült. Sie ergeben sich an Orten, die so unspektakulär sind, wie es nur geht, an Wegen, Böschungen. Unheimlichen Schauer erregen bei ihr hoch aufragende Schornsteine, sie wirken wie Unorte, sozusagen – und irgendwie unzeitig. Es sind nicht die allgemein einem Kind zugebilligten, bei einem Kind vermuteten Erlebnisse. Und eben darum die Quelle von Missverständnissen aufgrund eingeschränkter Sicht oder voreiliger Einschätzung seitens der Elterngeneration; Quelle bald schon auch von Verlassenheit und Leid, schrittweiser Entfremdung. Nicht verstanden werden fühlt sich nicht gut an. Gar nicht einfach für ein „Kind“, gar nicht schön.
Sie, möchte man, Johanna betrachtend, fast sagen: die „Verwachsenen“, sie denken: Du hast ja noch gar keine Geschichte, du kleine Pieps-Göre hast ja noch gar nichts mitgemacht – du Hannchen, und ahnen nicht, wie sehr sie Geschichte hat, Geschichte in ihr ist, ja, sie selbst ganz Geschichte ist.
Johanna macht dieses aufkeimende Doppelleben zu einer philosophischen Person, sie wird nachdenklich, und was die Philosophie und den Tiefsinn angeht, da spielt das Alter wirklich keine Rolle. Was sich ihr so ergibt im Durch-das-Leben-Laufen, was sie gerne mitteilen, nachfragen und am liebsten noch besprechen würde, prallt in dieser ihrer Welt, von dieser ihrer Umgebung zunächst einfach überall ab. Als wenn das Langsam-sich-vorwärts-Tasten Kinderkram wäre.
In ihrer Umgebung findet sie einfach niemanden, der nicht vorgibt, festen Boden unter den Füßen zu haben, niemanden, der sich nicht sicher ist, wie was auch immer gemeint ist oder zu verstehen sei, und schon gar niemanden, der etwas von all dem, was man das Leben, so wie es eben ist, nennt, ernsthaft in Frage stellt. Alles scheint gewiss und sicher, wie verabredetet. Aber von wem, von welchen Beteiligten?
Vergangene Ereignisse und gegenwärtige sind ohne Spielraum für andere oder weitergehende, vage oder geheimnisvolle Bedeutungen, für schwebende, zur Not auch schlingernde Bedeutungen, für das, was sich aus ihnen machen ließe so als Kind, das die Dinge bewegen will, als Mensch. Möglichst wissenschaftlich, so lernt sie, soll das Leben verstanden werden, damit können wir uns absichern und organisieren. Alles ist vor allem fertig und wenn nicht, sollte es fertig werden, und dann bitte obendrein so flott wie möglich. Auch wenn es mal sinnlos ist oder sein sollte, dann bitte trotzdem akkurat. Und anschließend fertig bleiben, sauber und heil, ohne Lücken, am besten wohl tausendjährig. Und wenn etwas ganz, ganz richtig gemacht ist, riecht es nach Nivea – und das beruhigt, denn es zeigt: Es ist unbefleckt weiß und sauber.
Nicht leicht, in so einer Umgebung zu gedeihen!
Als Johanna noch sehr klein ist, noch nicht einmal zur Schule geht, erzählt sie im Fieber von kleinen, mächtigen, sie zur Dämmerzeit arg bedrängenden Wesen: Sie erscheinen zunächst immer weit weg, am allerfernsten Horizont, füllen diesen aber bis zum Zenit und rundherum ganz aus. Trotz der Größe sind sie aber federleicht und tun einem nichts. Dann, näherkommend, ballen sie sich zusammen, werden dabei schrittweise schwerer und schwerer und fangen schon von der näherkommenden Ferne an zu lasten. Je kompakter sie werden, desto mehr lasten sie, ja, sie drohen fast, Johanna zu erdrücken, zu zermalmen. Das ist schwer zu ertragen, es macht richtig Angst.
Die als Tochter und Schwester Erkannte ist damals noch klein, kann das aber dennoch so rausstammeln, erzählen.
„Sie phantasiert, die Kleine.“
„Hannchen, was erzählst du da für komische Sachen. Riesenzwerge! Das gibt es doch gar nicht, das bildest du dir nur ein.“
„Sie fiebert, wir müssen ihr einen Wickel machen und am besten ein Zäpfchen geben.“
So fängt es an, das liebevolle, sorgende Nicht-Verstehen. Die Eltern sind ja schon ganz bemüht, freuen sich über die vielen kleinen Bilder, über mitgebrachte Blumensträuße und später über gute und sehr gute Leistungen in der Schule. Ja, sie wollen wirklich gerne alles richtigmachen. Sie passen selbst auch nicht so ganz in diese Welt, doch was soll man tun? – Man muss ja. Die Kinder aber, ja, man wähnt, wie sie es anstellen sollten, so halb zumindest. Als Eltern muss man ja. Es ist aber nicht ganz einfach zu wissen, wie, vor allem, wenn das eigene Hereinwachsen in diese Welt mehr als genug Einschüchterungen hatte. Die Einschüchterungen werden erst mal weitergereicht.
Schon die kleine Johanna wächst ja in einer ganz anderen Zeit auf als die Eltern damals, in einer anderen Welt. Fremdartig andere Einflüsse als früher. Man muss dauernd aufpassen – dieser Straßenverkehr – und auch auf rumlaufende Mitschnacker. Und nicht überall sind Onkel, Tanten und Kusinen, die einfach da sind, man muss die Kinder irgendwie mehr alleine aufziehen. Die Kleine sagt oder will manchmal Dinge, wo man oft gar nicht genau weiß, woher sie die hat. „Von mir und meiner Familie oder von dir und deiner Familie, oder von den Nachbarskindern?“ Auf den Umgang muss man schon aufpassen. Der Umgang ist schon das Hauptproblem.
Umgang, dieser oder jener, hat etwas vorwiegend Besorgnis Befeuerndes. Vielleicht kommt es auch aus der Schule? Aber das kann ja wohl nicht sein.
Siebenjährig, abends im Bett liegend und auf den Schlaf wartend, bangt sie. Nicht einfach ein wenig bange, nein, es nimmt sie ganz ein, verzweifeltes, die Seele verspeisendes Bangesein, Kinderbangesein eben. Zur Nacht muss sie vom einen Reich ins andere. Vom Reich, wo das Zimmer ist, Bett, Tisch, Stühle, ihre geliebten Pixi-Bücher, Kleiderschrank und Garderobe, das Treppengeländer, die durchsichtige Seife im Bad, die ganz normalen Gerüche, Mamas Mantel so anders als der von Papa – aber der raucht ja auch – die wenigen, herumliegenden Spielsachen … von da soll es nach drüben gehen.
Und drüben, hinter dem Haus, da ist der Wald. Wald! Wie in einem Märchen. Tiefes, am Abend dunkles Grünblau, Schlingpflanzen. Erst einmal geht es durch richtiges Dickicht, hinter dem kleinen Steg verschiedene Büsche und hohe Brennnesseln, und dann die wilden Brombeeren mit den langen, begierigen Ranken, überall, vielleicht extra, damit da niemand durchkommt. Die versperren den Weg, denn: In den Wald, da geht man nicht einfach mal so hinein. Meist werden dösende oder sich ganz dem Scharren und Picken hingebende Rebhühner aufgescheucht, und Rehe gibt es darin, vielleicht auch Einhörner, gewiss viele Tiere, sicher auch einen Brunnen, irgendwo tief im Wald, dann Hütten, bewohnt von Menschen und Wesen, die nie sterben, alles von uns wissen, wir aber nichts von ihnen. Noch nicht einmal, dass es sie gibt.
Johanna will hinüber. Hier kann sie ja auch nicht die ganze Nacht in dem Zimmer mit den normalen Sachen bleiben. Sie muss über eine breite, nur wenig über den träge dahinfließenden Fluss ragende Brücke gehen. Wochenlang geht das, und es fühlt sich an wie Ewigkeiten, fast jeden Abend, fast jede Nacht. Die steinerne, sanft gewölbte Brücke hat unten drei Bögen, die aus grauen Felsblöcken gemauerte Begrenzung an den beiden Seiten ist breit, aber niedrig, kaum kniehoch. Man könnte sich bequem setzen. Das Wasserwälzgewühl unter der Brücke aber ist durchsetzt mit Unmengen sich windender, schwarzbrauner Nattern. Sie treiben als verknäulte Masse langsam flussabwärts. Sie traut sich kaum herunterzugucken, muss aber heruntergucken, sie muss der Gefahr ins Auge schauen, und – sie soll und will ja hinüber. Ohne Beistand! Jeden Abend. Und jeden Abend allein!
Sie schafft es auch immer, die Anspannung und damit verbundene Erschöpfung sind aber so groß – da kann sie sich nachher nicht erinnern, was nun auf der anderen Seite alles passiert sein mag.
„Bitte, ich will noch nicht ins Bett. Bitte, bitte!“, sagt sie. „Warum versteht ihr nicht, könnt mir nicht helfen? Ich halte das nicht aus.“
Für die kleine Johanna, wie auch für die alles miterlebende, mit großer Geduld wartende Thoulasith eine große Not!
Aus anderer Sicht ist das natürlich nur ein Traum, eine Einbildung, und damit etwas, das es ja gar nicht wirklich gibt, es sind eben nur Bilder im Kopf eines Kindes, das noch nicht weiß, was wirklich wichtig ist. Es ist wohl weder der Rede noch einer Geste wert.
Du gehst jetzt ins Bett. Es gibt nur kleine Drohungen und um die Folgsamkeit besorgte, doch zugleich verständnisfreie Blicke. Immer muss das, was stört, am besten weg. Nicht nur aus den Augen, auch aus dem Sinn.
„Irgendwie passen wir nicht zusammen, vielleicht gehöre ich ja ganz woanders hin.“ Daran, dass es nicht passt, verzweifelt Johanna, das Kind, leidet Thoulasith, die außer der Zeit bleibt, und doch hier wie angebunden ist.
Mit ihrer Familie bewohnt Johanna ein Zwei-Familien-Doppelhaus, also die linke Hälfte. Es wird wohl in den zwanziger Jahren erbaut worden sein, warmrot geflammter Klinker. Ein eher dunkles Haus, nach vorne raus mit einem kleinen Erker, nach oben mit dem Dachboden und dann die Treppe runter zu einem wahrlich aufregenden Keller. Da werden lauter alte Sachen gelagert, denn weggeworfen wird fast nichts. Alte Sachen und Sehnsuchtsdinge. Abgelegte Kleider, gar ein türkisfarbenes, langes Abendkleid aus Satin – wer hat das wann getragen? – aber auch die Wintersachen mit dem Geruch von Mottenkugeln, Säcke, Kisten, von denen sie keine Ahnung hat, was drin ist, im Regal dann Marmelade und andere Vorräte in Gläsern und Dosen, gelbe Brechbohnen, Erbsen und Möhren, Weinflaschen und auch etliche große Spinnen, in den Ecken und am Fenster. Es riecht nach Kohlensäcken, obwohl schon lange nicht mehr mit Kohle geheizt wird, auch nach Kartoffeln, duftet nach Äpfeln: Kellergeruch. Johanna liebt Kellergeruch. Alle Keller riechen irgendwie ähnlich und damit vertraut. In den Kellern ist Segen und Fülle. Und die Zeit steht in ihnen irgendwie still, man ist dort ziemlich sicher.
Hinter dem Haus befindet sich ein weiter Garten mit schönen Bäumen. Alte Apfelbäume, auch ein Birnbaum, etliche Johannisbeersträucher, rote wie schwarze, ein paar Stachelbeeren, dahinter ein kleiner Kartoffelacker, näher am Haus die kleine Sandkiste zum Spielen.
Dort, wo die Siedlung endet und lange Zeit ein Bolzplatz war, leben nun seit einigen Monaten in „Schwalbenhütten“ – kleinen, schnell errichteten Baracken – große Familien, zu zehnt, manchmal sind es noch mehr. Die Kinder haben glänzende, Johanna faszinierende, blauschwarze lange Haare, dunkle Augen.
Gestern hat sie einem Mädchen zugewinkt. Das Mädchen hat ihre Schwester angeschaut und dann zurückgewinkt. Da haben sich alle drei gefreut.
„Da sind zwei Mädchen, die haben ganz schöne, ganz schwarze Haare, die haben mich so nett angelächelt, ich glaube, sie würden gerne mit mir spielen.“
„Nett zu dir? Schwarze Haare sind doch nicht schön. Ja, die haben viele Kinder zum Spielen, wer so viele Kinder hat, nein, man kann nie wissen. Wo die wohl herkommen, da sind wir lieber vorsichtig, die bringst du mir nicht mit nach Hause. Hast du gehört?“
„Aber Mama, du kennst doch das Lied ‚Lustig ist das Zigeunerleben‘?“ – „Ja, das kenn ich, das ist ein Lied, nur ein Lied, verstehst du nicht? Zu den Zigeunerkindern gehst du mir nicht hin und bring ja keinen von denen mit nach Hause. Die klauen uns dann nur die Löffel.“
Fremdes hat für Johanna dennoch etwas Schönes, ja kribbelnd Geheimnisvolles. Darum ist sie traurig über das, was die Mama sagt. Die braune Haut, die schönen, glänzenden Haare und die schwarzen Augen mag sie wirklich sehr, sie würde sie gerne anfassen, die Haare, die Haut. Papa und Mama tun doch alles Mögliche, um im Sommer auch braun zu werden. Und die Mädchen sind schon einfach so schon schön braun. Warum haben Mama und Papa davor Angst? Warum sind sie nicht wenigstens normal wie zu den anderen Nachbarn und grüßen sie? Wir wissen ja gar nicht, wie die heißen, die werden doch wohl auch eigene Namen haben. Gefährlich scheinen die Kinder nicht. Sie rücken einem nicht auf die Pelle, sie ärgern und bedrohen nicht, sie lachen, singen, hüpfen und sind freundlich, einfach nur anders artig. Komisch, dass die nicht mit mir zur Schule gehen.
Vor allem Mama muss immer alles verbieten oder bekritteln. Wirklich oft, aber gar nicht mal nur was mit den „Zigeunern“. Wie die anderen Frauen mit ihren Männern zusammen sind, mit ihnen umgehen. Dann auch, was sie anhaben, wie sie wahrscheinlich kochen und essen, wie sie so leben. Dass der Postbote bei Frau Sch. immer ziemlich lange bleibt. Was ähnlich ist, ist nicht so wichtig wie das, was eben nicht ähnlich ist. Irgendwas ist eigentlich immer zu viel – oder sonst eben zu wenig. So richtig Freude an anderen haben, das scheint gar nicht zu gehen. Wichtig ist, dass man ordentlich ist und die Sachen richtigmacht, so wie es sich gehört.
Die Mutter hat es gerne eindeutig. Man weiß dann, wer man ist, kann sich an sich halten, sich einrichten und böse Überraschungen vermeiden, am besten ganz ausschließen, dann kann man sich auf die wichtigen Dinge konzentrieren. Sonst müsste man ja immer grübeln. Es ist so und so, das ist gewiss. Es ist so, wie es ist, ganz bestimmt, dann hat man Gewissheit und Ruhe. Wenn man dauernd über solche Es-könnte-auch-anders-artig-sein-Sachen brütet, wer weiß, ob sie dann nicht etwa noch schlüpfen? Was dann? Irgendwie ist es wichtig, dass man weiß, wer man ist. Wo man hingehört, zu wem man dazugehört und nicht abweicht.