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2.3„Karrieren“ in der Welt des globalisierten Kapitalismus

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Welche Wege sind es nun, die in der Welt des globalisierten Kapitalismus „Karrieren“ ermöglichen? Das französische Wort carrière bedeutet Laufbahn. Die Laufbahn als beruflicher Aufstieg ist heute oft kaum mehr plan- oder berechenbar, sie ist Zufällen oder günstigen Umständen zu verdanken, sie scheitert an Widrigkeiten, verliert sich in Bruchstücken und Sackgassen. Dies alles macht es schwierig für die Einzelnen, positive Verläufe aktiv zu gestalten und auf diese Weise ihre Selbstwirksamkeit zu erfahren. Kriterien und Bedingungen für das Gelingen sind häufig intransparent, oft nur wenig von Qualifikationen und Kompetenzen und viel von den richtigen Kontakten abhängig. Auch reicht Fachwissen allein nicht mehr aus, gefragt sind das Vermögen zu lebenslangem Lernen, sind Fremdsprachen und interkulturelle Kompetenzen, Flexibilität und Mobilität, Teamfähigkeit und Vielseitigkeit.

Von der „Generation Praktikum“ ins akademische Prekariat

Die „Generation Praktikum“ (Matthias Stolz), ein europäisches Phänomen, betrifft seit den 1990er-Jahren vorwiegend eine zahlenmäßig relativ kleine Gruppe, nämlich HochschulabsolventInnen der Geistes- und Sozialwissenschaften und zum Teil auch JuristInnen und ArchitektInnen. Was ihre (Berufs-)Biografien zeichnet, scheint symptomatisch für die gesellschaftlichen Umbrüche in Zeiten des globalisierten Kapitalismus und wird sich tendenziell verschärfen. Wo die akademische „Normalbiografie“ noch ein paar Jahrzehnte zuvor den Berufseinstieg, also die erste Anstellung nach dem Studienabschluss, vorsah, dehnt sich heute eine Phase unbestimmter Dauer, die mit un- oder schlechtbezahlten Praktika in solchen Unternehmen oder Tätigkeitsfeldern angefüllt ist, in denen eine Festanstellung oder zumindest befristete Projektmitarbeit angestrebt werden. Der Lebensunterhalt wird unterdessen mit (ausbildungsfremden) Gelegenheitsjobs, durch Kredite oder die Unterstützung von Eltern und/oder PartnerInnen aufgebracht. Die Motive der PraktikantInnen sind vielfältig: Sie wollen Einblicke und Berufspraxis in verschiedenen Arbeitsbereichen gewinnen, ihre im Studium entwickelten Kompetenzen ausprobieren und weiterentwickeln, verschiedene Unternehmenskulturen kennenlernen, Kontakte knüpfen und überprüfen, welche Tätigkeiten und welche Rahmenbedingungen ihnen entsprechen und welche nicht. Faktisch werden die zumeist gut ausgebildeten, hoch motivierten und anpassungsbereiten jungen Frauen und Männer als billige und willige Arbeitskräfte eingesetzt. Eher selten lernen sie Neues, erweitern ihren Horizont und ihre Kompetenzen, erfahren Förderung und Wertschätzung, stärken ihr Selbstwertgefühl durch gut gemeisterte Herausforderungen. In nicht wenigen Projekten der Kultur- und Kreativwirtschaft ist die unbezahlte oder unangemessen bezahlte Arbeit von AkademikerInnen gang und gäbe. Hier etablieren sich zumeist prekäre Beschäftigungsverhältnisse auf der Basis von Werk- und Honorarverträgen, deren Fortsetzung ins Unendliche durch die Hoffnung genährt wird, es könnte endlich einmal eine gesicherte Position daraus werden.

Gelungene Biografiearbeit: eine Frage der Haltung

Wenn dann die Eine oder der Andere erfolgreiche berufliche Karrieren im herkömmlichen Sinne vorzuweisen haben, führt dies, wie einst die Urlegende des Kapitalismus – vom Tellerwäscher zum Millionär –, zwangsläufig zum Scheitern der vielen, die nach wiederholbaren, planbaren, aktiv gestaltbaren „Gesetzmäßigkeiten“ suchen, die es nicht gibt. Strukturell bedingte Probleme werden als individuelles Versagen erlebt. Damit soll keineswegs gesagt sein, dass aus den Beispielen gelungener Biografiearbeit nichts zu lernen sei – das Gegenteil ist der Fall, aber eine Eins-zu-eins-Übertragung auf die eigene Situation gibt es nicht. Der entscheidende Satz in der Erfolgsgeschichte des Wissenschaftsjournalisten Bas Kast heißt „Wenn man eine Leidenschaft hat, dann sollte man sich durch nichts davon abbringen lassen“, und die Gründer der Berliner Zentralen Intelligenz Agentur motivierten sich, indem sie sich sagten: „Etwas Besseres als Festanstellung und Ich-AG finden wir allemal“.3 Der eigenen Leidenschaft folgen, die Berufung zum Beruf machen, Selbstverwirklichung und Erwerbstätigkeit miteinander verbinden – das ist das eine Leitmotiv, und die unbeirrbare, durch keine Fehlschläge und Umwege zu frustrierende Suche nach dem „Eigenen“ ist das andere. Solche Haltungen sind es, die übertragbar sind und die für die eigene Biografie fruchtbar gemacht werden können.

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