Читать книгу Berufsprofilierung - Sonja Hilzinger - Страница 18

3.2FreiberuflerInnen in Kulturberufen

Оглавление

Die acht Einzelporträts der INMIT-Studie zeigen ganz individuelle Profile, in denen Person & Profession jeweils eine gelungene Verbindung eingehen. Vor allem in dieser Hinsicht sind die Porträts aufschlussreich: Sie zeigen, was möglich ist. Die Einsatzgebiete der wissensintensiven Dienstleistungen sind PR und Marketing, Agrarmarketing, Medien und Kommunikation, PR und Journalismus, Ingenieur- bzw. Architekturwesen, Unternehmens- und IT-Beratung. Alle hier porträtierten Freiberuflerinnen bzw. Unternehmerinnen sind seit Jahren etabliert und im gängigen Sinne ökonomisch erfolgreich. Dies ist aber nicht der Regelfall für FreiberuflerInnen, die aus den Sprach- und Kulturwissenschaften kommen.

Extrem schwierige Beschäftigungssituation für GeisteswissenschaftlerInnen

Während die offizielle Politrhetorik etwa zum Jahr der Geisteswissenschaften 2007 von „Hochkonjunktur“ spricht und die Bedeutung von Sprache und Kultur, von vermitteln, gestalten und erinnern – zu Recht – als gesellschaftlich wichtige Tätigkeiten von GeisteswissenschaftlerInnen hervorhebt, zeigen einige Beiträge der vom Deutschen Kulturrat durchgeführten Tagung „Kultur als Arbeitsfeld und Arbeitsmarkt für Geisteswissenschaftler“ deutlich, dass die Arbeitsmarktsituation – ob abhängig beschäftigt oder selbstständig – für AbsolventInnen eines geisteswissenschaftlichen Studiums teilweise unzumutbare Ausmaße angenommen hat.22 Dies betrifft übrigens vor allem dann gerade die freiberufliche Selbstständigkeit, wenn diese nicht freiwillig, sondern aus der Not, sprich der Erwerbslosigkeit, heraus geboren ist.

2005 schlossen sich die VolkswagenStiftung, die Fritz-Thyssen-Stiftung, der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft und die ZEIT-Stiftung zu der Initiative „Pro Geisteswissenschaften“23 zusammen. Die Initiatoren konstatieren eine Diskrepanz zwischen den Leistungen der Geisteswissenschaften und deren öffentlicher Wahrnehmung und Bedeutung. GeisteswissenschaftlerInnen arbeiten reflektierend, interpretierend, kontextuell, beschäftigen sich mit Erinnerungsorten und dem kulturellen Gedächtnis, untersuchen philosophische und historische Problemstellungen. Ihre Kompetenzen und ihre Leistungen erscheinen marginal bis nutzlos in einer durchökonomisierten Gesellschaft, in der nach dem Preis, aber kaum nach dem Wert gefragt wird. Mitglieder der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften legten ebenfalls 2005 ein Manifest der Geisteswissenschaften vor, in dem sie auf deren Unersetzlichkeit für Weltverständnis und -deutung und ihre Bedeutung vor allem auch für die Gestaltung der Zukunft hinwiesen.24 Das hohe Risiko für WissenschaftlerInnen, nach einer vergleichsweise langwierigen Ausbildung eine Professur zu erhalten, wurde bereits benannt. Die deutsche akademische Tradition, dass Habilitierte kostenlos lehren müssen, um ihre Venia legendi aufrechtzuerhalten, dass (zumeist) promovierte Lehrbeauftragte kein oder nur ein symbolisches Entgelt für ihre Lehrtätigkeit erhalten und über kein Stimmrecht in den universitären Gremien verfügen, während sie gleichzeitig mehr als ein Drittel der Hochschullehre abdecken – solche Verhältnisse tragen zu einem Ausverkauf wissenschaftlicher Arbeit mit bei.

Die Vorstellungen und Werte hinter dieser feudalistisch anmutenden Praxis sind einerseits nicht mehr, andererseits schon wieder zeitgemäß: Wer hochqualifiziert und engagiert unbezahlt arbeitet, trainiert schon mal für prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Gerade GeisteswissenschaftlerInnen machen deshalb leider häufig die Erfahrung, dass sie, um weiterhin wissenschaftlich arbeiten zu können, notgedrungen unbezahlte oder schlechtbezahlte, also prekäre Arbeitsverhältnisse akzeptieren müssen, und dass dabei Freiheit, Autonomie und Fairness auf der Strecke bleiben.

Extrem unkonkrete Berufsperspektiven für GeisteswissenschaftlerInnen

Verglichen mit HochschulabsolventInnen anderer Fächer sind GeisteswissenschaftlerInnen benachteiligt, wie die Studie „Arts and Figures. GeisteswissenschaftlerInnen im Beruf“ (2008)25 belegt: GeisteswissenschaftlerInnen sind überdurchschnittlich häufig erwerbslos, arbeiten signifikant häufiger in prekären Verhältnissen, haben ein vergleichsweise niedriges Einkommen, jeweils verglichen mit HochschulabsolventInnen anderer Fächer. Mit 16% haben sie eine relativ hohe Selbstständigenquote. Vor allem aber: Sie sind mit unkonkreten und kaum prognostizierbaren Berufsperspektiven konfrontiert. Die Chance dieser Konstellation ist, dass sich für GeisteswissenschaftlerInnen also eher Berufsfelder als Berufe, eher Arbeitsfelder als Arbeitsplätze öffnen – ihre Profile müssen sie individuell erarbeiten und entwickeln. Aber gerade hier fehlt es an professionellen Beratungsangeboten: an den Hochschulen, in den Arbeitsagenturen, in der Ratgeberliteratur.

Berufsprofilierung

Подняться наверх