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2.6Der Arbeitsmarkt der Zukunft für AkademikerInnen

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Dass die Freien Berufe bereits in den beiden letzten Jahrzehnten für AkademikerInnen besonders attraktiv waren – die Gründe sind vielfältig –, ist schon an den Zahlen6 zu sehen. Die Gesamtzahl der in Freien Berufen Tätigen lag 2007 bei etwa 954.000 Personen. Den zahlenmäßig größten Anteil stellen die Heilberufe mit gut einem Drittel, es folgen die juristischen und wirtschaftsberatenden sowie die technischen und naturwissenschaftlichen Freien Berufe. Das signifikant höchste Wachstum im Jahrzehnt vor 2007 haben die freien Kulturberufe zu verzeichnen: Ihr Anteil wuchs von knapp 82.000 auf knapp 300.000 Personen.7 Der Anteil der freiberuflich tätigen Frauen ist in den Freien Kulturberufen von allen Freien Berufen (außerhalb der Kulturberufe liegt der Frauenanteil am höchsten bei den ApothekerInnen mit 44,7%) am höchsten: bei den darstellenden KünstlerInnen beträgt er 52%, den PublizistInnen 49,7%, den bildenden KünstlerInnen 47,3%, den MusikerInnen 37,1%. Interessant ist auch die Auswertung der Altersstruktur. Der größte Teil der freiberuflich Tätigen befindet sich 2007 in der Altersgruppe zwischen 40 und 50 Jahren. Mit Ausnahme der HumanmedizinerInnen lässt sich – gleichbleibende Nachfrage vorausgesetzt – also kein besonderer Nachwuchsbedarf erkennen.

Wie sehen nun Zukunftsperspektiven für AkademikerInnen aus? Die Beantwortung dieser Frage setzt die Berücksichtigung mehrerer Aspekte voraus, von denen ich hier zwei lediglich anführen und einen dritten ausführlicher darstellen will.

Wie werden die AkademikerInnen der Zukunft ausgebildet sein?

Wie werden die AkademikerInnen der Zukunft ausgebildet sein? Dies ist der erste Aspekt. Im Zuge der Umsetzung des Bologna-Prozesses, der Um- und Neugestaltung von Studiengängen, der Einführung von Bachelor- und Master-Abschlüssen, des Paradigmenwandels zur „unternehmerischen Universität“ usw. hat sich auch die Studienfachwahl verändert: Die Zahl der Studienanfänger in den Sprach- und Kulturwissenschaften sowie in den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ist zwischen 2002 und 2007 um knapp 10% gesunken, in der Human- und Zahnmedizin hingegen um fast 8% und in den Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften um etwa 11% gestiegen.8 Bisher scheint die Akzeptanz des Bachelor-Abschlusses als berufsqualifizierend unter den Studierenden nicht besonders hoch, sodass die überwiegende Mehrheit von etwa 80% einen Master-Abschluss anvisiert – allerdings ohne die Sicherheit eines Studienplatzes direkt im Anschluss an den Bachelor. In den kommenden Jahren werden also AkademikerInnen mit langjährig etablierten neben solchen mit neu zu etablierenden Studienabschlüssen auf dem Arbeitsmarkt unterwegs sein. Dieser hat sich einerseits erweitert zum europäischen Binnenmarkt und andererseits verengt durch die europäische (und auch außereuropäische) Konkurrenz.

Wie werden sich Leben und Arbeiten in Zukunft entwickeln?

Wie werden sich Leben und Arbeiten in den folgenden Jahren und Jahrzehnten insgesamt entwickeln? Dies ist der zweite Aspekt. Die Zukunftsforschung hat den Begriff „Megatrend“ (John Naisbitt) geprägt, um über kurzfristige Trends hinaus wahrscheinliche nachhaltige Veränderungen zu benennen. Dies sind wahrscheinliche, aber keineswegs verlässliche Perspektiven. Die Autoren der IFB-Studie (2009) führen hier beispielsweise die in Teilen ähnlichen, in Teilen abweichenden Prognosen der Zukunftsforscher Matthias Horx9 und Rolf Kreibich10 an, die jeweils plausible Szenarien entwickeln, bleiben aber in ihren eigenen Prognosen zurückhaltender. Für Deutschland ermitteln sie folgende Entwicklungstrends, die sich anhand empirisch überprüfbarer Variablen operationalisieren lassen11:

 demografischer Wandel (Zunahme älterer Menschen, Abnahme der jüngeren Bevölkerung)

 Feminisierung (Zunahme des weiblichen „Humankapitals“ und der Frauenerwerbstätigkeit)

 Individualisierung, Flexibilisierung, Mobilisierung (zunehmende Individualisierung von Lebensmodellen, Zunahme von veränderten Formen der Erwerbsbeteiligung, von fraktalen Erwerbsbiografien, zunehmende Prekarisierung von Beschäftigungsverhältnissen, zunehmende Entkoppelung von Arbeitsleistung und Arbeitsplatz, zunehmende Flexibilität leistungsgerechter Entlohnung, wachsende räumliche Mobilität)

 Fortschreiten der Tertiarisierung (zunehmende Entwicklung von der Güterproduktion zu Dienstleistungen)

 Entwicklung zur Wissensgesellschaft (zunehmende Bedeutung von Bildung/Weiterbildung als lebenslanger Prozess, zunehmende Verlagerung von der Waren- zur Wissens- und Informationsproduktion, Zunahme wissensintensiver Dienstleistungen, zunehmende Bedeutung wissenschaftlicher Eliten)

 technologische Entwicklung (zunehmende Bedeutung von Informations- und Kommunikationstechnologien, von neuen Werkstoffen und Technologien sowie Biotechnologie, Bionik, Life Sciences als zentrale Wachstumsfelder)

 Ökologisierung des Wirtschaftens (zunehmende Integration von Gesundheits- und Umweltschutz, Ökologie als Wachstumsfaktor)

 Globalisierung (wachsende Kapital-, Waren- und Dienstleistungsströme, zunehmende Internationalisierung der Produkte, steigende (Arbeits-)Migration, zunehmende nationale Deregulierung von Märkten, zunehmend weltweite Vernetzung von Unternehmen, wachsende Bedeutung transnationaler Unternehmen und supranationaler Institutionen.

Wie werden sich Arbeits- und Erwerbsformen für AkademikerInnen in Zukunft entwickeln?

Diese beiden hier nur sehr grob skizzierten Zukunftsperspektiven (die künftige Ausbildung von AkademikerInnen sowie die künftige Entwicklung unserer Lebens- und Arbeitswelt) sollen nun um eine ausführlicher vorgestellte ergänzt werden, nämlich um die Perspektive künftiger Arbeits- und Erwerbsformen für AkademikerInnen. Unter Berücksichtigung der skizzierten Trends soll es hier vorrangig um die Entstehung und Entwicklung neuer freiberuflicher Dienstleistungen gehen.

Die Nachfrage nach medizinischen Versorgungszentren, nach gesundheitlicher Bildung und Beratung, nach Mobilitätsservices und kulturellen Dienstleistungen für die älter werdende Bevölkerung wird steigen bei gleichzeitigem Rückgang der Einkünfte im Alter. Die Feminisierung der Arbeitswelt wird flexiblere, bedarfsgerechtere Betreuungsangebote für Kinder, Menschen mit Handicap, ältere Menschen und Haustiere erforderlich machen. Mit der Erfahrung wachsender Komplexität ihrer Lebenswelt wird der Bedarf vieler Menschen an kompetenter, vertrauenswürdiger Unterstützung zunehmen; hier werden freiberufliche Dienstleistungen noch stärker als bisher differenziert und spezialisiert werden müssen. Aber werden sie bezahlbar sein, werden sie unternehmerisch sinnvoll umzusetzen sein? Volkswirtschaftliche Strukturen werden sich hin zu personenbezogenen Arbeitsformen verändern. Die Auslagerung von wissensintensiven Dienstleistungen aus Unternehmen und Institutionen wird weiterhin zunehmen. Es werden sich neue kulturelle Dienstleistungen entwickeln, weil neue Formen der Kulturvermittlung entstehen. WKD werden mit Sicherheit auch auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft gefragt sein.

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