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2.1Arbeiten im 21. Jahrhundert

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Wie sieht der Arbeitsmarkt im Jahr 2012 für AkademikerInnen aus? Welche Voraussetzungen und welche Potenziale bringen sie mit, welche Lebensentwürfe wollen sie gestalten, welche Perspektiven können sie realisieren? „Klassische“ Berufe und Berufsverläufe für AkademikerInnen gibt es zunehmend weniger, sie werden immer brüchiger und fordern immer mehr Anpassungsleistungen inklusive Flexibilität und Mobilität, führen zu befristeten Anstellungen, in prekäre Beschäftigungssituationen. In meiner Beratungspraxis mache ich zunehmend die Erfahrung, dass insbesondere für Frauen freiberufliche Tätigkeiten immer attraktiver werden, weil hier die Möglichkeiten einer individuellen Berufsprofilierung in Verbindung mit einer selbstbestimmten Lebensgestaltung relativ groß sind. Aber wie Sie später in den Unterkapiteln sehen werden, in denen es um Biografiearbeit geht, trifft dies nicht nur für freiberufliche Profile zu, sondern überhaupt für individuelle Profile, in denen Person & Profession eine Einheit bilden.

Eine akademische Ausbildung garantiert keine planbare „Karriere“

Für immer weniger AkademikerInnen zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist der gerade Weg vom Studienabschluss in eine planbare „Karriere“, die ihrem Leben für die folgenden Jahrzehnte eine stabile ökonomische Grundlage und einen institutionellen Rahmen bietet, die Regel, für immer mehr ist dies die Ausnahme. Geistes- und SozialwissenschaftlerInnen bilden hier die Vorhut einer Entwicklung, die zunehmend auch NaturwissenschaftlerInnen, MedizinerInnen, JuristInnen und ArchitektInnen betreffen wird. Universitäre Bildung vermittelt – bestenfalls – Fähigkeiten und Kompetenzen wie selbstständiges Denken, Reflexionsvermögen, Strukturieren komplexer Sachverhalte, sprachliches Ausdrucksvermögen, Wissbegierde und Methodenkompetenz, die Fähigkeit, sich selbst zu motivieren, und anderes mehr. Aber sie ist nicht (mehr) per se eine berufsorientierte Ausbildung, die auf ein spezifisches Tätigkeitsprofil oder eine bestimmte berufliche Position hin qualifiziert. Und wo sie den Markt im Blick hat, bedient sie häufig vorrangig wirtschaftliche Interessen und vernachlässigt die Bildung eines kritischen, unabhängigen ForscherInnengeistes. In den meisten Fällen vermittelt ein Universitätsstudium etwas Wesentliches überhaupt nicht: ökonomisch zu arbeiten, also einen Instinkt dafür zu entwickeln, wieviel Zeit, Ressourcen und Energie für ein bestimmtes Ergebnis sinnvoll und angemessen sind.

Veränderungen der Berufsperspektiven für angestellte und verbeamtete AkademikerInnen

Von den angestellten bzw. verbeamteten AkademikerInnen arbeiten etwa 90% in technischen Berufen und im Dienstleistungsbereich, also bei Banken und Versicherungen, im Gesundheitswesen und vor allem im öffentlichen Dienst, von Schulen über Krankenhäuser und Gerichte bis zu Ministerien. Auch diese institutionellen Einsatzgebiete für AkademikerInnen beginnen sich zu verändern, wenn auch eher langsamer als z.B. die Freien Berufe. Stellenausschreibungen aber bieten Orientierungen, machen Vorgaben und setzen klare Profile voraus. Deshalb ist die Notwendigkeit zur Berufsprofilierung für Lehramtsstudierende oder Ärztinnen und Ärzte zwar nicht zwingend – aber die Biografiearbeit, die ja Bestandteil des Profilierens ist, kann eine im positiven Sinne so herausfordernde und bereichernde Tätigkeit sein, dass Sie auch als Lehrer oder Ärztin Ihrer Neugier auf noch unbekannte individuelle Perspektiven folgen sollten.

Studienwahl und Geschlechtszugehörigkeit entscheiden über berufliche Zufriedenheit

Studien über die Phase des Übergangs von der Hochschule in die Berufstätigkeit (auf den folgenden Seiten erfahren Sie mehr dazu) zeigen vor allem zwei signifikante Unterschiede: Die Zufriedenheit mit der beruflichen Situation und das jeweilige Einkommen sind abhängig vom Studienfach und vom Geschlecht. Europaweit liegen hier AbsolventInnen der Elektrotechnik, Informatik, Physik, Chemie, Pharmazie und Humanmedizin vor denen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer. Nur etwa ein Viertel der HochschulabsolventInnen in Deutschland hat vier Jahre nach dem Examen (befristete) Arbeitsverträge, und in den prekären Erwerbsformen sind Akademikerinnen überrepräsentiert (vgl. Anm. 1).

Zunehmende Schwierigkeiten in der Berufseinstiegsphase

Was machen die anderen drei Viertel nach dem Studium? Vielleicht denken Sie jetzt an Mitstudierende, deren Weg Sie verfolgt haben oder mit denen Sie in Kontakt geblieben sind. Die Zeit zwischen Examen oder Promotion und der ersten „Ankunft“ im Beruf ist im Allgemeinen eine Phase der Orientierung und der Suche. Es geht darum, die Möglichkeiten zu sondieren, für sich einen Lebens- und Berufsweg zu entwickeln, den Lebensunterhalt zu bestreiten, die eigenen Kompetenzen ein- und umzusetzen. Man bewirbt sich auf ausgeschriebene Stellen, hört sich im Freundes-, Familien- und Bekanntenkreis um, aktiviert Kontakte in realen und virtuellen Netzwerken, verschickt Blindbewerbungen, macht Praktika … Auf das, was sie in der Berufspraxis erwartet, sind die meisten AbsolventInnen nicht vorbereitet: auf hierarchische Unternehmenskulturen, auf Regeln und Umgangsformen, die niemand erklärt und die nirgends nachzulesen sind, auf Leistungsdruck, Mobbing, Einzelkämpfertum. Wie war das bei Ihnen?

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