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2.7Wissensintensive und kulturelle Dienstleistungen als Perspektive

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Neue Berufsprofile können durch Differenzierung und Spezialisierung aus bereits bestehenden entwickelt werden oder sie werden auf konkrete Bedarfe hin neu entwickelt. Die Bereiche, in denen voraussichtlich die größten Entwicklungspotenziale für wissensintensive und kulturelle Dienstleistungen liegen, sind nach Auffassung der Autoren der IFB-Studie12

 Gesundheit, Rehabilitation, Prävention

 Technik, Naturwissenschaften, Umweltschutz

 Beratung, Bildung, Information und Kommunikation

 Medien, Kultur.

Die Autoren der IFB-Studie führen aus, dass es für die Positionierung in einem Freien Beruf nicht nur von Belang ist, ob es einen Markt für das Dienstleistungsangebot gibt, sondern auch, ob und wie das einmal entwickelte Dienstleistungsangebot verändert werden kann, um marktfähig zu bleiben.13

Wissensintensive und kulturelle Dienstleistungen sind in hohem Maße individualisiert

Der Kern der WKD besteht darin, eine individuelle Lösung für ein Problem, einen Bedarf anzubieten. Es ist für freiberufliche Dienstleistungen charakteristisch, dass sie nicht standardisiert angeboten werden, sondern ganz individuell auf eine konkrete Klientin, einen bestimmten Kunden hin zugeschnitten werden. Sie sind also personenbezogen. Je individueller die Dienstleistung ist, umso stärker wird die Kundin, der Klient in ihre Entwicklung bzw. Ausführung einbezogen, und umso wesentlicher ist die Person des Freiberuflers, der Freiberuflerin für eine qualitätsvolle, kompetente, verantwortungs- und vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Die WKD der Zukunft – die sich hier und heute bereits entwickeln – werden vor allem für zwei Aufgabenfelder mit individuellen Lösungen aufwarten: Sie werden durch Informations-, Bildungs- und Beratungsangebote die Komplexität des Alltagsleben in allen seinen Bereichen strukturieren und bewältigbar gestalten, und sie werden durch breitgefächerte, spezialisierte kulturelle Angebote zur individuellen Verbesserung von Lebensqualität beitragen. Wie diese Berufsbilder organisatorisch gefasst sind oder sein werden, freiberuflich oder angestellt oder in Gestalt von Projektarbeit, wird die Zukunft zeigen. Flexible arbeitsorganisatorische Formen, wenn sie nicht gleichzeitig sozial entsichert sind und prekäre Erwerbsverhältnisse schaffen, werden jedenfalls den Bedürfnissen vieler auch akademisch gebildeter Menschen entsprechen.

Es fehlt an individualisierten Beratungsangeboten

Der gegenwärtige Stand gerade im Bereich der Kultur- und Medienberufe ist allerdings nicht besonders vielversprechend, wie Sie im folgenden Kapitel sehen werden. Es fehlt bei den WKD an qualitativ hochwertigen und individuell auf den Bedarf zugeschnittenen Beratungsmöglichkeiten. Existenzgründungsberatungen für AkademikerInnen an Universitäten und Fachhochschulen, bei Arbeitsämtern, Industrie- und Handelskammern und Berufsverbänden bieten überwiegend standardisierte Beratungen an, die der Notwendigkeit, Person & Profession in produktiver Übereinstimmung zu verbinden, oft nicht gerecht werden können. Insofern stellt die individuelle Berufsprofilierung selbst eine wissensintensive Dienstleistung dar, deren Profil entsprechend zu entwickeln, zu schärfen und zu verändern ist.

Berufsprofilierung und Biografiearbeit in Eigeninitiative

Für die wissensintensiven und kulturellen DienstleisterInnen der Zukunft wird es nicht einfach sein, neue Berufsbilder zu entwickeln und zu professionalisieren, die sich außerhalb institutionalisierter Berufe bewegen. Die künftigen Akteure werden, jede/r für sich, die für sie passende Organisationsform finden müssen zwischen Einzelkämpfertum, Solo-Selbstständigkeit oder als Unternehmen, in festen oder wechselnden Kooperationen, Netzwerken und der Zugehörigkeit zu einer übergeordneten Interessensvertretung, sei es eine Gewerkschaft, sei es ein Berufsverband oder eine Kammer. Neben der Entwicklung spezifischer Tätigkeiten, die das Berufsbild ausmachen, entsprechender Aus- und Weiterbildung, interner Qualitätssicherung, der Entwicklung fachlicher und ethischer Grundsätze geht es immer auch um die Positionierung auf dem Markt, um Sozialprestige und Außenwirkung einer Berufstätigkeit. Solche Profilierungsleistungen werden in Zukunft AkademikerInnen, die WKD anbieten, als fortwährende, nachhaltige Biografiearbeit selbst erbringen müssen. Je besser ihnen das gelingt, umso gelungener und stimmiger werden sie ihr individuelles Lebens- und Arbeitsmodell wahrnehmen.

Perspektivenwechsel von „was kann ich?“ zu „für welches Problem habe ich die Lösung“?

Für die Zukunft, die bereits begonnen hat, ist ein grundlegender Perspektivenwechsel sinnvoll, ja notwendig. Gerade AkademikerInnen sind qua Ausbildung bestens dafür ausgerüstet, denn sie verfügen über ein Füllhorn an Kompetenzen und Qualifikationen, die sie aktiv gestalten – profilieren – können. Anstatt zu reagieren auf einen sich wandelnden Arbeitsmarkt, sich anzupassen an dessen gar nicht sicher zu prognostizierende Entwicklung, sich aus marktstrategischen Gründen für einen Beruf zu entscheiden – anstelle dieser reaktiven Möglichkeiten sollten gerade AkademikerInnen die Perspektive nutzen, von sich selbst auszugehen: Wie will ich leben und arbeiten, was kann ich besonders gut und tue ich besonders gern, für welche Probleme, für welchen Bedarf kann ich eine individuelle Lösung anbieten, die gute Chancen auf dem Markt hat? Das ist die Herausforderung, die ich eingangs erwähnt habe und die anzunehmen ich Sie mit diesem Buch nach Kräften unterstützen möchte.

Die Trennung in die Privatperson und die Arbeitskraft wird in Zukunft immer weniger aufrechtzuerhalten sein (was nicht mit einem Verschwinden der Privatsphäre gleichzusetzen ist). Das bedeutet umgekehrt, dass Lebens- und Arbeitsmodelle flexibel und veränderbar sein werden (müssen) – zeitlich, inhaltlich, organisatorisch. Damit solche Modelle sich nicht im Transitär-Unverbindlichen auflösen, brauchen wir einen festen Bestand an Werten und Haltungen, was früher „Identität“ oder „Selbstverwirklichung“ hieß. Person & Profession selbstbestimmt zu gestalten, bedeutet auch, mit Unsicherheiten, Widersprüchen und Rückschlägen konfrontiert zu sein. Der Weg ist auch hier das Ziel: WKD als Bestandteil des individuellen Lebensentwurfs zu profilieren, kann eine lebenslange Herausforderung, ein Abenteuer sein.

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