Читать книгу Ausgewählte Briefe, Band 1 - Sophronius Eusebius Hieronmyus - Страница 27
Оглавление38. An Marcella
[Vorwort]
Der Brief wendet sich an Marcella, die Stütze des aszetischen Frauenkreises in Rom, und handelt von Blesilla, der ältesten Tochter Paulas. Sie war ein richtiges Weltkind und wandelte keineswegs in den Fußstapfen ihrer Mutter und ihrer Schwester Eustochium. Sie war mit dem sonst unbekannten Bruder Furios 194 verheiratet, wurde aber bereits sieben Monate nach der Trauung Witwe. Trotzdem blieb sie bei ihrer oberflächlichen Lebensauffassung und Lebenshaltung. Da überkam sie ein schweres Fieber, und einen ganzen Monat schwebte sie zwischen Tod und Leben. In diesen Tagen der Krankheit trat ein völliger Umschwung bei ihr ein, und die junge Witwe beschloß, von nun an ihr Leben ausschließlich Gott zu weihen. Gewiß haben Marcella und Hieronymus ihren Anteil an dieser Bekehrung. Ganz besonders widmete sich Blesilla dem Studium der Hl. Schrift. Um sie in der Weltverachtung zu stärken, behandelte ihr Lehrmeister mit ihr den Prediger. 195 Es sieht fast aus, als ob Hieronymus bereits damals entschlossen war, Rom zu verlassen. Denn Blesilla ersuchte ihn um eine schriftliche Erklärung, damit sie auch in seiner Abwesenheit das Buch verstehen könne. Aber der Eifer der gelehrigen Schülerin ging noch weiter, erbat sie sich doch eine Übersetzung der 25 Bücher zu Matthäus, der 5 zu Lukas und der 22 zu Johannes, wie sie Origenes herausgegeben hatte. 196
Im vorliegenden Briefe verleiht Hieronymus seiner Freude Ausdruck über den neuen Zuwachs in der geistlichen Familie. Aber er wehrt sich auch gegen seine Gegner, die zum Teil in Blesillas Verwandtschaft zu suchen sind. Ihnen war jede Stärkung der strengen Richtung ein Dorn im Auge, bedeutete sie doch eine Schwächung ihrer eigenen Position.
Der Brief ist im Jahre 384 verfaßt.
1.
Abraham wird geprüft, da er seinen Sohn opfern soll, und bestärkt sich in seinem Glauben. 197 Joseph wird nach Ägypten verkauft, um seinen Vater und seine Brüder vor dem Hungertode zu sichern. 198 Ezechias wird in Schrecken versetzt, als ihm sein Tod für die nächsten Tage angekündigt wird, erlangt aber durch seine Tränen einen Aufschub von fünfzehn Jahren. 199 Der Apostel Petrus wird beim Anblick des leidenden Heilands im Glauben schwankend, aber seine bitteren Reuetränen 200 erwirken ihm den Auftrag: „Weide meine Schafe!“ 201 Paulus, der reißende Wolf, der Jüngling aus dem Stamme Benjamin, 202 erblindet in der Verzückung, damit er sehend werde. Plötzlich von schauerlicher Finsternis umgeben, ruft er den Herrn an, den er bislang wie einen sterblichen Menschen verfolgt hatte. 203
2.
So haben auch wir jetzt, meine Marcella, unsere Blesilla während dreißig Tagen ununterbrochen mit der Fieberglut ringen sehen. Sie sollte lernen, daß die sinnlichen Freuden nichts bedeuten, ist doch der Leib dazu bestimmt, nur allzubald von den Würmern zerwühlt zu werden. Auch zu ihr kam der Herr Jesus, nahm sie an der Hand, und siehe, sie stand auf und diente ihm. 204 Bis dahin roch sie nach Gleichgültigkeit, lag sie gefesselt in den Ketten des Reichtums, war sie gebettet in das Grab des Weltgeistes. Jesus erschauerte und erbebte im Geiste und rief ihr zu; „Blesilla, komme heraus!“ 205 Sie vernahm diesen Ruf, stand auf und setzte sich mit dem Herrn zu Tische- Laß die Juden darüber toben und aufbrausen, laß sie versuchen, die Auferstandene umzubringen; 206 die Apostel allein mögen sich darob freuen! Sie weiß, daß sie ihr Leben dem verdankt, dem sie vertraute. Sie weiß, daß sie die Füße dessen umarmt, vor dessen Gericht sie noch vor kurzem erzittern mußte. Ihr Körper lag schon fast leblos da, der nahe Tod streifte die erschöpften Glieder. Wo blieb da die Hilfe der Verwandten? Was nützen alle Worte, die nichts sind als leerer Rauch? Dir, o undankbare Verwandtschaft, ist sie nichts schuldig, sie, die der Welt verlorenging und für Christus zu neuem Leben erwachte. Wer ein Christ ist, möge sich über diese Umwandlung freuen. Wer aber daran Anstoß nimmt, offenbart dadurch, daß er kein Christ ist.
3.
Eine Witwe, die vom ehelichen Bande befreit ist, braucht nichts weiter zu tun als auszuharren. Wer an ihrem dunklen Kleide Ärgernis nimmt, der möge sich auch über Johannes ärgern, dem unter den vom Weibe Geborenen keiner an Größe gleichkommt, 207 der ein Engel genannt wird und den Herrn selbst taufte, der sich in eine Kamelshaut einhüllte und einen ledernen Gürtel trug. 208 Wer etwa die einfachere Nahrung tadelt, den frage ich, was gibt es denn noch Geringeres als Heuschrecken? Solche Frauen ließen besser ihre christlichen Augen an denen Anstoß nehmen, welche ihre Augen und ihre Wangen mit Purpurfarbe und allerhand Schminken rot anmalen, deren gipsfarbenes Gesicht, durch allzu blendendes Weiß entstellt, an Götzenbilder erinnert. Löst sich unvermutet eine Träne, dann rinnt sie in einer Furche herab. Auch die Zahl ihrer Jahre läßt sie vergessen, daß sie alt geworden sind. Mit fremden Haaren türmen sie ihre Frisur auf und bügeln die dahingeschwundene Jugend, welche die Altersfurchen bloßlegen, wieder auf. Vor der Schar ihrer Enkel putzen sie sich heraus wie zarte Jüngferchen. Ja dann erröte die christliche Frau, wenn sie der Natur Zwang antut, wenn sie dem Kulte des Fleisches huldigt, um die Begierlichkeit zu wecken, obwohl der Apostel von denen, die ihr ergeben sind, sagt, daß sie Christus nicht gefallen. 209
4.
Unsere Witwe schmückte sich früher mit Kleinodien und erholte sich den ganzen Tag vom Spiegel Rats, um festzustellen, was ihr noch fehlte. Heute spricht sie zuversichtlich: „Wir alle aber schauen mit enthülltem Antlitze wie in einem Spiegel die Herrlichkeit des Herrn und werden umgewandelt in dasselbe Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit wie vom Geiste des Herrn.“ 210 Einst machten ihr die Dienstmädchen das Haar zurecht und zwängten den Scheitel, der doch nichts verbrochen hatte, in gekräuselte Kopfbinden ein. Heute verzichtet sie auf diese Haarpflege und begnügt sich damit, das Haupt zu verhüllen. In jener Zeit waren ihr weichliche Federbetten noch zu hart, kaum konnte sie auf den aufgestapelten Polstern liegen. Jetzt erhebt sie sich eilends zum Gebete, nimmt mit ihrer melodischen Stimme den anderen das Alleluja 211 vorweg und fängt als erste an, ihren Herrn zu loben. Sie kniet sich auf die bloße Erde, und mit reichlichen Tränen reinigt sie ihr Antlitz, das sie einst mit Bleiweiß besudelt hat. Ist sie mit dem Gebete der Psalmen zu Ende, so versagen der müde Nacken und die wankenden Knie den Dienst, aber den vor Müdigkeit zufallenden Augen gönnt der fromme Eifer kaum einige Ruhe. Da sie eine dunkle Tunika trägt, so hat sie jetzt weniger Sorge, sie zu beschmutzen, wenn sie sich auf den Boden kniet, Ihr Schuhwerk ist einfach. Was sie früher für ihre goldgestickten Schuhe ausgab, das verteilt sie jetzt unter die Dürftigen. Weder Gold noch Edelsteine schmücken ihren Gürtel. Er ist aus Wolle und in seiner Einfachheit, jeder Verzierung bar, eher geeignet, die Kleider zusammenzuhalten als sie zu zerreißen. Wenn die Schlange scheelen Auges auf dieses heilige Vorhaben blickt und mit verführerischen Worten sie überreden will, wieder von dem verbotenen Baume zu essen, dann möge sie nicht mit dem Fuße, sondern mit dem Anathem zerschmettert werden. In ihrem Staube sterbend, 212 mag sie das Wort vernehmen: „Weiche zurück, Satanas!“ 213 was soviel wie Widersacher bedeutet. Der Widersacher Christi ist aber der Antichrist, also der, dem Christi Gebote missfallen
5.
Ich bitte Dich, kann man mit Recht sich an unserer Lebensauffassung stoßen? Sind wir etwa so weit gegangen wie die Apostel? Sie verließen den alten Vater samt Schiffen und Netzen. 214 Der Zöllner geht vom Steuerhaus weg und folgt dem Heiland nach. 215 Ein Jünger will zuerst noch nach Hause gehen und von den Seinen Abschied nehmen, aber der Meister läßt es nicht zu. 216 Er gestattet nicht einmal, den Vater zu begraben; 217 denn darin liegt der Gipfel der Pietät, daß man im Dienste des Herrn die Seinigen vergißt. Weil wir keine seidenen Kleider tragen, nennt man uns Mönche. Weil wir nicht trunken sind und nicht ausgelassen im Lachen, betitelt man uns als Enthaltsame und Mucker. Weil unsere Kleidung nicht vornehm ist, so wendet man auf uns das Wort von der Straße an: „Er ist ein Betrüger und ein Grieche.“ 218 Mögen sie ruhig noch schlimmere Spottreden führen, mögen die Dickwanste und vollgepfropften Schmerbäuche gegen uns hetzen! Unsere Blesilla wird darüber nur lachen und die Lästerreden dieser geschwätzigen Frösche unbeachtet lassen, hat man ja auch ihren Herrn Beelzebub genannt. 219