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68. An Castricianus

[Vorwort]

Der uns nur aus diesem Briefe bekannte Pannonier Castricianus wollte Hieronymus in Bethlehem besuchen. Er schloß sich einem Diakon Heraclius an, den der pannonische Bischof Amabilis nach Palästina gesandt hatte, um von Hieronymus einen Kommentar zu den zehn Gesichten des Propheten Isaias (Kap. 13—23) zu erbitten. 257 Castricianus, der blind war, kam nur bis Cissa, das an der istrischen Küste zu suchen sein dürfte. Hieronymus dankt ihm für seinen guten Willen und redet ihm die Meinung aus, daß seine Blindheit eine Strafe Gottes sein müsse. Zum Schlüsse gibt er der Erwartung Ausdruck, ihn doch einmal in Bethlehem begrüßen zu dürfen.

In ep. 71, 7 ad Lucinum wird die Abfassung des von Amabilis erbetenen Kommentars als kürzlich erfolgt hingestellt. Der Brief erwähnt auch die längere Krankheit, die Hieronymus während der Fasten des Jahres 398 befiel. 258 Diese findet sich in dem Briefe an Castricianus nicht berührt, obwohl ein Hinweis nahelag, da der Brief sich gerade mit dem Sinn des Leidens befaßt. Heraklius muß also den Brief entweder Ende 397 oder Anfang 398 samt dem Kommentar für Amabilis ins Abendland gebracht haben.

1.

Mein ehrwürdiger Sohn, der Diakon Heraklius, hat mir erzählt, daß Du den Wunsch hattest, mich zu besuchen, aber nur bis Cissa gekommen bist. Du, ein Pannonier, eine Landratte also, schrecktest vor den Stürmen der Adria nicht zurück und fürchtetest Dich nicht vor den Gefahren des Ägäischen und Jonischen Meeres. Hätte Dich die gewissenhafte Besorgnis der Brüder nicht zurückgehalten, dann hättest Du den Willen in die Tat umgesetzt. Ich spreche Dir meinen Dank aus und nehme die Absicht für die Tat hin. Unter Freunden kommt es nicht auf die Sache, sondern auf den guten Willen an. Die Sache selbst kann man oft von seinen Feinden erhalten, der gute Wille jedoch hat die Liebe zur Voraussetzung. Dann bitte ich Dich, setze Dir doch nicht in den Kopf, daß Dein körperliches Leiden eine Folge der Sünde ist. In solchen Gedankengängen bewegten sich auch die Apostel, als sie den Herrn und Heiland über den Blindgeborenen befragten: „Wer hat denn gesündigt, daß er so wurde, er oder seine Eltern?“ Die Antwort lautete: „Weder er, noch seine Eltern. Vielmehr sollten sich an ihm die Werke Gottes offenbaren.“ 259 Wie oft sehen wir Heiden, Juden, Irrlehrer und Anhänger der verschiedensten Religionen, die sich im Unflat der Leidenschaften wälzen, von Blut triefen, an Wildheit die Wölfe und an Raubgier die Geier übertreffen, ohne daß sich Gottes Zuchtrute ihren Zelten naht. 260 Wo andere heimgesucht werden, bleiben sie straflos. Deshalb empören sie sich in ihrem Übermute gegen Gott und schleudern ihre Lästerworte bis zum Himmel. 261 Hingegen kennen wir heilige Menschen, welche von Krankheit, Elend und Dürftigkeit gequält werden, die vielleicht sprechen: „Umsonst habe ich meine Seele geheiligt und unter den Unschuldigen meine Hände gewaschen.“ Aber sofort fügen sie, sich selbst zurechtweisend hinzu: „Wenn ich so spreche, dann habe ich das Geschlecht Deiner Söhne verworfen.“ 262 Wenn Du die Ursache Deiner Erblindung in der Sünde suchst und eine Krankheit, welche die Ärzte nicht selten heilen können, auf Gottes Zorn zurückführst, dann verdächtigst Du damit auch Isaak, der so sehr am Sehen behindert war, daß er sich täuschen ließ und segnete, wen er nicht segnen wollte. 263 Du bringst Jakob in ein schiefes Licht, dessen Augen nachgelassen hatten, so daß er Ephraim und Manasses nicht unterscheiden konnte, während sein geistiges Auge und sein prophetischer Blick in die ferne Zukunft schauten und den aus königlichem Sproß stammenden Messias vorausverkündeten. 264 Welcher König war heiliger als Josias? Der Dolch eines Ägypters traf ihn tödlich. 265 Wer steht über Petrus und Paulus? Sie haben Neros Schwert mit ihrem Blute gerötet. Hat nicht der Sohn Gottes, um von Menschen zu schweigen, die Schmach des Kreuzes auf sich genommen? Und Du preisest die selig, welche das Glück dieser Welt und ihre Freuden genießen? Die größte Strafe für die Sünder ist es, wenn der Zorn des Herrn sie nicht trifft. Deshalb spricht er im Buche Ezechiel zu Jerusalem; „Ich will dir nicht zürnen, und mein Interesse wendet sich ab von dir.“ Wen der Herr liebt, den züchtigt er. Er sucht jeden heim, den er an Kindes Statt annimmt. 266 Der Vater unterweist nur, wen er liebt. Der Lehrer straft nur den Schüler, der zu lebhaften Geistes ist. Stellt der Arzt seine Fürsorge ein, dann weiß er keinen Rat mehr. Wenn es an dem ist, wirst Du antworten: „Wie Lazarus in seinem Leben Schlimmes erduldet hat, 267 so will auch ich bereitwillig die Leiden auf mich nehmen, um in die ewige Herrlichkeit einzugehen“ — denn der Herr wird dieselbe Sünde nicht zwiefach strafen. 268 Warum Job, ein unter seinen Zeitgenossen heiliger, makelloser und gerechter Mann, 269 so vieles dulden mußte, liest man am besten in dem nach ihm benannten Buche nach.

2.

Ich will mich nicht in alten Geschichten verlieren und meinen Brief zu weit ausdehnen. Nur eine kleine Begebenheit, die sich in meiner Jugend ereignete, will ich noch anführen. Der heilige Antonius wurde vom heiligen Athanasius, dem Bischof von Alexandrien, zur Bekämpfung der Arianer in die Stadt geholt. Da kam der blinde Didymus, 270 ein großer Gelehrter, zu ihm. Während sie sich in mannigfaltigen Reden über die Hl. Schrift unterhielten, bewunderte Antonius des anderen Gelehrsamkeit und Geistesschärfe. Da fragte er ihn: „Bist Du traurig, weil Du des Augenlichtes entbehrst?“ Als dieser beschämt schwieg, fragte er ein zweites und drittes Mal und entlockte ihm das Geständnis, daß er diesen Verlust schmerzlich empfinde. Da sagte Antonius: „Ich wundere mich, daß ein weiser Mann unter dem Verlust einer Sache leidet, welche Ameisen, Mücken und Schnaken besitzen, statt sich zu freuen über den Besitz dessen, was sich nur die Heiligen und die Apostel verdient haben.“ Daraus ergibt sich, daß es wichtiger ist, mit dem geistigen als mit dem leiblichen Auge zu sehen, und jene Augen zu besitzen, in welche der Balken der Sünde nicht hineinfallen kann. 271 Mit Deinem Besuche rechne ich noch immer, wenn es auch nicht mehr im laufenden Jahre sein kann. Wenn Du den heiligen Diakon, den Überbringer meines Briefes, wieder begrüßend umarmen kannst und dann in seiner Begleitung hier eintriffst, so werde ich Dich mit Freuden aufnehmen. Die Verzögerung Deines Vorhabens wird mir dann ein doppelter Gewinn sein.

Ausgewählte Briefe, Band 1

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