Читать книгу 101 Dinge, die man über das DB-Museum wissen muss - Stefan Friesenegger - Страница 14
Оглавление9 »Versailles auf Rädern«
Der Hofzug des Märchenkönigs
Mit Beginn seiner Regentschaft im Jahr 1864 übernahm der bayerische König Ludwig II. neben zahlreichen Gütern auch den hofeigenen Zug seines Vaters Maximilian II. 1865 bestellte er einen halboffenen Aussichtswagen hinzu, der noch im gleichen Jahr durch die Firma Klett & Co., der späteren Maschinenbau-Actien-Gesellschaft Nürnberg, fertiggestellt werden konnte. Dieser Terrassenwagen diente dem König vor allem für private Ausflugsfahrten aufs Land. 1868 beauftragte er schließlich den Umbau des Salonwagens.
Für den Umbau wurde Franz von Seitz, Professor an der Münchner Kunstakademie, Maler und artistischer Direktor der Hofbühne, beauftragt. Im Rahmen dieser Arbeiten wurde der Wagen innen wie außen prunkvoll ausgeschmückt. Durch die blaue Lackierung, Zeichen für Adel und Reichtum, wird das herrschaftliche Erscheinungsbild des Wagens zusätzlich unterstrichen. Die Ornamentik ist im Wesentlichen aus Holz geschnitzt oder aus Bronze gegossen und vergoldet oder bemalt.
Um dem königlichen Herrschaftsanspruch zusätzlichen Ausdruck zu verleihen, ließ Ludwig II. eine 500 Millimeter hohe Krone auf dem Dach des Wagens anbringen. Die künstlerische Gestaltung im Stil Ludwigs XIV. von Frankreich und damit die Orientierung am Stil des Schlosses Versailles brachte dem Wagen seinen späteren Titel »Versailles auf Rädern« ein. Das Innere des Salonwagens wird durch den überaus prachtvoll ausgestatteten Hauptsalon bestimmt. Die Wände sowie das Mobiliar sind reich vergoldet und mit edler Atlasseide, einer Seide in spezieller Bindung, bespannt. Ihm folgt ein Schlafkabinett sowie ein Toiletten- und ein Waschkabinett. Hinzu kommt ein Adjutantenzimmer, welches für die Bediensteten bestimmt war. Bezüglich der technischen Ausstattung verfügte der Salonwagen bereits über den neuesten Standard. Neben den sanitären Einrichtungen besass er zudem eine moderne Dampfheizung. Die erste Probefahrt mit diesem prunkvollen Salonwagen erfolgte im Jahr 1870.
Glanzlichter des heutigen DB Museums
Mit der Reichhaltigkeit der Dekoration und seinem Prunk war der Wagen einer der prachtvollsten aller Hofzüge seiner Zeit. Vor allem der Goldbesatz an Mobiliar und den Wänden ist überaus üppig. Es verwundert daher nicht, dass die Kosten für die Vergoldungen etwa bei einem Drittel der gesamten Umbaukosten des Wagens lagen. Insgesamt war der Hofzug für autarke Reisen des Monarchen konzipiert. Der königliche Zug bestand neben den beiden Prunkwagen aus einem Dienerschaftswagen mit Heizkessel, zwei Wagen für das Gefolge und den Reisekommissar, einem Gepäckwagen und zwei Küchenwagen. Eine derart prunkvolle Ausgestaltung des Zuges stand in einem gewissen Widerspruch zur Moderne, welche die Eisenbahn verkörperte.
Das zentrale Deckengemälde im Hauptsalon ist noch im Originalzustand erhalten. Es wurde im Stil des Barock von dem Maler Rudolf von Seitz angefertigt. Dargestellt sind die zu dieser Zeit bekannten Kontinente und zugleich die vier Himmelsrichtungen. Motive dieser Art waren typisch in der Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts. Die Darstellung der Sonne als Mittelpunkt des Gemäldes übernimmt hier die Deckenbeleuchtung. Bild: DB Museum/Uwe Niklas
Der Salonwagen des bayerischen König Ludwig II. in seiner modernisierten Form.
Er zählt zu den Glanzlichtern des heutigen DB Museums. Bild: DB Museum/Uwe Niklas
Einzigartig und repräsentativ
Mit seiner Orientierung am Baustil vergangener Tag nimmt der Hofzug König Ludwigs II. sicher eine Sonderrolle ein. König Ludwig II. nutzte seinen Hofzug meist nur für repräsentative Anlässe. Als spektakulär gilt vor allem seine triumphale Frankenreise im Jahr 1866. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Salonwagen noch in seinem schlichten Bauzustand. In den Jahren zwischen 1865 und 1881 reiste Ludwig II. mehrfach in die Schweiz und nach Frankreich, verwendete dazu jedoch meist einen Inkognito-Zug mit schlicht gestalteten Eisenbahnwagen. Es ist daher davon auszugehen, dass die beiden königlich-bayerischen Eisenbahnwagen nur wenige Kilometer hinter sich gebracht haben. Daran dürfte sich auch nach dem Tod des Königs im Jahr 1886 wenig geändert haben. Bis zum Ende der Monarchie soll der Hofzug im fahrbereiten Zustand am Münchner Hauptbahnhof abgestellt gewesen sein. Im Jahr 1918 fanden sowohl der Salonwagen als auch der Terrassenwagen ihren Weg in das Verkehrsmuseum. Während des Zweiten Weltkrieges verblieben die beiden Ludwigswagen in der Fahrzeughalle des 1925 fertiggestellten Neubaus. Durch Kriegsschäden am Gebäude war es Plünderern möglich, unter anderem die Marmorplatten der Tische, seidene Wandverkleidungen, die vier Eckgemälde an der Decke des Hauptsalons im Salonwagen und sämtliche Bodenbeläge zu stehlen. Bis zur Wiedereröffnung des Verkehrsmuseums im Jahr 1953 konnten sie jedoch rekonstruiert werden. Abgesehen von dieser Tatsache sind die beiden Fahrzeuge bis an den heutigen Tag unbeschädigt im Original erhalten geblieben und zählen zu den unbedingten Glanzlichtern des heutigen DB Museums.
In den Jahren von 1891 und 1893 wurden die beiden Prunkwagen technisch modernisiert. Neben einer Gasbeleuchtung erhielten sie Westinghouse-Druckluftbremsen, der 14.024 mm lange Salonwagen zudem moderne Drehgestelle, die ein Durchfahren engerer Kurven ermöglichten. Der Hofzug war bis 1918 betriebsfähig. Bild: DB Museum/Klaus Mosch