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Um unseren Entjungferungsplan an jenem hochsommerlichen Samstag umzusetzen, mussten Hanna und ich noch Tante Ria schachmatt setzen. Aber wie? Sie hatte im zweiten Geschoss einen Balkon zum Hausgarten hin, auf dem sie nachmittags gerne residierte. Wenn ich Hanna vorne zur Haustür rein ließ, war sicherzustellen, dass Tante Ria schön hinten auf ihrem Balkon sitzen blieb. Hanna und ich mussten uns also auf die Minute abstimmen und ständig auf unsere klobigen Armbanduhren schauen. Übrigens waren Armbanduhren eine luxuriöse Ausnahme. Hanna kam mit der Straßenbahn; die hielt am Prüfling, da war Endstation. Von dort hatte sie nur zwei Minuten bis zur Obernhainerstraße 7.

Gottseidank besaßen meine Eltern – wohl eher aus beruflichen als aus privaten Gründen – eine Luxustech- nik. Das war ein marmorweißer Telefonapparat mit Ziffern-Wählscheibe und mit einer elegant geschwungenen Telefongabel, auf der dezent ein gleichfarbiger Tele- fonhörer ruhte. Dieses Telefon hatte seinen festen Platz im Flur und thronte auf dem extra beim Versandhaus Neckermann bestellten Telefontischlein, auf dem ein dunkelrot besticktes Unterlegdeckchen dem Apparate- tisch einen quasi-religiösen Charakter verlieh – ein ver- ehrenswerter Telefonschrein.

Nun also musste ich vorab telefonisch mit Hanna besprechen, wann genau ich die Haustür offen stehen lassen musste, damit sie unbemerkt über den Flur zur Kellertür und hinunter in mein Souterrain-Zimmer gelangen konnte. Im Garten hatte ich aus Ablenkungsgründen eine große Wanne aufgestellt und einen Wasserschlauch hineingelegt. Wasser war teuer. Geld war knapp. Wasservergeudung war eine schlimme Sache. Das war mein Köder.

Ich hantierte extra laut singend im Garten herum, bis sich Tantchen gestört fühlte und schimpfend an die Balkonbrüstung trat. „Kannst du nicht einmal ein biss- chen leiser sein. Es ist Mittagsruhe! Kaum sind deine Eltern aus dem Haus, wird es hier unerträglich laut!“

„Ach, Tante Ria“, sagte ich, „Gut, dass du gerade auf deinem Balkon bist. Ich möchte dich bitten, einen Augenblick auf das Wasser hinunterzuschauen, damit es nicht überläuft. Ich muss noch etwas im Keller suchen. Wenn ich es nicht rechtzeitig schaffe, rufe einfach durch den Treppenflur. Dann stelle ich das Wasser ab.“

Der Plan klappte. Die neugierige Tante war ausge- trickst. Heute war aus einem weiteren Grund ein idealer Tag für unser Vorhaben. Es gab noch eine andere Miet- partei im Haus, nämlich im Erdgeschoss, weil meine Eltern die aufgenommene Hypothek auf das nur zur Hälfte geerbte Haus nicht alleine stemmen konnten, um Mutters Schwester, Tante Anneliese, auszubezahlen. Die Mieter waren Herr und Frau Winkelmann, Geschäftsleute, die einen teuren Möbelladen am Römerberg be- trieben. Die attraktive Frau Winkelmann war vierzig Jahre alt und konnte ziemlich laut in ihrem Schlafzim- mer, das genau über meinem Souterrain-Jugendzimmer lag, stöhnen. Das war für mich Erotik pur. Geiles Kopfkino. Und Hanna lernte, wie ich mitbekam, auch sehr schnell von ihr. Die Winkelmanns waren an jenem Samstag auf Einkaufstour in Italien, wo sie teilweise ihre exquisiten Möbel anfertigen ließen. Bis auf Tante Ria hatten wir also tatsächlich absolut freie Fahrt.

Nun war Hanna endlich unbemerkt in meinem Zimmer angekommen. Jetzt musste ich nur noch si- cherstellen, dass Tante Ria nicht ausgerechnet heute ihren Waschtag hatte, denn die Waschküche war genau neben meinem Souterrainzimmer. Und falls Hanna oder ich im Laufe unseres sexuellen Startups zu laut werden würden, na ja, dann wäre unser ganzer Aufwand um- sonst gewesen. Also stapfte ich die Treppe hoch und klingelte.

„Tante Ria, ich wollte jetzt Wäsche waschen; aber falls du heute …“

„Nein, nein“, unterbrach sie mich, „heute ist mein freier Tag!“

„Das hast du auch verdient“, sagte ich. Aber bei mir dachte ich, dass sie eine ganz schön faule Sau sei, denn sie ging weder arbeiten, noch half sie meiner Mut- ter beim Reinigen des Hausflures, der Treppen, des Vorhofes oder bei der Pflege des Gartens. Doch ich verbarg meine unschicklichen Gedanken hinter einem freundlichen Lächeln. Und tatsächlich war ich auch erleichtert.

Sexy Zeiten - 1968 etc.

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