Читать книгу Sexy Zeiten - 1968 etc. - Stefan Koenig - Страница 9

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Endlich war heute sturmfrei. Das heißt, da gab es noch eine Tante Ria im Haus. Meine Mutter hatte die Stadtvilla von ihren Eltern geerbt, ein Teil dieser Erbschaft bestand in Tante Ria, die weder eine richtige Tante noch sonst irgendwie angenehm war. Sie hörte, sah und roch alles. Und sie hatte mir seit unserem Einzug in das Haus 1962 noch niemals eine Aufmerksamkeit, nicht einmal ein Bonbon als Geschenk gemacht. Als wir in das Bornheimer Haus einzogen, ich war gerade zwölf geworden, litt ich unter der mangelnden Aufmerksamkeit dieser Nenntante arg. Schließlich hatte ich in unserem bisherigen Preungesheimer Wohnblock, in der Nähe des Frankfurter Knastes, gleich gegenüber der amerikanischen Kaserne, eine liebe, dicke und gut riechende „Oma“ als Nachbarin gehabt, die mir wöchentlich ein Stück Schokolade oder Bonbons zusteckte. Das war in den Zeiten meiner Kindheit, zwischen 1950 bis zu unse-rem Auszug 1962, wahrer Luxus.

Daher kam in meiner Kindheit und frühen Jugend wohl auch die herzliche Verbundenheit zur amerikani-schen Besatzungsmacht, denn die Soldaten machten sich eine Gaudi daraus, uns Kindern, die wir vor dem hohen Stacheldrahtzaun der Kaserne spielten, Kaugum­mis und Lutscher zuzuwerfen. Wir prügelten uns darum. Nach der Rauferei zeigten sie auf einzelne von uns, die nichts abbekommen hatten, und warfen ihnen auch etwas zu.

Das war wohl Besatzungsgerechtigkeit. Niedergeschrieben schon in der Bill of Rights, damals, vor langer Zeit, 1789. Doch über Geschichte machten wir uns in jenen jungen Jahren keine Gedanken. Schließlich hatte die Geschichte gerade erst mit uns Nachgeborenen begonnen. Der Krieg war wie der Einschlag eines Kometen, der die Dinosaurier ausgelöscht hatte. Der Krieg war für mich eine Ewigkeit her. Ich war schließlich ganze fünf Jahre nach seinem Ende geboren. Der Krieg war eine totgeschwiegene, aber unleugbare Vergangenheit, die in meinen jugendlichen Augen vor urig langer Zeit für immer vergangen war. Brennend interessierte uns die Gegenwart – und das andere Geschlecht.

Sexy Zeiten - 1968 etc.

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