Читать книгу Sexy Zeiten - 1968 etc. - Stefan Koenig - Страница 13

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Hin und wieder sahen wir bei Freunden, die mit dem neuesten großformatigen Fernsehmodell ihrer Eltern prahlten, ausschnittweise jenes Leben, das aus Amerika zu uns herüberschwappte. Niedlich fand ich den bekanntesten Delfin der Fernsehgeschichte. Im ZDF meisterte „Flipper“ in der gleichnamigen US-Serie gemeinsam mit Küstenwächter Porter Ricks die gewagtesten Abenteuer. Dabei halfen an Floridas Küste die beiden Söhne von Ricks, Sandy und Bud. Gemeinsam brachte das Quartett so manchen Gangster hinter Schloss und Riegel. Und Flipper war einfach immer spitze.

Da gab es noch lange keine Baywatch-Boys und keine Pamela Anderson, denn die wurde erst ein Jahr später geboren. Die Rettungsschwimmer von Malibu kamen dann schließlich 1989 in Kalifornien zum Einsatz und ins TV. Dazwischen lag eine rasante Fernsehgeschichte; zugleich eine Geschichte des großen Rückzugs ins Private, eine Entwicklung der schleichenden Entpolitisierung und des Bildungsabbaus im Rahmen der Öffentlich-Rechtlichen – und überhaupt. Aber eilen wir der Zeit nicht voraus.

Unser „Marken-Fernseher“ von Grundig war Baujahr 1965 und in einem Nussbaum-Fernsehschrank mit zwei Flügeltüren versteckt. Das passte so leidlich zu der antiquierten Chippendale-Einrichtung, die meine Mutter von ihren Eltern geerbt hatte. Meine Großeltern mütterlicher- wie väterlicherseits habe ich nie kennen gelernt. Lediglich Vaters Mutter ist mir noch in Erinnerung, da sie mich einmal zu Hause am Krankenbett besuchte. Da lag ich mit einer dicken Bronchitis und Fieber im Bett. Und es musste mir wohl sehr schlecht gegangen sein, denn Oma hatte unsere Wohnung weder vorher noch danach jemals betreten.

Das lag an ihrer „grenzenlosen Eifersucht“, wie mir Mutter in späteren Jahren einmal erklärte. Mein Vater war alleine mit ihr aufgewachsen, Opa früh verstorben. Meine Oma hatte sehr geweint, als ihr einziger Sohn Otto eine andere Frau kennen lernte, liebte und heiratete. Opa war Goldschmied gewesen. Aber woher sein Vater kam und wer Uropa war, das hatte mir mein Vater aus unerklärlichem Grund nie erzählt. „Wir sind hugenottischer Abstammung und unsere Kirche ist die lutherisch-reformierte Gemeinde im Günthersburg-Park.“ Das war im Grunde genommen seine ganze Familiengeschichte, die er erzählen mochte.

In diese schlichte Kirche, die sich sanft und unaufdringlich in den angrenzenden Park eingliederte, ging mein Vater jeden Sonntag zum Gottesdienst. Und bis zur Konfirmation war ich immer mit dabei gewesen. Dieses calvinistische Gotteshaus gefiel mir wesentlich besser als die goldüberladenen Kirchen der Katholiken. Hier bei den Reformierten strotzte es vor Einfachheit, vor gottesfürchtiger Bescheidenheit. Kein Bild. Kein Prunk. Nur ein steinerner, tuchbedeckter Altar, hinter dem ein schlichtes Kreuz ohne Jesus hing. Auf dem Altar lag die Bibel. Dann war da noch die Kanzel zum Predigen. Das war’s schon. Und weil man nicht abgelenkt wurde, hörte man mehr auf die Predigt als in all jenen Gotteshäusern, die ich auch kennen lernen durfte und wo mein Blick stets von einem schön-schrecklich-bunten Ereignisbild zum anderen wanderte.

Viele Gemeindemitglieder waren Hugenotten, wie auch der Pfarrer, der Niederländer war und mit seinem amüsanten Dialekt den Predigten eine besondere Note verlieh. Er war ein sehr sensibler Mensch. Ich mochte ihn. Er sprach in seinen Predigten auch von dem großen Unheil, das die amerikanischen Langstreckenbomber in dem kleinen, unterentwickelten Vietnam anrichteten. Er betete für Vietnam. Später, es muss 1969 gewesen sein, erfuhr ich von seinem Suizid. Ich habe immer die Vermutung gehabt, dass dieser feine Mann mit der schamlos brutalen Welt nicht ins Reine kam. Später sollte ich noch viele Kirchenmitglieder kennen lernen, die mit mir Seite an Seite gegen die Ungerechtigkeiten und Kriege dieser Welt auf die Straße gingen. Was aber die Geschichte der Hugenotten, den grausamen Kampf zwischen Christen und Christen betraf, legte ich damals wenig Interesse an den Tag.

Sexy Zeiten - 1968 etc.

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