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Fliegende Backsteine

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Ich hatte großes Glück mit meinen Eltern. Sie ließen mich mehrheitlich machen, was ich wollte, und sie trauten mir auch einiges zu. Keine Frage: Verglichen mit meinen lebhaften Kameraden war ich mit Sicherheit das turbulenteste, unruhigste und aktivste Kind von allen.

Einige meiner «Aktionen» gingen weit über die bekannten Bubenstreiche hinaus: Einmal besuchte ich mit Freunden eine Baustelle in unserer Straße. Dort entstand gerade ein Zweifamilienhaus. Der erste Stock war bereits fertiggestellt und wir gelangten ungehindert in das Gebäude. Ein Berg nigelnagelneuer Backsteine lag vor uns wie auf dem Präsentierteller. Wer die Initialzündung hatte, einen Backstein in die Hand zu nehmen und diesen aus dem oberen Stock zu werfen, weiß ich nicht mehr so genau. Doch nach dem ersten Steinwurf ergab sich eine unheilige Dynamik bei jedem Einzelnen von uns. Nach einer halben Stunde lagen auch die Steine aus den oberen Stockwerken zertrümmert im Garten. Das Resultat dieser Aktion war nicht nur ein Schaden von mehreren tausend Franken. Es folgten Tage, in denen die Arbeiten am Haus stillgelegt werden mussten, weil das nötige Baumaterial fehlte.

Unser abwegiges Abenteuer hätte in anderen Familien eine regelrechte Krise ausgelöst. Ich war voller Schuldgefühle und beichtete meinem Vater die schlimme Tat bereits am Abend. Ich machte mir große Sorgen, dass meine Zerstörungswut den Traum meiner Eltern vom Eigenheim begraben würde. Es war ein intensives Gefühl, das ich selbst heute noch genauso wahrnehme wie damals. Mein Vater hegte jedoch keinen Groll gegen mich. Er schimpfte nicht mal und Sanktionen blieben ebenso aus. Der Schaden wurde glücklicherweise durch die Versicherung der jeweiligen Eltern abgedeckt.

Mir zeigt das damalige Echo meiner Eltern noch heute eines ganz klar auf: Sie spürten, dass ihr Junge anders war als die anderen, und reagierten entsprechend verständnisvoll und mit Bedacht auf mein doch sehr eigenes Wesen. Dieses Verständnis war geprägt von ihrer großen Liebe zum eigenen Sohn, und das änderte sich selbst dann nicht, wenn mal etwas gehörig schieflief mit mir.

Nach dem kostspieligen Unfug kam es nie wieder zu einer ähnlich unbedachten Aktion. Ich war eingebettet in ein soziales Umfeld, das mich so akzeptierte, wie ich war, und das mir zu jeder Zeit das Gefühl von Sicherheit und Freiheit vermittelte. Ich entwickelte mich gut und niemand aus meinem Verwandten- oder Bekanntenkreis wäre jemals auf die Idee gekommen, mich bei einem Psychologen oder Neurologen auf etwelche Sonderbarkeiten abklären zu lassen.

Warum zum Teufel Ritalin?

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