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Trügerische Wahrnehmung

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Was wir über andere und auch über uns selbst denken, hängt von unserer Wahrnehmung ab. Die lässt sich allerdings allzu leicht täuschen, wie beispielsweise ein Test der ARD-Reihe »Markencheck« eindrucksvoll beweisen konnte: Läufer, die angeblich Markensportkleidung trugen, fühlten sich darin schnell und sportlich – ganz anders ging es ihnen, als sie in No-name-Produkten steckten. Der Clou dabei: Sie trugen immer dieselben Hemden – mal mit, mal ohne aufgenähte Markenstreifen. Das Vorurteil »Markenkleidung ist gut« und »Standardkleidung ist schlecht« führt also dazu, dass sich Sportler besser und sportlicher fühlen, wenn sie glauben, die »echte« Markenkleidung zu tragen. Negative Vorurteile funktionieren übrigens genauso.

Es gibt einige Wahrnehmungsfehler, die uns besonders häufig in die Irre führen und vor denen niemand vollends gefeit ist:

Halo-Effekt: Der Begriff leitet sich vom englischen Wort halo für Heiligenschein ab und meint das Phänomen, dass ein dominantes Merkmal eine Person in ihrer Gesamtheit überstrahlt und obendrein dazu führt, dass von diesem Merkmal auf unbekannte (und womöglich gar nicht vorhandene) Eigenschaften geschlossen wird. Einem Menschen, der stottert, wird gerne unterstellt, er sei weniger klug, obwohl das eine absolut nichts mit dem anderen zu tun hat. Wer einmal in einer beruflichen Gesprächsrunde einen völlig unpassenden Beitrag geleistet hat, wird von nun an für begriffsstutzig gehalten. Und andersherum: Wer attraktiv und sympathisch auftritt, dem attestieren wir Intelligenz und womöglich auch noch eine hohe Glaubwürdigkeit. Das gewinnende Auftreten dieses Menschen macht ihn natürlich noch lange nicht intelligent, doch überstrahlt die eine Eigenschaft andere Merkmale und führt zur Zuschreibung weiterer positiver Merkmale. Die Menschen in seiner Umgebung sind von einer hervorstechenden Eigenschaft geblendet.

Logischer Fehler: Ähnliche Auswirkungen hat der logische Fehler. Hier wird die Wahrnehmung dadurch getrübt, dass in unserer Vorstellung bestimmte Eigenschaften immer zusammen auftreten: Wer gutmütig ist, ist auch tolerant; wer groß ist, ist durchsetzungsfähig usw.

Projektionen: Auch sie können zu größeren Verzerrungen der Wahrnehmungen führen. In diesen Fällen werden eigene Interessen, Erwartungen, Bedürfnisse, Hoffnungen, Annahmen, Befürchtungen und Probleme auf eine andere Person übertragen. Projektionen führen zum Beispiel in Vorstellungsgesprächen dazu, dass ein Bewerber günstiger beurteilt wird, wenn der künftige Vorgesetzte glaubt, dass der Bewerber ihm ähnelt.

Verallgemeinerungen: Wahrnehmungsfehler treten auch durch Verallgemeinerungen auf, die sich beispielsweise in unserer Sprache durch den Gebrauch von Worten wie »immer, alle, nie« usw. zeigen: »Der kommt immer zu spät.« – »Alle Politiker lügen.« – »Nie machst du das so, wie ich es möchte.« Durch solche Verallgemeinerungen manifestieren sich bestehende Vorurteile und Fehleinschätzungen.

Wahrnehmungsfehler dieser Art sind häufig die Ursache dafür, dass Menschen einen Stempel aufgedrückt bekommen, den sie dann nicht mehr loswerden: »Das ist doch der, der …« Es gehört daher zum diplomatischen Handeln, sich so wenig wie möglich von Vorurteilen leiten zu lassen. Was einfach klingt, ist in der Praxis durchaus schwierig. Ein praktikabler Weg besteht darin, zunächst die eigenen Gewohnheiten sowie Denk- und Handlungsmuster, die zusammen eine Art Vorstufe von Vorurteilen bilden, bewusst zu erkennen und schließlich zu durchbrechen.

Mit Diplomatie zum Ziel

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