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3. Die Exegese in der Klausur

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Am Anfang steht die genaue Erfassung des zu behandelnden Textes. Das ist nicht mit einem einmaligen Durchlesen getan. Es empfiehlt sich (wie auch in anderen Klausuren), einen separaten Notizzettel anzulegen, in dem alle spontanen Einfälle aufgeschrieben werden. Später sollte man sich vergewissern, ob alle wichtigen Einfälle abgearbeitet wurden. Empfohlen wird die Anfertigung einer Gliederung, nachdem man sich überlegt hat, was zu der Aufgabe gesagt werden kann und bevor man mit der Niederschrift beginnt. Dadurch erhalten die Ausführungen Struktur und man verliert sich nicht so leicht in Nebensächlichkeiten, die Zeit kosten.

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Üblicherweise leitet man eine Exegese ein mit der Wiedergabe des auszulegenden Textes in eigenen Worten, es sei denn, der Aufgabensteller verzichtet darauf. Es empfiehlt sich in jedem Fall, kurz (einleitend) zu sagen, worum es in dem Text geht.

Bei fremdsprachlichen Texten, wozu auch Mittelhoch- oder Mittelniederdeutsch (Sachsenspiegel!) gehören, ist eine Übersetzung geboten. Abgekürzte Zitate sind aufzulösen und in die modern gebräuchliche Form zu bringen. Bei jeder Übersetzung können sich Schwierigkeiten ergeben, weil sie selbst genau genommen schon Teil der Auslegung ist. Zuweilen muss man Begriffe unübersetzt lassen und das Übersetzungsproblem im auslegenden Hauptteil erörtern. Wenn eine Übersetzung schon im Aufgabentext vorgegeben ist, erübrigt sich dieser Schritt grundsätzlich.

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Die dann folgende Auslegungsarbeit im engeren Sinne beginnt mit Angaben über den Verfasser (einschließlich bekannter biographischer Daten) sowie einer Einordnung des Textes. Hier ist Wissen gefragt. Dem historischen Umfeld ist gebührender Platz zu geben.

Es kann sich um eine schriftliche Rechtsnorm handeln: ein selbst nicht unproblematischer, weil an den Grenzen unscharfer Begriff, zumal auch ein Urteil oder eine literarische Äußerung Rechtsnorm werden kann. Oder es handelt sich um eine private oder halbamtliche Aufzeichnung einer Rechtsnorm, um eine gerichtliche Entscheidung, eine sonstige Urkunde, einen rechtswissenschaftlichen Text oder anderes.

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Insbesondere bei der Digestenexegese gibt es zwei Ebenen von Verfasser und Werk – hier werden oft Fehler gemacht. In den Digesten sind Fragmente von Texten römischer Juristen gesammelt – insofern ist die Sammlung ein Werk Justinians (Rn. 216 ff), was jedoch nicht so wichtig ist, wie das Folgende. Am Anfang jedes konkreten Textes steht die sog. Inskription, in der gesagt wird, von welchem einzelnen Juristen und aus welchem seiner Werke dieses Fragment stammt. Deshalb ist knapp auf Leben und Werk eben dieses Verfassers einzugehen. „Idem“ ist übrigens kein Jurist, sondern heißt schlicht „derselbe“, d.h. der, von dem schon das vorhergehende Fragment stammt. Es ist also die Reihe der „Idems“ zurück zu gehen, bis man einen namentlich genannten Juristen findet, der gemeint ist.

Das Wichtigste ist auch hier die eigentliche Erklärung der Textstelle. Insofern unterscheidet sich die Digestenexegese nicht prinzipiell von der Exegese eines anderen historischen Textes; sie ist allerdings juristisch spezifischer, d.h. meist dogmatischer.

Seltener gibt es eine Stelle aus dem Codex. Die darin gesammelten Konstitutionen oder Entscheidungen nennen meist das Jahr und die Namen der verantwortlichen Kaiser. Zu vernachlässigen ist in der Regel die Person des Adressaten.

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Auch die Exegese zur kirchlichen Rechtsgeschichte folgt grundsätzlich der gleichen Methode wie die zur römischen oder deutschen Rechtsgeschichte. Natürlich sind immer die Eigenarten der Quellen zu beachten; meist wird es das Corpus Iuris Canonici sein, vor allem sein erster Teil, das Decretum Gratiani (Rn. 361 ff).

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Im Anschluss an die Bemerkungen zu Autor und Quelle, kommt es zur eigentlichen Auslegung, die auch im Umfang den Schwerpunkt der Arbeit bilden sollte. Das Bisherige dient der Einführung, ist aber auch zum Verständnis notwendig. Das Hauptziel ist es nun, die juristische Kernaussage des Textes zu finden und zu formulieren, nicht nur eine allgemeinhistorische Erzählung zu verfassen. Dabei ist jedoch der Zeithorizont der Quelle zu beachten.

Zunächst muss der genaue Sachverhalt festgehalten werden, dann die Rechtsfolgenseite des Textes. Dabei ist zu beachten, dass den mittelalterlichen Quellen vielfach eine klare Begrifflichkeit fehlt, wie sie die römischen Juristen bereits hatten. Auch war man im Mittelalter nicht so knapp in den Formulierungen, wie es die Römer waren.

Vorkommende Begriffe und Rechtsinstitute sind historisch/juristisch zu erklären, so wenn von einer „mancipatio“, der „Morgengabe“ oder „Gewere“ die Rede ist, oder wenn ein Text der kaiserlichen Kanzlei von den „Kurfürsten“ spricht. Diese allgemeineren Ausführungen kann man entweder vorab stellen oder in die Auslegung integrieren – letzteres ist wohl besser, weil man näher am Text arbeitet. Bitte hier keinesfalls einfach vorhandenes Wissen bzw. das auswendig Gelernte ungeordnet (ohne Bezug zur Aufgabe) niederschreiben. Dies geschieht oft, wenn man mit dem Text nichts anfangen kann und die Aufgabe verbiegt hin zu dem, was man weiß. Der Leser (Korrektor) merkt das aber.

Bei der Auslegung kann man sich folgende Fragen stellen: Was sagt der Verfasser? Warum sagt er es? Was spricht für und gegen eine bestimmte Haltung oder Begründung? Gibt es andere (mögliche/bekannte) Ansichten?

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Häufig wird die weitere rechtliche Entwicklung und/oder ein Vergleich mit dem geltenden Recht verlangt, was natürlich nur sinnvoll ist, wenn es heute Vergleichbares überhaupt noch gibt. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Man sollte es vermeiden, die Stellung des mittelalterlichen Königs mit heutigen Verfassungseinrichtungen zu vergleichen. Anderes gilt aber beispielsweise für das mittelalterliche Gericht mit Richter und Schöffen und dem Institut der Urteilsschelte. Die Frage, ob der kirchliche Richter privates Wissen verwerten darf, ist auch für heutige Gerichte aktuell. Ein Vergleich der römischen actio Publiciana mit den §§ 932 ff BGB ist aufschlussreich, dagegen sollte man Rechtssätze zum Status von Sklaven heute nicht suchen.

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