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8. Zur fünften Armee.

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Inhaltsverzeichnis

Der neue Begleiter, den mir General Moltke für die Fahrt in das Hauptquartier des Kronprinzen gegeben hatte, hieß Hans von Gwinner und war ein Sohn des großen Bank- und Bagdadbahndirektors in Berlin; lebhaft und energisch lenkte er selbst sein Automobil. Bald saß ich an seiner Seite, während der uns begleitende Soldat im Wagen Platz nahm.

In strömendem Regen ging es aus der Stadt hinaus. Der Weg war schlüpfrig, aber wir fuhren mit rasender Geschwindigkeit. Wir waren spät aufgebrochen und wollten noch vor Anbruch der Nacht ans Ziel kommen; sonst war man nicht sicher vor Franktireurs. Bei der fünften Armee hatte man neulich einen Trupp Franktireurs gefangen genommen und ohne Pardon erschossen.

Unser Weg führt nach Westen. Bei Redingen überschreiten wir die Grenze von Französisch-Lothringen. »Karabiner laden«, ruft der Leutnant hastig dem Soldaten zu. Ich sehe mich unwillkürlich um, vermag aber nichts Ungewöhnliches zu bemerken; es war auch nur eine Vorsichtsmaßregel, aber der Befehl klang eigentümlich, als ich ihn zum erstenmal hörte. Im ersten französischen Ort, Longlaville, sah man zahlreiche Spuren von deutschen Granaten, aber die Fabriken und ihre hohen Essen waren geschont. Auch in der Mitte und an den Seiten der Landstraße hatten die Granaten gewaltige Löcher gerissen, und so mancher Baum war von einem Kanonenschuß gefällt. Von einigen Häusern ist nicht viel mehr übrig als die Mauern; von andern hat ein Streifschuß nur das Dach weggerissen. Die Bahn an der Außenseite der Landstraße ist übel zugerichtet, und hier und da sind ihre Schienen wie Stahldraht aufgewickelt. Auf den Kirchtürmen ist oft das Dach abgedeckt, eine besondere Vorliebe der Franzosen, um offenen Spielraum für die Maschinengewehre und Beobachtungspunkte für die Offiziere zu schaffen, die die deutschen Artilleriestellungen und die Wirkung des französischen Feuers erkunden sollen.

»Wo geht der Weg nach Longwy?« fragt Gwinner. — »Geradeaus.« Die Antworten sind stets höflich, wenn auch die Wut im Herzen klopft. Eins der beiden detachierten Forts von Longwy bleibt rechts liegen, und bald darauf sind wir in der kleinen Fabrikstadt, die in einem Tal gelegen und rings von Höhen umgeben ist. Auf einer dieser Höhen liegt die Festung Longwy, die gleich zu Anfang des Kriegs nach äußerst heftiger Beschießung von den Deutschen mit Leichtigkeit eingenommen wurde. Tot und verlassen sah die Stadt keineswegs aus, denn ein großer Teil der Einwohner war zurückgekehrt, nachdem der Krieg weiter nach Westen vorgerückt war, und das Leben fing wieder an so gut wie es ging in seine alten Bahnen zurückzukehren.

Vor der Stadt standen die nackten, schwarzen Mauern eines ausgebrannten Hauses; aus seinen Fenstern hatte man auf deutsche Truppen geschossen, die deswegen nach Kriegssitte das Gebäude in Brand steckten. Überall, wohin man sich wendet, Spuren des Kriegs: auf den Äckern und an den Grabenrändern fortgeworfene französische Tornister und Uniformstücke; im Straßengraben ein umgestürztes Automobil, rücksichtslos beiseite geschoben, um nicht den Verkehr zu stören; ein Stück weiter ein Motorlastwagen. Hier Trümmer von Gewehren und Munitionswagen, dort halbmondförmige Wälle zum Schutz für Feldkanonen. Ein Grab mit Holzkreuz, dann wieder eins — eine ganze Reihe von Gräbern — Soldatengräber! In der Mitte der Straße ein paar mit Regenwasser gefüllte Granatlöcher; sie können gefährlich werden, wenn man sie in der Schnelligkeit für seichte Pfützen hält; aber Gwinner kennt diese Straße schon. Rechts und links vom Wege tiefe, schmale Schützengräben mit kleinen Wällen als Brustwehr und Gewehrstütze. Die Soldaten sind jetzt fort, und stumm liegen diese Äcker, auf denen vor einem Monat 300000 Mann gekämpft haben! Auf manchem Feld wurde die Ernte von deutschen Truppen geborgen. An den Grabenrändern, in Wäldchen und Gebüschen sieht man niedrige, aus Zweigen und Ästen gebaute Hütten, in denen die französischen Soldaten vor Regen und Kälte Schutz suchten. Die deutsche Infanterie dagegen hat Zelte, und jeder Soldat trägt auf seinem Tornister eine Zeltbahn.

Unser Weg führt durch ein Stück Wald. Die Franzosen wissen ihre Stellungen in waldigem Gelände sehr geschickt zu halten. Sie verstecken Maschinengewehre in den Baumkronen. Von Flüssen durchzogene Täler und Waldgegenden betrachten daher die Deutschen als schwer zu erobern. Auf offenerem Gelände wie im mittleren und südlichen Frankreich läßt sich leichter im Sturm vorgehen.

Die Hauptstraße von Longwy sieht trostlos aus. Eine lange Strecke weit kein Haus mehr, nur Ruinen, Schutthaufen, nackte Mauern mit gähnenden Fensteröffnungen. Nur an den Brücken schultern deutsche Wachtposten ihr Gewehr, sonst kein Mensch! Die Stadt Noërs ist niedergebrannt und ihr Kirchturm zusammengeschossen, da ein Maschinengewehr von dem Platz aus gesungen hat, wo sonst die Glocken zum Abendgebet rufen. Aber nirgends Leichen, keine gefallenen Soldaten, keine toten Pferde; alle sind von den Deutschen begraben worden, damit sie nicht die Luft verpesten und Seuchen hervorrufen. Doch an die Heimsuchungen des Krieges erinnert noch genug. Längs einer Hecke eine Reihe Strohhütten, weiterhin umgeworfene Wagen, mit denen die Franzosen versuchten, die vortreffliche, zu beiden Seiten mit Bäumen bepflanzte Chaussee zu sperren. Nebenher läuft die Telegraphenlinie, die von den Verteidigern zerstört, dann aber wieder von deutschen Telegraphenarbeitern instand gesetzt wurde. —

In Marville wird der Verkehr lebhafter. Gleich neben der Straße auf einem Felde hat eine Proviantkolonne ihre mit bogenförmigen Zeltdächern versehenen Wagen im Viereck aufgestellt. Sie rasten, und die Leute haben ihre Lagerfeuer für die Nacht angezündet. Um die Wagenburg stehen Wachtposten.

Eine Strecke weiter hat wieder eine Proviantkolonne von einfacheren Wagen haltgemacht. Sie dürfen des Verkehrs wegen nicht auf der Straße halten; auch ist es leichter, eine gesammelte Kolonne zu bewachen und wenn nötig zu verteidigen. Hier überholen wir einen Motoromnibus mit Feldpost für die fünfte Armee; er donnert mit gewaltigem Lärm auf der harten Chaussee einher. Nun wird die Straße wieder von einer Proviantkolonne eingeengt, die noch in Bewegung ist. Da müssen wir langsamer fahren, damit die Pferde der eskortierenden Reiter nicht scheu werden und mit dem Auto zusammenstoßen. —

Schon haben wir Montmédy erreicht, dessen kleine Festung sich ergeben hat, ehe sie beschossen wurde. Bevor aber die Besatzung abzog, sprengte sie den Eisenbahntunnel, der durch den Berg führt. Die Deutschen gingen deshalb sofort daran, eine neue Eisenbahn um den Berg herum zu legen; mit diesem Bau waren französische Gefangene noch beschäftigt. Ein wunderlicher Anblick, diese Soldaten in ihren blauen und roten Uniformen arbeiten zu sehen, bewacht von deutschen Soldaten in feldgrauer Uniform und mit geschultertem Gewehr.

Gegen Abend klärt sich das Wetter auf, und die Sonne geht rot unter wie eine glühende Kugel. Ihre letzten Strahlen treffen einen Transport französischer Gefangener, die müde und gebeugt nach Montmédy wandern, bewacht von deutschen Soldaten.

Nun wird vor uns das Maastal sichtbar und die kleine Stadt Stenay.

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