Читать книгу Ein Volk in Waffen - Sven Anders Hedin - Страница 12

9. Beim Kronprinzen.

Оглавление

Inhaltsverzeichnis

Wir halten vor dem Haus des Armeeoberkommandos. Hier traf ich einen meiner Freunde aus dem Großen Hauptquartier, den Landrat und Reichstagsabgeordneten Freiherrn von Maltzahn, der zu den persönlichen Freunden des Kronprinzen gehört. Er teilte mir mit, daß ich erwartet werde und mich beeilen müsse, um bis zum Abendessen um acht Uhr fertig zu sein. Wir fuhren also bis zu dem kleinen französischen Schloß, wo der Kronprinz Quartier genommen hatte.

Militärisch uniformierte Lakaien nahmen meine Bagage in Empfang und führten mich in mein Zimmer im ersten Stock, neben den Privatgemächern des Kronprinzen. Bald darauf klopfte der diensthabende Hofmarschall Kammerherr von Behr, ein freundlicher junger Mann von feinem und ansprechendem Aussehen, an meine Tür, um mich zum Abendessen zu holen. Wir gingen durch das obere Vestibül auf die Treppe hinaus und wurden von deren Absatz aus Zeuge einer schönen Zeremonie: Im Hausflur stand eine Anzahl Offiziere in einer Reihe, ihnen gegenüber etwa zwanzig Soldaten. Dann erschien der Kronprinz, groß, schlank, aufrecht, in weißem Waffenrock mit dem Eisernen Kreuz erster und zweiter Klasse und trat sichern Schrittes zwischen beide Reihen. Ein Herr des Gefolges trug ihm eine Schachtel mit Eisernen Kreuzen nach. Der Kronprinz nahm eins und überreichte es dem nächsten Offizier, dankte ihm für die Dienste, die er Kaiser und Reich geleistet habe, und gratulierte mit kräftigem Handschlag dem neu ernannten Ritter. Nachdem die Offiziere ihre Orden für bewiesene Tapferkeit erhalten hatten, kam die Reihe an die Soldaten; das Zeremoniell war dabei dasselbe wie bei den Offizieren.

Nachdem die Ritter des Eisernen Kreuzes fort waren, gingen wir ins Vestibül hinab. Hier kam mir der Kronprinz entgegen und hieß mich in seinem Quartier und auf dem Kriegsschauplatz herzlich willkommen. Bei dem Essen waren folgende Herren zugegen: der Chef des Stabs der fünften Armee, Exzellenz Generalleutnant Schmidt von Knobelsdorf, Kammerherr von Behr, Generaloberarzt Professor Widenmann, die Majore von der Planitz, Müller und Heymann, Leutnant von Zobeltitz und einige Mitglieder des Stabs, die von der Arbeit im Felde später zurückkehrten und am Ende des Tisches Platz nahmen.

Was man beim deutschen Kronprinzen ißt? Nun, hier ist der Speisezettel: Kohlsuppe, Pfefferfleisch mit Kartoffeln, Entenbraten mit Salat, Früchte, Wein, Kaffee und Zigarren. Und wovon spricht man an seinem Tisch? Nun, das ist kaum möglich zu erzählen, denn wir bewegten uns so gut wie über die ganze Erde. Der Kronprinz begann, wie der Kaiser, mit Tibet, und von da aus hatten wir ja bloß einen Katzensprung über den Himalaja bis zu den Palmen im Hugli-Delta, zu den Pagoden in Benares, zum silbernen Mond über dem Tadsch-Mahal, den Tigern in den Dschungeln und dem kristallklaren Widerhall der indischen Wogen an den Klippen von Malabar Point bei Bombay. Wir sprachen von alten, unvergeßlichen Erinnerungen, von gemeinsamen Freunden, die zu Feinden geworden. Und wir sprachen vom Krieg und seinen Greueln und von den furchtbaren Opfern, die er fordert. »Das hilft nichts,« sagte der Kronprinz, »das Vaterland fordert alles von uns, und wir wollen, wir müssen siegen, wenn auch die ganze Welt gegen uns zu Felde zieht.« —

»Ist es nicht wunderlich, daß hier eine so große Ruhe herrscht? Wir leben ja heute abend wie im tiefsten Frieden, und doch haben wir bloß ein paar Stunden Wegs bis zu den Feuerlinien!« sagt mein erlauchter Wirt, nachdem er einen kurzen, präzisen und befriedigenden Rapport angehört hat, den ein eingetretener Offizier mit lauter Stimme vortrug.

»Ja, Kaiserliche Hoheit, ich hatte mir das Oberkommando einer Armee wie einen summenden Bienenkorb vorgestellt und finde nun in Wirklichkeit nicht einen Schimmer von Unruhe oder Nervosität, überall nur Ruhe und Sicherheit. Was ich aber am liebsten sehen möchte, das wäre eine Schlacht, denn ich vermute, daß ich mir ebenso wie die meisten andern Laien eine ganz falsche Vorstellung davon mache.«

Der Kronprinz lächelt und antwortet: »Ja, Schlachtenmaler wie Neuville und Detaille haben in unsern Tagen wenig Gelegenheit, ihre Kunst anzuwenden. Von den Kämpfenden sieht man nicht viel, da sie sich im Gelände und in den Schützengräben verborgen halten, und es ist gefährlich, einem Bajonettangriff zu nahe zu kommen, wenn man nicht dienstlich dort zu tun hat. Im großen und ganzen wächst der Abstand zwischen den Kämpfenden mit der Vervollkommnung der Feuerwaffen. Wer die beste Artillerie hat, hat die beste Aussicht, zu siegen. Für uns ist die feldgraue Uniform ein großer Vorteil, wir verschwinden im Gelände, während die grellfarbigen Uniformen der Franzosen auf weite Entfernung hin sichtbar sind. Eine Schlacht zu sehen ist fast unmöglich, nicht einmal der Heerführer, der sie leitet, sieht viel davon. Seine Leitung geschieht durch Rapporte, Ordonnanzen und Telephon. Als Zuschauer auf einer Anhöhe in der Nähe Aufstellung zu nehmen ist nicht anzuraten. Man kann da ziemlich sicher sein, daß man für einen Beobachter gehalten wird, der das Artilleriefeuer leitet und deshalb das Ziel der feindlichen Schrapnells ist. Sie werden jedoch bei Ihrem Besuch hier Gelegenheit bekommen, so viel zu sehen, wie überhaupt gesehen werden kann.«

Wie die Stimmung beim Kronprinzen von Deutschland war! Fröhlich, jugendfrisch und ungezwungen. Man merkte nichts von höfischer Steifheit, sogar der General, der sonst die strengste Disziplin aufrechterhielt, war von dem herrschenden kameradschaftlichen Geiste angesteckt. Eine Folge der gewaltigen Arbeitslast, die auf ihm ruhte, war jedoch, daß er für gewöhnlich später als die andern zu Tisch kam. Das Abendessen und das Zusammensein nachher zog sich bis gegen 11 Uhr hin. Das waren die einzigen Stunden, wo man sich in Ruhe traf, denn tagsüber waren alle bei ihren Arbeiten, und der Kronprinz übernahm dann an den dazu geeigneten Orten an der Front die Oberleitung.

Ein Volk in Waffen

Подняться наверх