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Kapitel 3 Badyn

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Das Luftschiff Eule glitt mit der Lautlosigkeit seiner Namensvetterin über die Wälder hinweg. Nur einmal, als die Morgendämmerung einsetzte, drehten sich mit einem leisen Knistern die unzähligen kleinen Schuppen, die die beiden Kabinen und den Ballon bedeckten, in ihren filigranen Fassungen. Statt des matten Dunkelgraus, das das Luftschiff bei Nacht tarnen sollte, präsentierte es nun eine diffus blaugraue Oberfläche.

Badyn, die mit ihren Mitverschwörern in der hinteren Kabine saß, sah nichts davon, aber sie wusste um die Effizienz, mit der der komplizierte Mechanismus seine Arbeit verrichtete und empfand eine tiefe Befriedigung. Es gab niemanden, der den Zwergen das Wasser reichen konnte, wenn es um Technik ging. Noch.

Noch sonnten sie sich in ihrer Überlegenheit, aber so gerne die Zwerge es sich auch einredeten, waren die Menschen keine Narren. Sie mochten vielleicht nicht auf das Geschick, die Erfahrungen und den reichhaltigen Schatz wissenschaftlicher Erkenntnisse zurückgreifen können, die die zwergischen Erfinder und Ingenieure unvergleichlich machten, aber sie waren fest entschlossen, den Entwicklungsstand der Union einzuholen – oder sich ihm zumindest so weit anzunähern, dass sie sich mit Gewalt nehmen konnten, was sie wollten. Sie hatten ebenso wenig wie die Zwerge der Union vergessen, wie lange diese unter menschlicher Herrschaft gestanden hatten.

Und nun, wo die Elfen ihre freiwillige Isolation aufgaben und mit aller Macht die Magie, seit je her der Fluch der Union, zurückkehrte … Badyns Augenbrauen zogen sich grimmig zusammen. Sie hatte in den letzten Monaten an kaum etwas anderes gedacht. Die bloße Anwesenheit der anderen vier Passagiere bezeugte, wie ernst sie ihre Befürchtungen nahm.

Ihr Blick glitt zu Angrin hinüber. Der rothaarige Zwerg in seiner von altzwergischer Mode inspirierten Kleidung saß kerzengerade auf seinem Stuhl und dachte wohl gerade über seine nächste Ansprache nach. Rücksichtslos und geltungssüchtig wie er war, war der Politiker weit davon entfernt, Badyns Sympathie zu genießen. Die meisten seiner Ansichten hielt sie für ein groteskes Zerrbild ihrer eigenen Werte. Aber dennoch verfolgten sie dieselben Ziele. Und ohne Angrin würden sie sich kaum verwirklichen lassen.

Ein anderer ihrer Mitverschwörer schien bemerkt zu haben, wie sie Angrin musterte. Er stellte Blickkontakt her und grinste ihr hinter dem Rücken des Politikers zu, als teilten sie einen boshaften Scherz. Badyns Gesicht blieb ausdruckslos. Es widerstrebte ihr bereits, eine geräumige Luftschiffkabine mit dem kleinen, teuer gekleideten Zwerg zu teilen, dessen Verhalten ihr gegenüber stets zwischen betonter Geringschätzung und anbiedernder Vertraulichkeit schwankte.

Von all ihren Mitverschwörern achtete sie ihn am geringsten. Sie mochte Angrins politische Ideen für dumm und gefährlich halten, aber zumindest war er selbst davon überzeugt, ehrenwerte Ziele zu verfolgen. Bei dem Zwerg, der nun mit einem trotzigen Blick auf Badyns Zurückweisung reagierte, konnte davon nicht die Rede sein. Sie waren gerade dabei, eine neue Ära der kiarvanischen Geschichte einzuleiten und alles, woran er dachte, waren der Reichtum und die Macht, die er dadurch erringen würde. Wenn der Plan, dem Badyn widerstrebend zugestimmt hatte, erst in die nächste Phase eintrat, würden sie alle von dem Fabrikbesitzer abhängig sein. Badyn wäre dann die hochrangigste Offizierin der Union und Angrin – zumindest in seiner Vorstellung – eine Kombination aus Präsident und Priesterkönig. Eldrir würde den straff organisierten Verwaltungsapparat einer wirklich vereinigten Union unter sich haben. Und all das wäre nichts gegen die Macht, die der Fabrikbesitzer in Händen halten würde.

Was hatte sie nur dazu gebracht, diesem Irrsinn zuzustimmen? Ach ja: Die Angst um die Sicherheit der Union.

Und wenn diese es nicht erfordern würde, den Fabrikbesitzer bei Laune zu halten, hätte Badyn wahrscheinlich den Revolver aus ihrer Handtasche gezogen und ihm eine Kugel ins Knie gejagt. Mindestens. Offenbar schien er zu ahnen, was ihr durch den Kopf ging. „Du wirkst mürrisch, Badyn. Wieso? Unser Experiment war ein voller Erfolg. Und du siehst heute wirklich gut aus, beinahe feminin. Du solltest öfter Zivil tragen.“

Sie starrte ihn aus verengten Augen an. „Ich glaube, wir haben Wichtigeres zu besprechen als meine Garderobe. Zum Beispiel, was dich auf den Gedanken gebracht hatte, die … Waffe im Bergfalke zu testen.“

Er lehnte sich nur zurück und strich sich in einer affektierten Geste das Haar aus der Stirn. „Ich dachte, die bedauernswerten Passagiere hätten ohnehin auf deiner schwarzen Liste gestanden. Und wir mussten wissen, ob alles funktioniert. Zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Nein, drei. Wenn man die Zeitungen liest und sich auf den Straßen so umhört, war Angrins Propaganda ein voller Erfolg.“

Unter den stumpfsinnigen Trotteln vielleicht, die alles glauben, was die Zwerge als starke und edle Opfer heimtückischer Verschwörungen darstellt, dachte Badyn. „Nicht alle sind empfänglich dafür. Es ist zu offensichtlich, dass an den Gerüchten nichts dran ist. Was hätten die Elfen oder Menschen davon, ausgerechnet das Luftschiff zu sprengen, auf dem die wichtigsten Fürsprecher des Handelsabkommens, des Akademieaustauschs und des großen Vertrages saßen? Nebenbei bemerkt: Es waren Zwerge, die womöglich auf unsere Seite gewechselt wären und uns gute Dienste geleistet hätten. Es war zu früh.“

„Bist du es nicht, die sonst immer von Präventivschlägen redet?“, mischte sich Angrin ein, der ihr die Abwertung seiner Propaganda zu verübeln schien. „Sonst kann es dir nie schnell genug gehen. ‚Tötet sie alle, bevor sie uns erwischen‘ und so weiter.“

„Ja, aber das heißt nicht, dass wir alle Vorsicht außer Acht lassen dürfen. Wenn irgendjemand von unseren Plänen erfährt, sind wir tot und die Union international geächtet“, mischte sich der vierte Passagier mit ruhiger Stimme ein. Eldrir: ein freundlicher Regierungsbeamter in mittleren Jahren, dem es irgendwie gelang, die Besessenheit, die ihn antrieb, in ruhige, bedachte Handlungen zu kanalisieren. Er mochte ein organisatorisches Genie sein, aber im Moment bestand sein Hauptverdienst um ihre Verschwörung darin, das ungleiche Quartett zusammenzuhalten.

Er wandte sich an Badyn und wechselte das Thema. „Hast du eigentlich Nachricht aus Nordkrone erhalten?“

„Fragar ist tot und die Briefe sind sichergestellt.“ Innerlich schüttelte sie den Kopf. Sie hatte in den Magier- und Einigungskriegen gelernt, Opfer zu bringen, wenn der Sieg davon abhing. Das hieß jedoch nicht, dass sie diesen vermeidbaren Tod nicht bedauerte. Wenn Kargan sich bloß die Mühe gemacht hätte, selbst zu forschen … andererseits: waren nicht sie es gewesen, die darauf bestanden hatten, dass keine Sekunde vergeudet wurde? Und letztlich war Fragar eines Todes gestorben, um den ihn die ersten Opfer beneidet hätten.

Angst und Ekel ließen Badyns Kehle eng werden, als sie an diese sechsundzwanzig Zwerge dachte. Aber sie vermengten sich auch mit kribbelnder Erregung. Sie mochte den vorzeitigen Einsatz ihrer Waffe an Bord des Bergfalke zutiefst missbilligen, aber wenn der Fabrikbesitzer nicht übertrieben hatte, würde sie ihrer Sorgen um die Sicherheit der Union bald ledig sein. Wer würde es wagen, ein Land anzugreifen, das mit dieser Macht zurückschlagen konnte?

Als hätte es auf ihre Gedanken reagiert, ging das Eule über einem kahlen Hügel in Sinkflug. Einst hatte hier ein Wald aus uralten Baumriesen gestanden, aber mittlerweile waren sie alle an die unersättlichen Brennöfen der nahen Fabriken verfüttert worden. Ein Schienenstrang wand sich wie eine bronzeschimmernde Schlange durch die Landschaft und verschwand im Hügelinneren.

Das Luftschiff sank tiefer und wurde von den unten wartenden Zwergen vertäut, die ihnen jedoch alle den Rücken kehrten, bevor sie aussteigen konnten. Nur ein Zwerg blieb: Der Kutscher des Fabrikbesitzers, der geduldig wartete, bis alle vier Passagiere festen Boden unter den Füßen hatten und dann ehrerbietig auf eine von einem stämmigen Pony gezogene Lore auf den Schienen deutete. Sie stiegen ein und auf ein Zeichen des Fabrikbesitzers hin setzte sich das Gefährt in Bewegung.

Warme, nach Kohle, Chemikalien und heißem Metall riechende Luft blies ihnen die Haare aus den Gesichtern, als sie in den lampenerleuchteten Gang einfuhren.

Immer tiefer ging es hinab, vorbei an den Eingängen von dämmrigen Lagerkavernen oder Fabrikhallen, in denen sich riesige Räder und Kolben bewegten wie die Gliedmaßen stählerner Drachen. Arbeiter in Schutzanzügen huschten zwischen den Maschinen umher wie seltsame Insekten. Das geschmolzene Metall, das die Rinnen im Boden füllte, tauchte sie in rötliches Licht.

Alles war in Bewegung und das rhythmische Stampfen und Rattern, Zischen und Dröhnen sowie die Rufe tiefer Zwergenstimmen, die sich gelegentlich darüber erhoben, vermengten sich zu einem Lärm, der jeden klaren Gedanken erstickte.

Schließlich ließen sie die letzte Halle hinter sich und Kutscher und Gefährt zurück, um dem Fabrikbesitzer den schmalen Gang entlang zu folgen. Sie mussten ein wenig warten, während er die letzte gepanzerte Tür aufschloss, doch schließlich wies er mit triumphierender Geste in den Raum, in dem ihre beinahe vollendete Waffe auf sie wartete.

Sie alle hatten die Baupläne gesehen, aber niemand von ihnen hätte mit der schrecklichen Erhabenheit dessen gerechnet, was sie nun erblickten. Selbst der Fabrikbesitzer schien aufs Neue zu staunen.

Typischerweise war es Eldrir, der als Erster das Wort ergriff.

„Es sind nur zwölf.“

„Keine Sorge, Nummer dreizehn kehrt schon noch zurück.“

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