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B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines BetreuersIV. Der Amtsermittlungsgrundsatz › 2. Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG

2. Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG

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Im Rahmen der Amtsermittlung ist die Anhörung der Beteiligten eine wesentliche richterliche Erkenntnisquelle. Insbesondere dem Betroffenen ist rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG zu gewähren. Das vorbezeichnete Grundrecht dient in erster Linie dem Zweck, die Würde der Person, Art. 1 Abs. 1 GG, des von einem gerichtlichen Verfahren Betroffenen zu wahren, damit verhindert wird, dass hinter dem Rücken oder über den Kopf eines Betroffenen hinweg im Wege eines kurzen Prozesses von staatlicher Seite etwas verfügt wird. Das BVerfG folgerte aus Art. 103 Abs. 1 GG die Verpflichtung des Gerichtes, bei einer Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zu verwerten, zu denen die Beteiligten vorher Stellung nehmen konnten.[1]

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Hieraus folgt:

Kenntnisgabe des Verfahrensstoffs an den Betroffenen/die Beteiligten,
Möglichkeit der Stellungnahme des Betroffenen/der Beteiligten zu den Tatsachen und Beweisergebnissen,
Kenntnisnahme und Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten durch das Gericht
Verbot von Überraschungsentscheidungen,
Die Entscheidung ist erst erlassen, wenn der Urkundsbeamte die Postbeförderung veranlasste; alle vorher eingehende Schriftsätze sind zu berücksichtigen.[2]

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Jeder Beteiligte hat das Recht zu einer Stellungnahme, wobei in der Regel eine schriftliche Äußerung als ausreichend angesehen wird. Insoweit steht es in dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichtes, ob es den Sachverhalt persönlich/mündlich mit den Beteiligten erörtert. Das Gericht muss den Beteiligten auch eine angemessene Frist zur Stellungnahme einräumen und diese dann auch abwarten. Ergeht vorher ohne Verschulden des Gerichts, etwa infolge eines Vorlagefehlers der Geschäftsstelle, eine verfahrensabschließende Entscheidung ist diese bereits wegen des Nichtablaufens der Frist verfahrensfehlerhaft.

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Im Bereich des Betreuungsrechts heißt dies u.a., dass dem Betroffenen die Person des Sachverständigen vor der Anordnung einer Beweisaufnahme bekanntzugeben ist, damit ihm Gelegenheit zur Äußerung und ggf. Ablehnung gegeben wird. Bereits vor Beauftragung eines Gutachters zur Prüfung einer möglichen Betreuungsbedürftigkeit ist dem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme oder einer persönlichen Anhörung einzuräumen.[3] Ferner muss dem Betroffenen das Sachverständigengutachten vollständig, rechtzeitig und schriftlich vor der Anhörung übermittelt werden, damit er sich hierzu adäquat äußern kann.[4] Dasselbe gilt für eine Stellungnahme der Betreuungsbehörde[5] bzw. für einen Aktenvermerk über ein Telefonat mit dem Sachverständigen.[6] Beharrt der Betroffene oder sein Vertreter darauf, dass der Sachverständige in dem Anhörungsgespräch persönlich zur Erläuterung seines Sachverständigengutachtens anwesend ist, so ist diesem Antrag zu entsprechen. Das Bundesverfassungsgericht entschied, das Recht auf Gehör gebiete, auch in dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, einen Sachverständigen persönlich anzuhören, um einem Beteiligten auf Antrag Gelegenheit zu geben, Einwendungen gegen das Gutachten vorzubringen oder aber Ergänzungsfragen zu stellen.[7]

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Zu der Verpflichtung eines Gerichtes, den Sachvortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen, sei es gestattet, aus einer Entscheidung des BVerfG wie folgt wörtlich zu zitieren.[8]

Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei ihrer Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Daraus folgt allerdings nicht, dass sie auch verpflichtet wären, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu bescheiden. Lediglich die wesentlichen, der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen müssen in den Gründen verarbeitet werden. Geht ein Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrages einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt sich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrages schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war.

(. . .) Sowohl das Amtsgericht als auch das Oberlandesgericht haben sich für die zuerst genannte Auffassung entschieden, ohne dies näher zu begründen. Sie haben sich darauf beschränkt, auf Gutachten und Ergänzungsgutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen zu verweisen und diese sich, weil ,überzeugend‘ (so das Amtsgericht), zu eigen gemacht. Warum die Gerichte zu dieser Entscheidung gelangt sind, ist den Entscheidungsgründen ihrer Urteile, auch unter Zuhilfenahme der genannten Gutachten, nicht zu entnehmen (. . .).

(. . .) die unkritische Übernahme des (. . .) Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen legt die Annahme nahe, dass Amtsgericht und Oberlandesgericht den gegenteiligen Standpunkt des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen, ihn jedenfalls nicht in Erwägung gezogen haben.

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Hieraus folgt, dass Sachverständigengutachten durch die Gerichte nicht kritiklos übernommen werden dürfen, sondern dass der Richter aufgerufen ist, sich eine eigene Überzeugung zu bilden. Stützt das Gericht die Betreuerbestellung auf das eingeholte Sachverständigengutachten, reicht eine diesbezügliche pauschale Bezugnahme in den Entscheidungsgründen nicht aus. Es ist vielmehr aufzuzeigen, warum das Gericht sich den Ausführungen des Sachverständigen anschließt.[9]

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