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B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines BetreuersVII. Das Sachverständigengutachten › 3. Bekanntgabe der Person des Sachverständigen/Prüfung der Befangenheit

3. Bekanntgabe der Person des Sachverständigen/Prüfung der Befangenheit

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Auf Grund des Umstandes, dass eine Betreuungsanordnung einen tiefgreifenden Einschnitt in die Freiheitsrechte des Betroffenen darstellen kann, ordnet § 280 Abs. 1 i.V.m. § 30 FamFG eine förmliche Beweiserhebung an und erklärt die Vorschriften der Zivilprozessordnung für entsprechend anwendbar. (auch in anderen Verfahrensordnungen anzuwenden: § 82 FGO, § 118 SGG, § 98 VwGO).

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Dies hat u.a. die nachstehenden Konsequenzen:

Die Auswahl des Sachverständigen obliegt dem Gericht, § 404 Abs. 1 S. 1 ZPO;
ein Betroffener kann einen Sachverständigen aus denselben Gründen ablehnen wie einen Richter, § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO;
der Sachverständige ist mit Hinblick auf § 411 ZPO zu einer schriftlichen Begutachtung verpflichtet und kann auch zu einer weiteren, neuen Begutachtung verpflichtet werden, § 412 ZPO;
der Sachverständige kann zum Erscheinen im Anhörungstermin verpflichtet werden, um vor Ort den Verfahrensbeteiligten das Gutachten zu erläutern, § 411 Abs. 3 ZPO. Stellt eine Partei einen Antrag auf Ladung des Sachverständigen zum Zwecke der Erläuterung des Gutachtens, so muss das Gericht dem entsprechen.

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Wie oben ausgeführt, kann nach § 30 FamFG i.V.m. § 406 ZPO ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden.[1]

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Ein Sachverständiger kann abgelehnt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die ein auch nur subjektives Misstrauen der Partei in die Unparteilichkeit des Sachverständigen vernünftigerweise rechtfertigen Positiv formuliert heißt das: es liegt eine zur Ablehnung berechtigende Befangenheit dann vor, wenn vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus genügend objektive Gründe vorhanden sind, die in den Augen einer verständigen Partei geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen.[2] Auf das Vorliegen einer tatsächlichen Parteilichkeit kommt es nicht an. Entscheidend ist, dass die Partei Tatsachen vorträgt, die geeignet sind, den „Eindruck“ der Parteilichkeit zu wecken. Allerdings ist eine „objektivierende“ Formel anzuwenden: Nach dem Beurteilungsmaßstab eines vernünftigen Menschen muss ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen gerechtfertigt „erscheinen“.[3]

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Folgende Gründe sind insbesondere geeignet, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen/Richters zu rechtfertigen:[4]

Vorherige Behandlung des Betroffenen,[5]
Verstoß gegen gerichtliche Weisungen und Überschreitung der Befugnisse,
Abweichung vom Beweisbeschluss,[6]
Nichtzulassen eines fachlichen Beraters des Betroffenen bei der Exploration,[7]
unsachliche Reaktion auf angekündigte Kritik[8] oder auf ein vorgelegtes Privatgutachten,[9]
unbesonnene Erklärungen über den Verfahrensausgang,
unbedachte Sympathie-/Antipathieäußerungen,
auffällige Mimik oder Gestik gegenüber einer Partei,
Unterstellungen und Mutmaßungen,
Äußerungen zu Rechtsfragen,[10]
Äußerungen zu Fragen, die außerhalb der Beweisthemen liegen.

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Keine Befangenheit des Sachverständigen lag vor bei

scharfer Reaktion, die durch massive Kritik an Leistung und Person des Gutachters provoziert wurde,[11]
Zuziehung desselben Sachverständigen in Berufungs- wie Vorinstanz,[12]
Unterlassen des Beiziehens von Krankenakten,[13]
Vorabinformation der zuständigen Behörden über besondere Gefahrensituationen[14].

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Der Sachverständige hat sich strikt an die Beantwortung der gerichtlich vorgegebenen Beweisthemen halten. Stellungnahmen zu Rechtsfragen fallen nicht in die Kompetenz eines Sachverständigen und haben zu unterbleiben. Der Sachverständige ist Gehilfe des Gerichtes. Es ist nicht seine Aufgabe, juristischen Problemen nachzugehen.

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Deshalb ist es in einem Betreuungsverfahren unerlässlich, vor einer Begutachtung die Person des Sachverständigen der betroffenen Person bekannt zu machen, um ihr die Möglichkeit zu geben, nach Maßgabe der § 30 FamFG, § 406 ZPO den Sachverständigen abzulehnen.[15] Erfolgt eine Ablehnung des Sachverständigen durch den Betroffenen, ist diesem in der Regel rechtliches Gehör zu gewähren.[16]

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Verursachte der Sachverständige grob fahrlässig oder vorsätzlich die Unverwertbarkeit seines Gutachtens entfällt sein Entschädigungsanspruch nach § 9 JVEG.[17] Grobe Fahrlässigkeit setzt über die bei einfacher „leichter“ Fahrlässigkeit i.S.d. § 276 Abs. 2 BGB maßgebende objektive Sorgfaltspflichtverletzung hinaus auch subjektiv zurechenbares schweres Verschulden voraus.

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Hinweis

Für die anwaltliche Überprüfung von Verfahrensfehlern im Rahmen einer Betreuungsanordnung ist also stets im Rahmen einer Akteneinsicht abzuklären, ob der Betroffene von dem Gericht über die Person des Sachverständigen unterrichtet worden ist.

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Ist der Ablehnungsgrund zum Zeitpunkt der Ernennung des Gutachters noch nicht bekannt, kann eine Partei den Sachverständigen auch später noch ablehnen. Die Ablehnung muss dann jedoch unverzüglich nach Kenntnis des Ablehnungsgrundes, spätestens nach Ablauf einer angemessenen Frist erfolgen. Erfolgt sie dann nicht, ist die Ablehnung wegen Verfristung unzulässig, § 406 Abs. 2 ZPO.[18] Ergibt sich der Grund zur Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit aus dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens, läuft im allgemeinen die Frist zur Ablehnung nach § 411 Abs. 4 ZPO ab, wenn sich die Partei zur Begründung des Antrags mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen muss.[19]

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Hinweis

Der Begründung eines Befangenheitsantrages gegen einen Sachverständigen sind enge Grenzen gesetzt. Die Begründung eines Befangenheitsantrages ist schwierig und die Regelungen werden durch die Gerichte restriktiv gehandhabt. Im Rahmen einer anwaltlichen Vertretung ist von daher die Weichenstellung bei der Auswahl des Sachverständigen vorzunehmen. Es ist offensiv ein geeigneter Sachverständiger vorzuschlagen. Es ist im Interesse des Mandanten, mit einem renommierten Neurologen oder Psychiater Kontakt aufzunehmen, um dessen Bereitschaft zu eruieren, ein Sachverständigengutachten zu erstellen.

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