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B. Das gerichtliche Verfahren bis zur Bestellung eines BetreuersVII. Das Sachverständigengutachten › 4. Vorbereitung eines Sachverständigengutachtens

4. Vorbereitung eines Sachverständigengutachtens

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Der Gesetzestext des § 280 Abs. 1 FamFG macht eine Betreuerbestellung abhängig von der „Einholung“ eines Gutachtens. Wortlaut und Sinn der Vorschrift erzwingen eine Veranlassung der Gutachtenerstattung durch das Gericht.[1] Das Erfordernis einer förmlichen Beweiserhebung hat zur Konsequenz, dass das Gericht vor der Beauftragung eines Sachverständigen einen Beweisbeschluss erlassen muss, der die nach Lage des Einzelfalls erforderlichen Vorgaben für die Begutachtung enthält.[2] Das Gericht ist gehalten, die Tatsachen zu bezeichnen, auf deren Feststellung es für die Beurteilung der Notwendigkeit der Betreuerbestellung ankommt. Dem Sachverständigen sind Fragen zur Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen zu stellen. Dies kann etwa wie folgt aussehen:

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Muster Fragen des Betreuungsgerichtes an den Sachverständigen zur Betreuungsbedürftigkeit

Gesundheitsamt (. . .)

Sozialpsychiatrischer Dienst

Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr,

das Gericht hat zu prüfen, ob und ggf. inwieweit für

Herrn Felix P., geb. (. . .),

wohnhaft (. . .),

zur Besorgung seiner Angelegenheiten die Betreuerbestellung zu verlängern ist.

Der Betreute ist von Ihnen bereits am 24.4.2012 begutachtet worden.

Ich bitte daher, den Betroffenen zu untersuchen und ein Gutachten zu folgenden Fragen zu erstatten:

1. Liegt bei dem Betroffenen eine a) psychische Krankheit, geistige oder seelische Behinderung vor? b) körperliche Behinderung vor?
2. Welche konkreten Angelegenheiten kann der Betroffene deshalb ggf. nicht selbst besorgen, z.B. im Bereich a) der Sorge für die Gesundheit, b) der Wohnungsangelegenheiten, c) der Altersversorgung, d) der Aufenthaltsbestimmung, e) der Vermögensangelegenheiten, der Renten-, Heim- Gerichtsangelegenheiten?
3. Welche Behandlungs- und Rehabilitationsmöglichkeiten bestehen?
4. Wie lange werden die Krankheit oder Behinderung und das daraus folgende Unvermögen zur Besorgung der bezeichneten Angelegenheiten voraussichtlich fortbestehen (Dauer der Betreuung)?
5. Welche anderen Hilfsmöglichkeiten würden eine Betreuung ganz oder teilweise entbehrlich machen?
6. Ist es möglich, sich mit dem Betroffenen zu verständigen?
7. Sind von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen durch das Gericht erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen? Kann diese Besorgnis ggf. durch Ihre Anwesenheit oder durch die Anwesenheit des Hausarztes oder anderer Personen ausgeräumt werden?
8. Ist es zur Vermeidung erheblicher Nachteile für die Gesundheit des Betroffenen erforderlich, bei der Bekanntmachung der Entscheidungsgründe an ihn besondere Umstände zu beachten oder von der Bekanntmachung der Gründe ganz abzusehen? Kann diese Besorgnis ggfs. durch die Anwesenheit Dritter, des Sachverständigen, naher Angehöriger oder einer Vertrauensperson ausgeräumt werden?
9. Ist der Betroffene in der Lage, im Hinblick auf die Ablehnung der Betreuung einen freien Willen zu bilden?
10. Die Begutachtung hat sich nicht nur in der bloßen Beantwortung der Fragen zu erschöpfen, sondern soll auch auf alle im Zusammenhang mit den gestellten Fragen stehenden Umstände eingehen.

Sollten Sie noch Rückfragen haben, stehe ich Ihnen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

(Richterin am Amtsgericht)

Beglaubigt

(Justizangestellte)

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Dem Sachverständigen ist – soweit bereits vorhanden – der Sozialbericht der Betreuungsbehörde zusammen mit dem Beweisbeschluss zu übersenden, § 280 Abs. 2 S. 2 FamFG.

Daher ist die Praxis einiger Betreuungsgerichte, ärztliche Stellungnahmen des Sozialpsychiatrischen Dienstes, die dieser auf Veranlassung von Dritten (Nachbarn/Freunden) erstellte und unaufgefordert zu den Akten reichte, zur Grundlage einer Betreuerbestellung zu machen, verfahrensfehlerhaft.[3]

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Beispiel

Veronika M. bemerkt seit Monaten, dass ihre langjährige Freundin Nicole T. sich immer merkwürdiger benimmt. Nicole T. erzählt ihr des Öfteren, ihre Wohnung sei „elektrisch verstrahlt“ und werde vom Bundesnachrichtendienst abgehört. Veronika M. bittet den Sozialpsychiatrischen Dienst um Hilfe, der bei Frau T. einen Hausbesuch durchführt. Im Weiteren wendet sich der für den Sozialpsychiatrischen Dienst tätige Facharzt in einem Schreiben an das örtlich zuständige Betreuungsgericht und berichtet von der mit Frau T. durchgeführten Exploration. Nach Auffassung des Arztes leidet Frau T. an einer halluzinatorischen Psychose. Daraufhin ordnet der zuständige Betreuungsrichter nach erfolgter Anhörung von Frau T. eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen „Aufenthaltsbestimmung und Unterbringung zum Zwecke der Heilbehandlung“ an.

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Nicole T. könnte in unserem Beispielfall erfolgreich Rechtsmittel gegen die angeordnete Betreuung einlegen. Das Schreiben des Arztes an den Betreuungsrichter trägt lediglich den Charakter einer Betreuungsanregung und vermag auf keinen Fall die Begutachtung durch einen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie nach vorgängigem gerichtlichen Beweisbeschluss zu ersetzen. Entgegen dem klaren Wortlaut des § 280 Abs. 1 FamFG wurden derartige ärztliche Stellungnahmen nicht von dem Gericht „eingeholt“ und können somit nicht als Gutachten im Sinne dieser Vorschrift verwertet werden.

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Hinweis

Die anwaltliche Überprüfung von Verfahrensfehlern muss sich bei der Einsichtnahme in die Verfahrensakten auf die Kontrolle erstrecken, ob ein gerichtlicher Beweisbeschluss vorliegt.

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Wird ein Gutachten zu der Frage der Notwendigkeit der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts angefordert, ist gerichtsseits zu fragen, ob die Befürchtung besteht, der Betroffene werde sich oder sein Vermögen erheblich durch Willenserklärungen gefährden.[4]

Handbuch Betreuungsrecht

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