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Erläuterungen
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Das Abstraktionsprinzip ist eine Besonderheit des deutschen Rechts. Es soll Sicherheit beim Rechtserwerb garantieren. Denn würde die Wirksamkeit eines Verfügungsgeschäfts von der Wirksamkeit des ihm zugrundeliegenden Verpflichtungsgeschäfts abhängen, so müsste der Erwerber sich zunächst Gewissheit darüber verschaffen, dass der Veräußerer auch tatsächlich zur Veräußerung berechtigt ist. Gibt es eine ganze Kette von Veräußerungen, müsste der Erwerber diese bis zum Beginn zurückverfolgen, um sicher zu gehen, dass er tatsächlich wirksam erwerben kann. Diese Überprüfung wird dem Erwerber durch das Abstraktionsprinzip erspart.
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Übungsfall Abstraktionsprinzip
Marlene Biedermann kauft beim Antiquitätenhändler Walter Schlurri eine „Biedermeierkommode“ zum Preis von 7.000 €, die am folgenden Tag zu ihr nach Hause geliefert wird. Als sie das „gute Stück“ ihrer Freundin Amélie zeigt, rümpft diese die Nase und meint, die Kommode sei lediglich eine halbwegs gelungene Fälschung. Marlene entschließt sich den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 Abs. 1 1. Alt. BGB anzufechten und obsiegt. Wem gehört die „Biedermeierkommode“?
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Lösung
Aus dem Sachverhalt geht hervor, dass Marlene den Kaufvertrag über die „Biedermeierkommode“ wirksam gem. § 123 Abs. 1 1. Alt. BGB angefochten hat. Der Kaufvertrag ist somit gem. § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend nichtig geworden. Die Nichtigkeit des Kaufvertrages, also des Verpflichtungsgeschäftes, wirkt sich jedoch nicht auf die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäftes – die Übereignung der „Biedermeierkommode“ gem. § 929 S. 1 BGB aus (Abstraktionsprinzip!). D. h. die „Biedermeierkommode“ gehört trotz wirksamer Anfechtung immer noch Marlene Biedermann. Die Anfechtung hinterlässt dennoch Spuren: Gem. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB hat Marlene die Kommode ohne Rechtsgrund – denn der Kaufvertrag ist nichtig – erlangt und muss folglich die Kommode herausgeben. Dies gilt freilich auch für die ohne rechtlichen Grund gezahlten 7.000 €, die ebenfalls von Herrn Schlurri an Frau Biedermann zurückgezahlt werden müssen.
Weiterführende Literatur
Katrin Bayerle, Trennungs- und Abstraktionsprinzip in der Fallbearbeitung, JuS 2009, S. 1079-1082. Jan Lieder/Daniel Berneith, Echte und unechte Ausnahmen vom Abstraktionsprinzip, JuS 2016, S. 673-678.