Читать книгу Die Gilde der Iris - Sylvani Barthur - Страница 11

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KAPITEL 3

Ich war nach der Schule extra schnell nach Hause gelaufen, denn wir hatten heute einen Termin beim Optiker meines Vertrauens. Das war nicht nur so ein Werbespruch: Solange ich mich erinnern konnte, besuchte ich ihn zusammen mit Sara mehrmals im Jahr. Ab und zu bekam ich eine neue Brille, die ich wegen meiner Weitsichtigkeit brauchte.

Sara hasste es, wenn wir zu spät kamen, deshalb rannte ich eilig die Treppe zur Wohnung im zweiten Stock hoch, wobei ich zweimal stolperte und fast hinschlug. Mich noch rechtzeitig abzufangen, war der jahrelangen Übung geschuldet, die ich in derlei Dingen hatte. Trotzdem hatte ich jedes Mal das Gefühl, mein Herz würde aussetzen, wenn ich mit dem Fuß an einer Stufe hängen blieb. Zu oft hatte ich mir schon bei solchen Aktionen wehgetan.

Völlig außer Atem oben angekommen, kramte ich in meiner Schultasche nach dem Haustürschlüssel. Es war wie verhext mit diesem verdammten Ding, er schien sich absichtlich vor mir zu verstecken. Nach einigem Fluchen fand ich ihn auf dem Grund der Tasche, schloss eilig die Tür auf und musste bei dem Bild, das sich mir bot, grinsen.

„Willst du den Weltrekord im Sackhüpfen gewinnen, Mama?“, prustete ich los.

Sara hüpfte auf dem Fuß, der bereits einen Pumps trug, und dem anderen Exemplar in der Hand, durch den Flur. Es war ein göttlicher Anblick.

„Ich versuche … in diesen … dämlichen … Schuh zu kommen“, zischte sie angestrengt und im Takt der Hopser durch ihre Zähne. „Aber der … scheint kleiner … geworden zu sein … seit ich ihn … das letzte Mal … anhatte.“

Sara war immer gut angezogen, aber für den Besuch beim Optiker Pumps zu tragen, fand ich ziemlich overdressed.

„Kannst du nicht normale Schuhe anziehen? Wo wir hinwollen, lässt es sich sowieso nicht gut in Absatzschuhen laufen.“

„Sorry Eli, ich kann nicht mitkommen“, sagte sie, nachdem sie wieder aufrecht auf beiden Beinen stand. „Erik, ähm … mein Chef hat kurzfristig ein wichtiges Meeting angesetzt, da muss ich hin. Du musst heute ausnahmsweise alleine gehen.“ Ihr Gesicht nahm einen schuldbewussten Ausdruck an. Sie wischte sich eine Strähne aus der Stirn, und mir fiel jetzt erst auf, dass sie ihre rötlich braunen Haare, die sie fast immer offen trug, hochgesteckt hatte.

„Keine Ahnung, was so dringend ist, und warum wir das im San Antonio besprechen müssen.“ Sie verdrehte die Augen. „Aber er hat keine Ausrede gelten lassen. Tut mir wirklich leid.“

Das San Antonio war ein angesagtes Nobelrestaurant. Als Ort für ein Arbeitsmeeting war das mehr als überzogen.

„Schaffst du das, Eli?“ Saras schaute mich leidend an. Es war so gar nicht ihr Ding, mich wichtige Dinge alleine erledigen zu lassen. Wahrscheinlich hatte sie Angst, dass ich mich verlief oder etwas schief ging.

Ich zuckte extra cool mit den Schultern. „Klar schaffe ich das, ist ja kein Ding“, sagte ich, damit sie sich nicht noch schlechter fühlte.

Ich verabschiedete mich von ihr und wünschte ihr viel Spaß, worauf sie erneut die Augen verdrehte, aus der Tür huschte und sie ins Schloss fallen ließ. Schon einen Augenblick später drehte sich der Schlüssel in der Tür und sie schaute gehetzt herein. „Du weißt, wo du aussteigen musst? Pass auf, dass du die richtige Buslinie nimmst, und wenn du wieder zu Hause bist, rufst du mich gleich an, ja?“

„Ja, Mama“, sagte ich brav und überdeckte mit dem unterwürfigen Tonfall, dass ich genervt war.

Die Tür schloss sich wieder, nachdem sie mir einen vielsagenden Blick zugeworfen hatte. Jetzt verdrehte ich die Augen – Sara!

Ich nahm die Schulbücher aus meinem Rucksack und warf sie auf den Tisch im Wohnzimmer. Da fiel mein Blick auf das Buch über die Druiden, das ich so spannend fand. Vielleicht konnte ich schnell noch das Kapitel fertig lesen, das ich gestern angefangen hatte. Es waren sicher nur ein oder zwei Seiten. Ich begann, dort weiter zu lesen, wo ich das letzte Mal aufgehört hatte. Als ich das nächste Mal auf die Uhr schaute, erschrak ich. Schon wieder hatte ich die Zeit vergessen! Schnell schnappte ich meinen Rucksack und verließ eilig die Wohnung in Richtung Bushaltestelle.

Als ich in der Innenstadt aus dem Bus stieg, dämmerte es bereits. Es war heute schon den ganzen Tag düster gewesen. Der Himmel hing voller schwarzer Wolken, aus denen zwar kein Regen fiel, die aber das Licht fast vollständig verschluckten.

Ich eilte schräg über den Marktplatz. In der hintersten Ecke zwischen zwei recht heruntergekommenen Gebäuden, die mal wieder einen neuen Anstrich vertragen konnten, bog ich in eine enge Gasse ein. Hier standen schmale, hochaufragende Häuser dicht an dicht, wie aneinandergeklebt. Die besten Zeiten hatten sie augenscheinlich bereits hinter sich und bei einigen war ich mir nicht sicher, ob hinter der schäbigen Fassade überhaupt jemand wohnte.

Ich lief in der Mitte der Gasse, um den Wänden nicht zu nahe zu kommen. Dabei hatte ich das Gefühl, dass die Dächer der Häuser, die sich rechts und links mühsam nach oben reckten, sich einander zuneigten. Von dem schummerigen Dämmerlicht fiel kaum etwas auf das uralte dunkelgraue Basaltpflaster und von einer hellen Straßenbeleuchtung konnte man bei den mickrigen Laternen auch nicht gerade reden.

Das spärliche gelbe Licht, das sie spendeten, schwankte mehrmals bedrohlich, bei allen gleichzeitig. Ich bekam Gänsehaut und meine Fantasie ging mal wieder mit mir durch. In meiner Vorstellung saß jemand hinter dem schmutzigen Fenster eines der abbruchreifen Häuser, einen Dimmer in der Hand, der sich einen Spaß daraus machte, mir Angst einzujagen.

Als ich mich umblickte, kam ich auf dem holprigen Basalt ins Stolpern. Na super, jetzt machten sich die Pflastersteine auch noch über mich lustig. Ich fing mich ab und lief schneller. Doch als es zu nieseln anfing und das schwarze Basaltpflaster gefährlich glänzte, verfiel ich wieder ins Schneckentempo. Es wäre die Krönung, wenn ich jetzt, wo ich fast da war, ausrutschen und hinfallen würde.

An einem der letzten Häuser mit seinem schmalen Schaufenster und der verwitterten Holztür mit gelblich verblasstem Glasausschnitt blieb ich stehen. In der dürftig bestückten Auslage des Ladens waren verschiedene Brillenfassungen zu sehen, von denen einige aus dem Mittelalter zu stammen schienen. Das Optikergeschäft war nicht gerade bekannt für moderne Modelle, aber meine Mutter schwor auf die Qualität der Beratung durch den Inhaber. „Optikermeister Aaron Hazaar“, stand in verschnörkelten dunkelbraunen Buchstaben auf dem Glas der Eingangstür.

Ich drückte die antiquierte Türklinke, die ein klägliches Quietschen von sich gab, und trat ein. Eine alte Glocke, die innen über der Tür hing, wurde angestoßen und klagte düster, um den Besitzer des Ladens zu warnen, dass jemand eingetreten war. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie jemals viel zu tun hatte. In der Stadt gab es mehrere Optikergeschäfte, die gegenüber diesem antiken Laden futuristisch anmuteten und mit Sicherheit besser besucht waren.

Als ich mich umsah, kam es mir vor, als würde ich das erste Mal all diese Details wahrnehmen. Das lag sicher daran, dass ich heute alleine hier war. Bisher war Sara immer dabei gewesen und wir hatten uns die ganze Zeit unterhalten, während Herr Hazaar meine Augen untersuchte.

In dem düsteren Raum roch es nach altem Holz, Möbelpolitur und Leder. Er war leer – auf den ersten Blick. Aber dann entdeckte ich Herrn Hazaar, der mit seinem Aussehen perfekt hierher passte. Er saß tief gebeugt über dem Arbeitstisch, der hinten neben dem Tresen an der Wand stand und nur von einer alten Tischlampe beleuchtet wurde.

Von der Glocke alarmiert, drehte er sich in einem Tempo um, das ich ihm nicht zugetraut hätte. Das grenzte fast an Lichtgeschwindigkeit. Er blickte über die Brille hinweg, die tief auf seiner Nase saß.

„Hallo Elisa“, begrüßte er mich und kniff die Augen zusammen, als würde er nach etwas suchen. „Wo ist denn deine Mutter?“

„Die hatte heute keine Zeit. Wichtige dienstliche Sachen“, erklärte ich ihm kurz.

Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich besorgt. „Und du bist sicher, dass mit ihr alles in Ordnung ist?“

„Ähm, ja …?“ Komische Frage!

Er legte sein Werkzeug beiseite. „Na, dann komm, schauen wir uns mal deine Augen an.“

Was nun folgte, kannte ich. Seit ich mich erinnern konnte, war es immer der gleiche Ablauf. Ich reichte Herrn Hazaar meine Brille und nahm auf einem runden Schemel Platz, dessen Sitz sich drehte. Noch vor ein paar Jahren war ich darauf immer ein paar Runden Karussell gefahren, ehe die Untersuchung losging, aber dafür war ich mittlerweile zu alt.

Der Schemel stand vor einer Apparatur, auf der ich mein Kinn auflegen musste, um durch eine Linse zu sehen. Herr Hazaar saß dahinter und verstellte ein paar Hebel, bis ich den bunten Heißluftballon scharf sah, der dort im Inneren abgebildet war. Das passierte erst mit dem linken und dann mit dem rechten Auge.

Danach nahm er eine Stablampe, die einen hellen Lichtstrahl in meine Augen warf. Das Licht blendete mich jedes Mal und ich war froh, als er es ausschaltete. Als ich wieder klar sehen konnte, entdeckte ich eine Sekunde lang einen erschrockenen Ausdruck in seinem Gesicht.

Er strich sich grübelnd über den schwarzen Vollbart, ehe er mich aufforderte, an einem eigenartig anmutenden Gerät Platz zu nehmen, das ich vorher noch nie gesehen hatte. Es stand im Nebenraum hinter dem Tresen und bestand aus einem golden glänzenden Metall. In seinem Inneren griffen viele verschieden große Zahnräder scheinbar chaotisch ineinander und außen waren an einigen Stellen Gravuren zu sehen, die mich an irgendetwas erinnerten.

Ich überlegte krampfhaft, wo ich sie schon einmal gesehen hatte, und plötzlich fiel es mir wieder ein: Diese Abbildungen sahen genauso aus wie die alten Schriftzeichen der Druiden, die ich aus dem Buch kannte, in dem ich gerade erst gelesen hatte.

Das fühlte sich alles recht seltsam an und mich beschlich ein ungutes Gefühl. Ich zuckte erschrocken zusammen, als mir die hohen, fiepsenden Geräusche in die Ohren stachen, die aus dem Gerät drangen. Langsam machte ich mir Sorgen, dass etwas nicht stimmte.

„Ist alles in Ordnung mit mir?“ Ich sah Herrn Hazaar mit zusammengekniffenen Augen an.

„Natürlich, Elisa, alles gut. Es ist nur eine Routineuntersuchung.“ Er schüttelte dabei seine tiefschwarze Mähne, die ihm fast bis zu den Schultern reichte. Die wild umherspringenden Locken standen im krassen Gegensatz zu seinem akkurat gestutzten Vollbart, was ihm ein recht widersprüchliches Aussehen gab.

Ich runzelte die Stirn. Wieso eine Untersuchung an einem neuen Gerät, wenn doch alles in Ordnung und nur Routine war?

Herr Hazaar schien zu merken, dass ich mir Sorgen machte. „Wir machen nur einen zusätzlichen Test, weil sich deine Augen ein wenig verändert haben. Es ist nichts Schlimmes, glaub mir“, sagte er beruhigend. „Komm, setz dich hier hin.“ Er zeigte auf den Hocker, der an der Stirnseite des Gerätes stand.

Zögernd nahm ich Platz. Seine Erklärung hatte meine Bedenken nicht beseitigt, aber ich zwang mich, ruhig zu bleiben, und atmete einmal tief ein und aus. Was sollte schon passieren?

Diese Apparatur funktionierte anders als die Vorherigen. Ich musste mit beiden Augen gleichzeitig durch etwas schauen, das wie ein antikes Fernglas aussah. Als ich das Kinn auf die dafür vorgesehene Vorrichtung legte und hindurchsah, explodierte im Inneren des Apparates ein buntes Feuerwerk. Ich erschrak und schnellte mit dem Kopf zurück.

„Keine Angst, Elisa, dir passiert nichts. Bitte, schau noch einmal durch, nur ganz kurz. Wir sind gleich fertig.“

Mit gemischten Gefühlen legte ich das Kinn zurück auf die Vorrichtung und wartete auf das Aufblitzen der Lichter. Ich blinzelte, als die bunte Farbenpracht wieder aufleuchtete, aber ich hielt still. Auch, als ich plötzlich einen Schmerz in beiden Augen fühlte, der sich langsam in meinen Kopf verlagerte.

Nachdem der Optiker von der anderen Seite des Gerätes in meine Augen geschaut hatte, gab er mir meine Brille zurück.

„Wir sind fertig. Und es gibt heute eine Überraschung für dich“, sagte er schmunzelnd.

Was sollte das denn bedeuten? Bisher war hier nie etwas passiert, das mich überrascht hätte. Aber heute war alles anders als sonst.

Der Kopfschmerz zog noch immer ein bisschen und ich machte mir Sorgen, dass das grelle Licht meinen Augen geschadet haben könnte. Doch ich konnte klar sehen und der Schmerz verzog sich allmählich, also beruhigte ich mich wieder.

Herr Hazaar kramte derweil wortlos im Schrank neben dem Tresen, in dem er die Patientenunterlagen aufbewahrte. Irgendwoher zog er plötzlich ein Buch und legte es vor sich hin. Von dem abgegriffenen Einband wehte ein strenger Ledergeruch zu mir. Er schlug es auf und blätterte vorsichtig die vergilbten Seiten um, bis er die Stelle gefunden hatte, die er suchte. Total vertieft fuhr er mit den Fingern langsam über die Zeilen und murmelte etwas Unverständliches vor sich hin.

Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um in das Buch sehen zu können. Verwundert bemerkte ich, dass in dem Text immer wieder Zeichen auftauchten, die denen auf dem seltsamen Apparat sehr ähnlich waren. Ich strich mir die Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich beim Vorbeugen aus dem Pferdeschwanz gelöst hatte und versuchte, ein paar Worte zu entziffern. Viel konnte ich nicht erkennen, es schien in einer mir unbekannten Sprache geschrieben zu sein, und für mich stand es ja außerdem auf dem Kopf. Kurz bevor Herr Hazaar das Buch zuschlug, sprangen mir die Worte „Iris“ und „Tor“ ins Auge, aber damit konnte ich nichts anfangen.

„Elisa, deine Brille brauchst du ab sofort nicht mehr“, sagte er mit einem Lächeln und zog dabei die rechte Augenbraue nach oben.

„Was? Wieso nicht?“, fragte ich verwirrt. „Ich kann aber wirklich nicht gut sehen ohne Brille.“ Auf einmal bekam ich Angst, dass er mir die Sehhilfe wegnehmen würde. Das konnte nicht sein, ohne sie war ich total aufgeschmissen. Ich hätte nicht eines meiner geliebten Bücher mehr lesen können, mal ganz davon abgesehen, dass ich dann als Blindfisch in der Schule sitzen würde. Ein gefundenes Fressen für Danas Clique.

Aaron Hazaar schien meine ängstlichen Blicke richtig zu deuten. „Beruhige dich, Elisa, du wirst vielleicht sogar ein wenig besser sehen als mit der Brille. Du bekommst von mir Kontaktlinsen, und zwar ganz besondere.“

Ich zog meine Stirn in Falten. Konnte ich nicht bei der Brille bleiben? Gut, sie nervte mich manchmal, aber ich hatte mich an sie gewöhnt.

„Am besten, wir suchen dir gleich die passenden Linsen heraus, die du ab sofort tragen kannst.“ Er hatte es offenbar ziemlich eilig.

„Wollen wir nicht erst meine Mutter fragen?“, warf ich ein. „Vielleicht hat sie ja was dagegen.“

„Ganz bestimmt nicht.“ Er winkte ab. „Ich habe mich bei eurem letzten Besuch schon mit ihr darüber unterhalten, als ich gemerkt habe, dass sich deine Augen verändern. Sie war damit einverstanden, also mach dir keine Sorgen, Elisa.“

Okay, davon hatte sie mir nichts erzählt, aber wenn Herr Hazaar es sagte, würde es schon stimmen. Trotzdem hatte ich ein mulmiges Gefühl.

„Ich habe da was ganz Modernes für dich.“ Es hörte sich an, als wäre er selbst aufgeregt. „Es ist die neuste Generation Kontaktlinsen und sie haben einen großen Vorteil. Du wirst sie mögen, glaub mir.“

Das klang für mich recht abenteuerlich. Er holte aus dem Nebenraum ein Kästchen und nahm ein paar Linsen heraus, an denen ich auf den ersten Blick absolut nichts Besonderes feststellen konnte. Dann beträufelte er sie mit einer Flüssigkeit aus einer Phiole, die eher nicht wirkte wie die „neuste Generation“, und setzte sie mir vorsichtig ein.

Es zwickte ein wenig, aber ich konnte sofort scharf sehen – und wie scharf! Meine Güte, es war kein Vergleich zur Brille. Ich hatte das Gefühl, die ganze Zeit mit dreckigen Gläsern herumgelaufen zu sein.

„Wow, das ist ja toll“, rief ich begeistert aus, doch dann fiel mir ein, dass ich sicher Probleme damit bekommen würde, mir die Linsen jeden Tag selbst einzusetzen. Dass man das machen musste, hatte ich gehört, als sich Conny mit ein paar anderen darüber unterhalten hatte. Sie trug schon eine ganze Weile Kontaktlinsen, allerdings aus Eitelkeit.

Ich wollte danach fragen, als mir Herr Hazaar zuvorkam. „Die Vorteile kommen erst noch, Elisa“, meinte er schmunzelnd. „Du musst sie nicht jeden Tag herausnehmen.“

Damit hatten sich meine Bedenken von allein erledigt.

„Dank der neuen Technologie dieser Linsen können sie längere Zeit auf den Augen bleiben, ohne Schaden anzurichten. Im Gegenteil, sie könnten dir sogar dabei helfen, deine Sehkraft zu stärken.“

Mir blieb der Mund offen stehen. Davon hatte ich noch nie etwas gehört, aber es war ja die neuste Technologie, wie mir Herr Hazaar versichert hatte.

„Wir vereinbaren für die nächste Zeit Termine in Abständen von zwei Wochen. Dann kommst du mit deiner Mutter her und ich kontrolliere die Linsen. Wenn alles in Ordnung ist, reicht es, wenn wir sie später einmal im Monat herausnehmen.“

Ich nickte sprachlos. Das klang ja total unkompliziert. Herr Hazaar zog einen Briefbogen hervor und sagte, dass er meiner Mutter alles Wichtige aufschreiben würde. Ich sollte ihr den Brief sofort geben, wenn ich nach Hause kam.

Der Bogen hatte eine rötliche Tönung. So ein extravagantes Briefpapier passte gar nicht zu dem altmodischen Optikermeister.

„Das Papier hat aber eine schöne Farbe“, sagte ich.

„Wieso Farbe?“ Er runzelte die Stirn. „Das ist doch einfaches weißes Briefpapier.“

Ich stutzte. War Herr Hazaar etwa farbenblind? Wäre seltsam für einen Optiker.

„Ach ja“, er fasste sich an den Kopf. „Jetzt verstehe ich, Elisa. Das Papier ist weiß, aber du siehst es wahrscheinlich rosa, weil die Kontaktlinsen eingefärbt sind.“

Das machte Sinn, aber warum waren sie nicht durchsichtig? Ich schüttelte fragend den Kopf.

„Dieses besondere Farbspektrum hat einen regenerierenden Einfluss auf die Sehnerven, wenn das Licht durch die Pupillen in den Glaskörper eintritt. Dadurch werden sie stimuliert und es wird eine Verbindung zum Sehzentrum im Gehirn aufgebaut, die dein Sehvermögen stärken kann.“

Ich merkte, dass ich seinen Ausführungen immer weniger folgen konnte. Er warf noch mit ein paar Fachbegriffen um sich, die ich nicht verstand und über die ich mir auch keine Gedanken machen wollte. Das war zwar recht untypisch für mich, aber ich fühlte mich seltsam gut und hatte gar kein Bedürfnis, die Dinge weiter zu hinterfragen.

Die Gilde der Iris

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