Читать книгу Die Gilde der Iris - Sylvani Barthur - Страница 19

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KAPITEL 11

Im Unterdeck der Jacht, in dem die Technik- und die Lagerräume lagen, fand ich einen winzigen Raum hinter den Treibstofftanks, der mir als Versteck geeignet schien. Die Dieselausdünstungen nahmen mir fast den Atem, als ich mich an den Tanks vorbeiquetschte. Ich schlüpfte durch den schmalen Spalt der Schiebetür, die sich nur ein Stück weit öffnen ließ, und zog sie mit Schwung hinter mir zu. Hoffentlich bekam ich sie wieder auf, wenn ich raus wollte.

Völlig erschöpft ließ ich mich zwischen dicken Kabelbäumen und großen Kanistern mit zweifelhaftem Inhalt an der Wand herunter rutschen. Als ich auf dem eiskalten Boden saß, fiel alle Anspannung von mir ab und ich ließ den Tränen ihren Lauf, die schon lange darauf gewartet hatten. In meinem Kopf wuselten die furchtbarsten Gedanken um die Wette und verursachten ein lähmendes Chaos.

In den letzten Tagen hatten sich die Hochs und Tiefs in einem irren Tempo gejagt und ich war total durch den Wind. Diese Anstrengungen forderten ihren Tribut und trotz des Lärms der Schiffsmotoren und dem stechenden Geruch des Treibstoffs schlief ich ein.

Erneut träumte ich. Dieses Mal traf ich meine Eltern nicht, stattdessen begann der Traum mit zwei verschwommenen Silhouetten in rötlichem Nebel, von dem dieser unangenehme, herb süßliche Geruch ausging. Wieder hörte ich Stimmen, die ich zuerst nicht verstand. Dann wehten zusammen mit dem widerlichen Geruch einige Wortfetzen herüber. „Du musst … Vertrauen …“

„… nicht … belügen …“

„… egal … gehorchen … Wahl … es tun.“

Der furchtbare Geruch wurde stärker.

„Ja … gehorche …“

Dann verblassten die Gestalten im Nebel.

Als ich erwachte, traute ich meinen Augen nicht. Der vorher komplett finstere Raum wurde durch den Kegel einer Taschenlampe erhellt, der nach oben schnellte und mir gegenüber eine Fratze anleuchtete. Ich schrie erschrocken auf und als ich aufsprang, knallte ich mit dem Kopf gegen eine Rohrleitung.

„Au.“ Ich betastete die schmerzende Stelle.

„Was machst du denn, Elisa?“, fragte eine Stimme, die ich kannte … Kris. „Das hat sicher wehgetan.“

„Nein, das war ein supertolles Gefühl“, zischte ich ihn an. Wie hatte er mich so schnell gefunden? Obwohl, ich wusste ja gar nicht, wie viel Zeit vergangen war, seit ich mich versteckt hatte und eingeschlafen war.

„Geht es dir gut?“, fragte er beunruhigt. „Wir haben uns Sorgen gemacht. Sara hatte Angst, du wärst über Bord gegangen. In den letzten sieben Stunden hatten wir große Probleme, das Boot über Wasser zu halten. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie stark der Sturm war.“

Da war er wieder, der Redeschwall, den ich von ihm gewohnt war. Aber so erfuhr ich wenigstens, dass ich länger als sieben Stunden in diesem beißenden Gestank gelegen hatte. Wahrscheinlich war ich davon so betäubt gewesen.

„Sind wir nicht bald da?“ Ich ärgerte mich sofort über meine Frage, als Kris grinste.

„Jetzt klingst du, wie ein quengelndes Kind.“

„Sei still“, zischte ich ihn an. Das Grinsen auf seinem Gesicht blieb.

„Je nachdem, wie stürmisch die See ist, dauert es sicher noch fast einen Tag, bis wir ankommen.“

„Wo fahren wir noch mal hin?“ Ich stellte mich dumm, um herauszufinden, was Kris wusste.

„Ich dachte erst, dass wir nach Alesund zu meinem Großvater fahren, aber mein Vater sagte, dass wir euch erst nach Volda bringen müssen. Das liegt wohl ziemlich in der Nähe.“

„Und wieso müsst ihr das?“

Kris verdrehte sie Augen. „Warum wohl? Er ist total verknallt in deine Mutter und würde alles tun, was sie will.“ Er nahm die zu Fäusten geballten Hände aus den Taschen. „Dafür rutscht sogar die Sache mit Opa an zweite Stelle.“ Sein Gesicht nahm einen verbitterten Ausdruck an. Ich spürte deutlich, dass ihm nicht gefiel, was da ablief. Da ging es ihm anscheinend ähnlich wie mir. Das brachte ihm ein paar Pluspunkte bei mir ein.

„Wieso hast du dich hier in diesem Loch versteckt?“, fragte Kris. Er schien absolut nicht zu ahnen, was mit mir los war.

„Ach, ich wollte einfach nur allein sein. Das hatte was mit Sara zu tun“, erklärte ich knapp. „Aber das geht dich eigentlich nichts an.“ Meine Stimme wurde hart, als ich merkte, dass ich ihm beinahe mein Herz ausgeschüttet hätte.

„Das geht mich schon was an, wenn ich dich stundenlang suchen muss, statt beim Navigieren zu helfen. Vater braucht meine Unterstützung wahrscheinlich mehr als du.“

„Dann geh doch zu ihm“, blaffte ich ihn an. „Ich komme schon allein klar.“ Ich versuchte, überzeugend zu klingen, obwohl das nicht stimmte. In Wirklichkeit fühlte es sich gut an, dass er da war … irgendwie.

„Ich habe das Gefühl, dass du nicht alleine klarkommst.“ Mit leicht geneigtem Kopf schaute er mich an.

Das hatte er richtig erkannt. War er doch nicht so oberflächlich, wie es mir bisher erschienen war? Trotzdem fand ich es nicht toll, dass er meinen Schmerz mitbekam. Dazu hatte er kein Recht, das war ganz allein meine Sache.

„Bleibst du jetzt hier in dieser Nobelkajüte, oder kommst du endlich mit nach oben?“, fragte er ungeduldig.

Ich wusste selbst nicht, was ich tun sollte. Ewig hier unten zu hocken, war nicht die Lösung. Außerdem würden Erik und Sara bald erfahren, wo ich mich versteckt hatte, und dann würde Sara mit Sicherheit kommen. Und vielleicht auch Erik, wenn es ein Komplott gab. Da war es besser, wenn ich wieder nach oben ging. Ich würde einfach so tun, als wäre nichts passiert und schauen, wie es weiterging. Doofer Plan. Eigentlich war es überhaupt kein Plan, aber irgendetwas musste ich ja tun.

Die See war im Moment ruhig und ich folgte Kris nach oben in den Salon. Sara sprang auf, als sie mich sah. Ihre Augen waren rot und sie hielt ein zerknülltes Taschentuch in der Hand.

„Eli, da bist du ja.“ Sie schien erleichtert. „Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht.“

War das echt oder gespielt? Ich wusste nicht, was ich glauben sollte, aber ich bekam die Zweifel daran, dass dies eine Verschwörung sein könnte, nicht aus meinem Kopf. Sie kam zu mir und nahm mich in den Arm, was ich widerwillig zuließ. Hinter ihr tauchte Erik auf und wandte sich Kris zu.

„Geh bitte in das Steuerhaus, Kris. Ich habe das Ruder auf Autopilot gestellt, aber jemand muss es überwachen. Ich komme gleich nach.“ Kris gehorchte und lief schnell an mir vorbei aus dem Salon.

„Der Wetterbericht sagt wieder schwere Stürme für die Gegend voraus“, erklärte Erik besorgt und nahm Saras Hand. „Sie könnten jeden Moment beginnen und wir müssen vorbereitet sein.“ Er gab Sara einen Kuss auf die Stirn. „Ich würde gerne hier bei dir bleiben, meine Liebe, aber ich muss wieder zu Kris und zur Sicherheit noch einmal den Kurs überprüfen.“ Er strich Sara übers Haar. Sie lächelte ihn an.

„Schön, dass du wieder bei uns bist, Elisa“, sagte er lächelnd. Doch von einem Moment auf den anderen wurde sein Gesichtsausdruck todernst. „Sara hat unheimlich darunter gelitten, dass du verschwunden warst. Es wäre schön, wenn du so etwas Unbedachtes nicht wieder tust.“ Sollte das eine Standpauke werden? Es fühlte sich sehr seltsam an. Beinahe so, als würde er als Vater zu mir sprechen, der meine Mutter vor mir, dem unartigen Kind beschützt. Das konnte er sich abschminken. Ich biss wütend die Zähne zusammen.

„Es ist alles gut.“ Sara sah mir wohl an, was ich gerade dachte. „Sie ist ja wieder da und es ist nichts passiert. Das ist die Hauptsache.“

Ich sagte gar nichts. Bei der Wut, die in mir brodelte, wäre mir sowieso nur ein unpassender Kommentar entwichen. Eriks glatte und supergebräunte Stirn legte sich einen Moment in Falten, ehe sich sein Gesicht plötzlich wieder entspannte. Er drehte sich um und strich Sara noch einmal lächelnd übers Haar, ehe er den Salon in Richtung Steuerhaus verließ.

„Bis gleich, meine Liebe“, rief er ihr zu. Sara warf ihm einen Luftkuss zu.

Musste Liebe schön sein. Mir wurde ganz übel.

„Geht es dir wirklich gut?“ Sie schaute mir in die Augen. „Wie ich sehe, hast du die Ersatzlinsen gefunden.“

Ich schwieg weiter.

„Ich habe Erik nichts von der Gilde und deiner Gabe verraten. Das musst du mir glauben, Eli.“

Ich zuckte nur kurz mit den Schultern.

„Er macht sich nur Sorgen, wie wir nach Volda kommen. Er lässt mich nun mal nicht gerne allein“, sagte Sara leise.

Ich verdrehte die Augen.

„Es dauert zwanzig Stunden oder mehr zu Fuß von Alesund nach Volda. Das ist eine weite Strecke und wir wären lange unterwegs. Wahrscheinlich würden wir dabei auch im Dunkeln laufen müssen.“

Das Argument war nicht abwegig. Sara hatte recht, aber ich wollte trotzdem nicht, dass die beiden mitkamen. Irgendetwas sträubte sich in mir, wenn ich daran dachte.

„Ich werde aber nicht mit dir mitkommen, wenn uns die beiden nach Volda bringen. Sie sollten sich lieber um ihren verloren gegangenen Großvater kümmern“, sagte ich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Kris war es gar nicht recht, dass sie uns erst nach Volda begleiten sollen. Das hat er vorhin gesagt.“ Das stimmte zwar nicht ganz, aber ich hatte ihm deutlich angesehen, dass er das gedacht hatte.

„Wirklich?“ Sara war erstaunt. „Das wusste ich nicht. Erik sagte, dass es ihnen nichts ausmacht.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich werde noch mal mit ihm reden. Vielleicht können sie uns ja auf dem Weg nach Alesund in der Nähe von Volda absetzen. Liadal wäre zum Beispiel ein guter Ort.“ Anscheinend kannte sie sich in der Gegend aus. „Wäre das eine Alternative für dich?“, fragte sie vorsichtig.

„Ich glaube, damit kann ich leben. Hauptsache sie kommen nicht mit uns mit.“ Obwohl nicht alle meine Zweifel ausgeräumt waren, würde ich darauf eingehen. Ich hatte eh keine Wahl, ohne Sara würde ich meine Eltern nicht finden. Ich würde mich also mit ihr zusammen auf den Weg zu ihnen machen. Hoffentlich täuschte ich mich nicht.

„Sie werden nicht mitkommen. Ich kümmere mich darum.“ Sie sagte das mit Bestimmtheit und verließ den Salon in Richtung Steuerhaus.

Die Gilde der Iris

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