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K A P I T E L 5

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Im Badezimmer lief er ratlos auf und ab. Ob er Gabriel noch einmal anrufen sollte? Seufzend drehte er den Wasserhahn der Wanne auf, prüfte die Temperatur des Strahls und ging anschließend in sein Schlafzimmer. Dort warf er sich auf das breite Bett mit der schwarzen Seidenbettwäsche. Die Wand am Kopf des Bettes zierte eine Fototapete. Es war ein Wald, der eine tiefe Sehnsucht in ihm weckte.

Michael holte sein Handy aus der Hosentasche hervor und drückte die Wahlwiederholung. »Gabi, ich bin es noch einmal. Ich lasse ihr gerade Badewasser ein.«

Am anderen Ende der Leitung lachte Gabriel lautstark auf. »Wie praktisch, dann stinkt sie gleich nicht mehr. Hey, Alter nutz die Chance und ran.«

Michael fuhr sich nervös durch sein strubbeliges Haar. »Ein Problemmädchen reicht mir.«

»Wow, hast du eine flachgelegt?« Warum musste sein Bruder ihn immer so schnell durchschauen? Trotzdem war Gabis Ausdrucksweise ein No-go für ihn.

»Ich weiß nicht, ob du sie kennst. Hab sie gestern auf einer Party kennen gelernt. Ich hab wirklich nicht geahnt, dass sie noch Jungfrau ist.«

»Boah, du hast Probleme, Alter. Gleich zwei heiße Bräute am Start und maulst nur rum.«

Michael verdrehte genervt die Augen. »Der Zausel ist nicht heiß, und Jenny ist eine Klette. Ich hab auf sowas echt keinen Bock.«

»Ist ja schon gut«, versuchte sein Bruder ihn zu beruhigen.

Er, Michael, war schon immer anders als der Rest der Familie gewesen. Die Männer ihres Clans konnten kaum einer schönen Frau widerstehen. Aber wenn sie sich einmal für eine Partnerin entschieden hatten, war das so bindend, dass sie dann absolut treu waren. Die Sache mit Jenny gehörte für ihn zu einer Ausnahme. Er war nicht der typische Aufreißer, der jeder hübschen Frau nachstiefelte. Ob die, die ihr Vater für Gabi ausgesucht hatte, wirklich die Richtige war? So, wie es klang, bezweifelte er es, wollte aber jetzt bei seinem Bruder kein Salz in die Wunde streuen. Er hörte ihm aufmerksam zu, als er von der fremden Familie, von ihren Ticks und Macken berichtete. Sie waren anders, als sie es beide kannten.

*

Die Michel-freie-Zeit nutzte ich, um Blitz und Donner weitere Fragen zu stellen. »Wo hat uns unsere Reise hingeführt? Diese fremde Welt verwirrt mich.«

Wie immer sprachen die beiden Vögel gleichzeitig. »Wir reisten durch die Zeit, Freyja. Der Dämon Zeratostus verschleppte deine Mutter hierhin.«

Ich musste die eben gehörten Worte erst einmal verdauen. »Ihr meint, wir wanderten durch die Zeit? Sind wir vor- oder rückwärts gegangen?« Eigentlich eine dumme Frage, denn es sah alles so aus, als wären wir nach vorne gelaufen.

Und schon erfolgte auch die Bestätigung meiner Vermutung. »Ja, wir sind genau 400 Jahre in die Zukunft gereist. Zeratostus fühlt sich in dieser Zeit sehr wohl. Die Menschen sind noch leichter zu verderben. Hier zählt Geld und Macht wie kaum zu einer anderen Epoche.«

Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Das hörte sich alles nicht gut an! Nun war mir schon wieder flau. Träume ich das denn alles nur?

Ich hatte nicht bemerkt, wie Michel den Raum wieder betreten hatte. Er hielt sich etwas an sein Ohr, während er mir erklärte: »Dein Badewasser ist fertig. Klamotten liegen auf dem Schrank.«

Ich verkniff es mir, mich nach dem Begriff Klamotten zu erkundigen. Ich würde schon sehen, was er meinte, und bedankte mich artig: »Danke, das ist sehr aufmerksam von Euch, Herr Graf.«

»Es reicht, wenn du mich beim Vornamen nennst. Ich sagte doch schon, ich bin nicht adelig.«

»Ich werde Euren Wunsch berücksichtigen. Verzeiht, Michel.«

*

Er verdrehte die Augen und ließ sich auf einem Stuhl nieder. »Hast du das jetzt mitbekommen?« Natürlich wusste er, dass sein Bruder jedes Wort von dem Zausel mit angehört hatte.

Gabriel lachte noch, als er ihm antwortete. »Vielleicht ist sie ja eine verzauberte Prinzessin«, flachste er.

»Schön wäre es. Nee, du. Sie ist nur eine arme Irre, die ich jetzt irgendwo abliefern muss. Hast du vielleicht eine Idee?«

»Vielleicht im Huyssenstift. Die haben da so eine Abteilung. Ich wüsste sonst auch nicht ...«

»Hier bist du. Ich warte schon die ganze Zeit auf dich.« Eine kindlich klingende Stimme rief nach Gabriel. Michael hatte sie noch nie zuvor gehört und war neugierig, zu wem die Stimme gehörte. Er konnte sich kein richtiges Bild dazu machen.

»Gleich, Shanti. Ich telefoniere mit meinem Bruder. Ich komme gleich.«

Das war also Shanti. Nun war er noch neugieriger auf diese junge Frau. Ihre Stimme passte zu einem achtjährigen Mädchen, nicht zu einer fast erwachsenen Frau. »Bestell ihm unbekannterweise schöne Grüße von mir.«

»Mach ich, lässt du uns bitte wieder allein?« Gabriel klang genervt, und Michael musste über diese Tatsache schmunzeln. Also erging es Gabi auch nicht viel besser als ihm selbst. Er hörte eine Tür schlagen. »So, sie ist draußen. Wo waren wir?«

»Junge, Junge, superglücklich klingst du aber auch nicht.«

Gabriel knurrte. »Du weißt, mein Bruder, alles hat seinen Preis.«

»Das hat es, mein Bruder. Weißt du eigentlich was Shanti bedeutet?«

Gabriel stutzte. »Nein, ich weiß nur, dass es ein indischer Name ist.«

Michael zögerte. Er wollte auf keinen Fall Öl ins Feuer gießen und seinen Bruder weiter reizen. »Der Name Shanti bedeutet übersetzt Frieden. Vielleicht wird eure Verbindung ja wirklich zum Frieden beitragen. Ich weiß, wie mies du dich im Moment fühlst und wir brauchen nicht weiter darüber zu sprechen.« Gabriel brummte zustimmend und wählte dann selbst ein unverfänglicheres Thema.

*

Im Bad zog ich meine verdreckte Kittelschürze aus und legte mich in die gefüllte Wanne. Ich schloss meine Augen, versuchte, mir meiner momentanen Situation bewusst zu werden. Ich war bei einem merkwürdigen Mann zu Hause und badete in seinem Zuber. Ein schicker Bottich, keine Frage. Neugierig befühlte ich das glatte Material.

Ich ahnte, dass mit Michel irgendetwas nicht stimmte, aber was es war, konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Vielleicht könnten Blitz und Donner mir ja etwas sagen. Gut, dass ihnen nichts zugestoßen war. Wie immer sangen sie munter ihre Lieder und waren guter Dinge. Das gab mir ebenfalls Mut.

Ich probierte die verschiedenen Essenzen, die Michel an der Wanne bereitgestellt hatte. Sie rochen aromatisch, aber irgendwie auch fremd, nicht wirklich nach Pflanzen und Kräutern. In dieser Zeit war alles unbekannt für mich, aber ich würde mich sicherlich daran gewöhnen, und ich freute mich, nicht alleine zu sein. Inständig hoffte ich, das hier nicht bloß zu träumen. Ich hatte große Furcht davor, aufzuwachen und abermals auf dem brennenden Scheiterhaufen zu stehen. Die Brandblase, die meinen Fuß zierte, erinnerte mich an die Pein und Angst, die ich noch vor kurzer Zeit erlitten hatte. Niemals im Leben hatte ich damit gerechnet, dem Tod entkommen zu können, und dann war das Wunder in Form meiner beiden Vögel tatsächlich geschehen.

Ich beendete das wohltuende Bad und überlegte, wie ich den Zuber leeren könnte. Auf einem Regal fand ich einen Becher, und ich begann, das Badewasser in einen Eimer, der in einer Ecke stand, umzufüllen. Leider war das Gefäß klein, deshalb dauerte die ganze Prozedur lange.

Michel klopfte nach einer ganzen Zeit zaghaft an die Tür fragte vorsichtig: »Freyja, alles in Ordnung bei dir?«

Erschrocken verhüllte ich mich mit einem Stück Stoff und öffnete ihm die Tür. »Ja, der Eimer ist leider voll und ich weiß nicht, was du mit dem Wasser vorhast.«

Seine dunklen Augen blickten mich ungläubig an. Er schien meine Frage nicht verstanden zu haben. Sein Blick glitt zu dem von mir gefüllten Eimer und er kratzte sich nachdenklich den Kopf. »Warum hast du denn das Wasser umgefüllt?«

Nun zuckte ich verständnislos mit den Schultern. Er war doch wirklich ein komischer Kauz. Ich räusperte mich, stellte mich aufrechter hin, indem ich meinen Rücken straffte, und versuchte nicht besserwisserisch zu klingen. »Ich wollte selbstverständlich den Zuber leeren und reinigen.«

»Zuber leeren?«, äffte er mich nach. Ich zwang mich, ruhig zu bleiben, nickte nur. Michel trat an die Wanne, zog an einer Kette. Ein Loch tat sich im Wannenboden auf, in das das restliche Wasser mit einem glucksenden Geräusch verschwand. Wie gebannt starrte ich auf das mir dargebotene Phänomen. Michel bemerkte meinen fassungslosen Gesichtsausdruck und erklärte mir kurz und knapp, dass das Wasser nun gereinigt würde und dann wieder aus dem Wasserkran aus der Wand herauskäme. Zur Demonstration drehte er den Hahn auf. Ich staunte nicht schlecht und fragte mich, welche Wunder mich hier noch erwarten würden?

Die Gilde der Rose

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