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K A P I T E L 4

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Er wollte seinen Augen nicht trauen, als er beobachten musste, wie sie trotz seiner lautstarken Warnung einfach in die Konservendose biss und schon im nächsten Moment wie ein nasser Sack in sich zusammenfiel.

»Na großartig«, knurrte er und postierte ihren Kopf auf einem Sofakissen. Michael holte eine Decke und breitete diese über Freyja aus, sodass sie nicht frieren brauchte. Was soll ich denn mit dieser Verrückten anstellen? Die ist ja zu allem fähig. Welcher normale Mensch beißt tatsächlich in eine Konservendose? Ich kenne niemanden. Nur dieser junge Zausel ist so plem-plem. Seufzend ging er ein paar Schritte im Zimmer auf und ab. Ob er gegen ihren Willen einfach einen Arzt anrufen sollte? Bestimmt war sie irgendwo ausgebrochen, und so, wie sie aussah und wie sie stank, nicht erst seit gestern. Er griff sich die Gelben Seiten, blätterte und sah sich bei den Eintragungen der hiesigen Ärzte um.

Sein Handy riss ihn aus seinen Überlegungen. Er hätte erst aufs Display gucken sollen, aber weil er zu abgelenkt war wegen Freyja, nahm er das Gespräch sofort an.

»Na mein großer, wilder ...«

»Jenny, wie geht es dir?» Verdammt, mit dem Girl von letzter Nacht wollte er jetzt auf keinen Fall sprechen. Ihre doofen Sprüche heute Morgen haben mir echt gereicht.

»Nicht so toll. Wir müssen unbedingt reden.«

Michael verdrehte genervt die Augen. »Ja, müssen wir noch einmal. Das, was ich heute Morgen gesagt habe, war so nicht gemeint...«

Sie fiel ihm jubilierend ins Wort. »Das dachte ich mir. Ich wusste, dass du nicht so ein Arsch bist, der ein Mädchen einfach nur flachlegt und dann wegschmeißt wie eine leere Flasche.«

Verdammt! Die Kleine versteht es mir Schuldgefühle einzujagen. Sein Festnetztelefon klingelte ebenfalls. »Ich muss jetzt Schluss machen. Ich melde mich bei dir.«

*

Wahrscheinlich war es der Hunger, der mich auch dieses Mal weckte. Ich öffnete die Augen. Unglaublich, ich lag immer noch in der ‘Bude‘ des Grafen. Es war also kein Traum gewesen. Mein Kopf tat weh. Selbst die Knetkur an Stirn und Nacken brachte keine Linderung. Aus dem Nebenraum hallte Michels Stimme zu mir. Er schien sich mit jemandem zu unterhalten. Ich lauschte.

»Nein, Gabi, ein komischer Vogel, oder besser gesagt, drei, die mir da ins Haus geflattert sind.« Er lachte über seinen eigenen Witz und erhielt, was mich wunderte, keine Antwort. Stattdessen sprach er weiter. »Nein, sie stand vorm Blücherturm herum und wäre fast platt gefahren worden. Ich konnte es so eben noch verhindern.« Es folgte eine kleine Pause, bis er weiter sprach. »Scharf? Nee, scharf ist was anderes. Sie ist eine kleine dreckige Rotzgöre, irgendwo entlaufen. Oder aber sie hat eins auf die Rübe bekommen und ihr Gedächtnis verloren.« Er sprach von mir, das wurde mir deutlich bewusst. »Sie trägt so merkwürdige Fetzen. Wie gesagt, ist zottelig und stinkt zehn Meilen gegen den Wind.« Mit wem spricht er da? Ich schämte mich und wünschte, mich in Luft auflösen zu können.

Ein vertrauter Geruch zog in meine Nase. Die Quelle lag auf einem Tischchen vor mir. Es waren Äpfel, die mich anlachten. Äpfel kannte ich, da konnte mich keine böse Überraschung ereilen. Ich griff nach dem Obst, verputzte einige gierig. Mein Gedärm rebellierte wegen der Hastigkeit. Mein Magen war es nicht mehr gewohnt, Speise aufzunehmen. Ein Unwohlsein beschlich mich. Es tat richtig weh. Ich wollte mich aufrichten, doch ein starker Schwindel überfiel mich, sodass ich zurück in die weichen Kissen plumpste. Dabei stieß ich weitere Äpfel von dem Tischchen, die polternd zu Boden fielen.

»Weiß? Das hört sich heiß an. Bruderherz, ich muss auflegen. Der Zausel ist wach und stellt schon wieder etwas an.«

Ich erschrak, als er heftig die Tür öffnete und zu mir eilte. Beim Näherkommen verzog er angewidert das Gesicht. Mir war klar, dass ich wie ein großer Misthaufen stinken musste. Ich selbst roch meinen Mief schon nicht mehr. Aber er erwähnte es ja auch gerade in seinem Gespräch. Wie peinlich. Warum tat sich die Erde nicht auf, und ich versank in ihr? Ich wandte den Kopf ab.

»Freyja, was ist denn passiert? Du siehst nicht gut aus.«

*

Sein Blick ruhte skeptisch auf ihrem Gesicht, das den Schmerz immer noch widerspiegelte. Sie versuchte, sich wieder in den Griff zu bekommen. Ihre dreckige Hand mit den ungepflegten Fingernägeln rieb über ihren flachen Bauch. »Verzeiht, aber mir sind die Äpfel nicht bekommen. Mein Leib schmerzt so sehr.«

Michael vermied es, ihr näher zu kommen. Boah, ich sollte sie ins Bad schicken, damit sie sich wäscht. Der Gestank ist ja kaum auszuhalten. Wo hat sie sich bloß herumgetrieben?

Er zwang sich, nicht die Beherrschung zu verlieren, merkte aber, wie sein Adamsapfel auf und ab sprang. Kein gutes Zeichen.

Michael bemerkte, dass sie seinen direkten Blick mied. Sie starrte hilflos die Wand an. Er seufzte innerlich. Sein Mitgefühl war durch ihre Hilflosigkeit geweckt. Er fragte sie: »Soll ich dir einen Tee machen?«

»Ja, Tee wäre mir recht. Wenn Ihr habt, Kamille, Anis und Kümmel.«

Wieder fiel ihm auf, wie merkwürdig das Mädchen sprach. So spricht kein Mensch. Trotzdem nickte er ihr zu. »Ich guck gleich nach. Vielleicht hat Gabriel ja so etwas gekauft.«

*

Er verließ den Raum. Blitz und Donner flatterten herein und setzten sich auf die Lehne der Couch, auf der ich ruhte. »Freyja, Freyja. Mach dich auf den Weg, deine Mutter zu suchen!« Ich verdrehte die Augen. Die beiden waren unmöglich. Natürlich wollte ich meine geliebte Mutter finden und befreien, aber doch nicht in diesem furchtbaren Zustand. Der Graf würde sonst bestimmt bald grün anlaufen. Außerdem musste ich erst wieder zu Kräften gelangen.

»Ich habe zu eilig die Äpfel hinunter geschlungen«, erklärte ich ihnen. »Michel bereitet mir einen Tee.«

»Michael heiße ich«, verbesserte er mich und stellte einen Trinkbecher mit einem Beutel direkt vor mir auf dem kleinen Tischchen ab.

Ich richtete mich vorsichtig auf, blickte skeptisch in die Tasse. »Was ist das? Wo habt Ihr die Kräuter für meinen Tee?«

»Das ist Tee. Es ist sogar Kamillentee. Mit wem hast du denn gerade gesprochen?« Meine zweite Frage ignorierte er völlig. Er wirkte abermals unruhig und ließ seine Blicke hastig durch seine ‘Bude‘ huschen.

Ich deutete auf meine beiden gefiederten Freunde. »Ich sprach mit Blitz und Donner, sie trotzten den Flammen und blieben unversehrt. Sie folgten mir in Euer Haus. Mit wem spracht Ihr?«

»Hast du mich etwa belauscht?« Etwas funkelte in seinen Augen und erschreckte mich.

Rasch schüttelte ich den Kopf. »Nein, Eure Stimme drang an mein Ohr. Nur antwortete nimmer ein anderer.«

Er schien mir immer noch nicht recht zu glauben. Erneut erklang dieses Knurren aus seinem tiefsten Inneren. Der Mann ängstigte mich.

Hilfesuchend blickte ich zu meinen Freunden. »Sprecht doch zu Graf Michel!«

Ehe Michel mich erneut verbessern konnte, taten es meine beiden Vögel. »Freyja, sein Name lautet Michael.«

Dem Grafen, der vorher eher skeptisch blickte, blieb nun vor Verblüffung der Mund offen stehen. »Was sind das denn für lustige Vögel? Eine Papageienart?« Ich kannte ihre Art selber nicht, deshalb zuckte ich nur kurz mit den Schultern und sah ihn fragend an.

Dann fiel mir etwas sehr wichtiges ein, vor dessen Antwort ich große Angst hatte. Aber ich musste es einfach von meinen beiden Freunden erfahren. »Konnte der Kater sich retten?«

Die Vögel unterbrachen ihr Schnäbeln und blickten mich an. Dann sprudelte die Antwort aus beiden gleichzeitig hervor: »Ja, Freyja. Als die Schergen kamen, holte er unseren Käfig von der Decke. Er verließ mit uns die Hütte und verschwand im Wald.« Ich atmete erleichtert auf. Ich hatte gewusst, dass er ein schlaues Tier war und einen Weg gefunden hatte. Aber dass er die beiden Vögel auch noch befreit hatte, freute mich umso mehr. Keiner war zu Schaden gekommen. Was war da noch Trauer um meine Kate von Nöten? Unwichtig!, beschloss ich.

Michel zog den Beutel, an welchem ein Faden befestigt war, aus meiner teeähnlichen Brühe und reichte mir die Tasse. Ich schnupperte. Es roch schwach nach Kamille, aber ich war dennoch guter Dinge, dass es mir helfen würde. Vorsichtig nippte ich an dem heißen Gebräu und genoss die Wärme, die sich beim Trinken in meinem Körper ausbreitete. Ich verlangte noch Nachschlag von dem Getränk. Dann fühlte ich mich so weit sicher, dass ich den Grafen nach einer Waschmöglichkeit fragte.

Ich sah, wie seine Gesichtsfarbe einen satten Rotton annahm und fragte mich, warum dem so war. »Ich bin kein Graf. Ich heiße nur Graf. Du bist ulkig. Ich lass dir Badewasser ein und such dir ein T-Shirt und eine Jogginghose von mir raus.«

Was immer das sein mochte, es war bestimmt alles ungefährlich. Er war also nicht adelig. Auch gut, wenn er ein normaler Bauer oder so etwas war.

Die Gilde der Rose

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