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K A P I T E L 11

Essen 2266

Diese Zeit war selbst ihm suspekt. Alles funktionierte nur noch elektronisch. Die Umgebung war ein bunter Regen aus verschiedenen Farben und schrillen Tönen. Es gab noch Menschen in dieser verdammten Zeit, aber sie waren im Begriff, auszusterben. Sie dienten als Sklaven oder einfach nur zur Unterhaltung. Aber er wollte sich auch nicht beklagen. Er wurde hier von diesen Wesen als ein Gott der Unterwelt verehrt, und sie brachten ihm, wenn er auftauchte, Menschenopfer. Der Dämon, der komplett in schwarzes Leder gekleidet war, schmunzelte bei diesen Gedanken. Manche Dinge starben einfach nie aus oder erlebten immer wieder eine Renaissance. Zeratostus versuchte, sich nicht von den vielen blinkenden Lichtern ablenken zu lassen. Es war für ihn immer dasselbe. Nur sehr langsam gewöhnten sich seine Sinne an die Reizüberflutung der vielen Elektronik. Zum Glück brauchte er hier nicht leben und konnte immer wieder zurückkehren in die Welt, die er liebte.

Ein Gleiter landete neben ihm. Der Dämon erschrak und zwang sich zur Ruhe. Er musste auf der Hut sein. Früher, als es noch Autos gab, fuhren diese alle mehr oder weniger ordentlich auf den Straßen. Die Gleiter folgten ihren individuellen Programmierungen. Sie konnten sich in der Luft, auf dem Boden sowie im Wasser fortbewegen. Die Luke des eiförmigen Fahrzeugs öffnete sich und zauberte dem Dämon ein sinnliches Lächeln ins Gesicht. Was für eine heiße Braut. Das war der Vorteil an dieser Zeit. Die Roboter, die Emotionen spürten und wie die menschliche Spezies reagierten, waren perfekt in der Entwicklung und auch in ihrem Äußeren. Die Frau, deren gertenschlanke Figur in einem grobmaschigen Catsuit nur spärlich verhüllt war, warf ihre lockige, dunkelrote Mähne zurück. Sie schenkte Zeratostus ein versprechendes Lächeln. Die Nacht fängt gut an. Er reichte ihr galant die Hand, und sie ließ sich aus dem Gleiter helfen. »Warum wird uns die Ehre zuteil, so hohen Besuch zu bekommen?«

Der Dämon lachte kalt. Er strich sich das offene Haar nach hinten und beugte sich zu der Rothaarigen hinüber. »Du weißt doch, Selma, dass ich einem Besuch bei dir nie abgeneigt bin.«

Die angesprochene Frau strich sich verlegen über ihre Hüften. Ein heiseres Lachen klang aus ihrer Kehle. Sie wusste, dass es besser war, den Mund zu halten und zu antworten, wenn der Gott sie etwas fragte, oder sie ihm Honig um das Maul schmieren konnte. So ließ sie sich von ihm in ihren Club führen. Dieser war um diese Uhrzeit bereits gut besucht. Zappelnde, halbnackte Leiber auf der Tanzfläche verrieten, wie angesagt das Blue Angel war. Selma wartete, bis er sie losließ und sie ihm einen besonderen Cocktail mixen konnte. Zeratostus hatte sich auf einem Hocker an der Bar niedergelassen und ließ seinen Blick über die tanzende Menge wandern. Sie haben mich noch nicht bemerkt, sonst würden sie sich anders verhalten. Alle würden sie auf die Knie fallen und mich anbeten. Aber das hat Zeit! Die Musik gefiel ihm nicht. Es waren einfach nur Töne aneinandergereiht, auf die diese Roboterwesen aber voll abgingen. Er nahm sein Getränk entgegen und blickte Selma dabei ungeniert auf die hochgepuschten Brustansätze. Sie strich sich lächelnd darüber, in der Vorfreude, heute noch eine wilde Nacht mit Zeratostus erleben zu dürfen.

Der Dämon nahm einen Schluck, spuckte den Drink angeekelt auf den Boden. »Was servierst du mir da für einen Schrott?«

Erschrecken zeigte sich in den glanzlosen Augen der Barbesitzerin. »Das ist unser neuester, angesagtester Cocktail, er ist ...«

»Schrott«, schnitt der Dämon ihr das Wort ab.

Selma schluckte ängstlich, klammerte sich an die Theke. »Du weißt, großer Fürst der Dunkelheit, dass ich für Euch immer nur das Beste will?« Ihre Stimme zitterte, und wieder faszinierte den Dämon, wie menschlich diese Roboter reagierten.

»Was bietest du mir denn zur Wiedergutmachung an?« Er kostete ihre Angst aus, labte sich an ihr. Das schmeckte doch viel besser als dieses dämliche Gesöff.

»Vielleicht habe ich tatsächlich etwas für Euch. Ich überreiche es Euch gerne, wenn ich Euch glücklich machen durfte.«

Die Augenbrauen des Dämons schnellten in die Höhe. Wie billig ist das denn? »Wenn ich eine Nutte gewollt hätte, wäre ich in einen Puff gegangen.« Seine Faust donnerte auf die Theke, und augenblicklich war es totenstill im ganzen Club. Der Gott der Unterwelt war anwesend - und auch noch erzürnt.

Zeratostus lehnte sich innerlich zurück. Nun kann die Party richtig losgehen! Alle Gesichter waren ausnahmslos ihm zugewandt. Nach und nach fielen alle Personen auf die Knie, beugten demutsvoll ihre Köpfe in seiner Richtung. So verharrten sie. Keiner bewegte sich mehr. Was sind das doch für armselige Kreaturen, die glauben, den Planeten erobert zu haben? Er spuckte vor ihnen aus. »Bah, ihr ekelt mich an. Wollt doch alle so schön und schlau sein. Und was seid ihr? Maschinen, an denen man nur gewisse Knöpfe drücken muss, um euch abzustellen.« Die Panik im Raum nahm zu. Zeratostus badete sich darin. Das war mit einer der Gründe, warum es ihn in diese Zeit zog. Diese Emotionen und die Menschenopfer, die sie ihm in ihrer Angst brachten. Er genoss die Situation noch eine Weile, wandte sich dann an Selma. »Erheb dich! Was hast du für mich? Ihr anderen dürft euch auch wieder bewegen. Es hängt alles von diesem Weib ab, ob ihr meinen Zorn heute noch spüren werdet.« Augenblicklich kam wieder Bewegung in die Menge. Die schrillen Töne erklangen wieder, und die Roboter tanzten weiter. Der Schrecken lag zwar noch in der Luft, verpuffte aber bereits.

Selma hatte sich ebenfalls aus ihrer Erstarrung gelöst. »Es ist noch ein Kind, aber sie bedient sich der Magie. Sie hat mit ihren bloßen Händen eine Ratte getötet.«

Zeratostus rollte mit den Augen. Das klingt erstmal nicht besonders interessant. »Ein Kind? Was hat sie gemacht? Hat sie dem Vieh den Hals umgedreht? Soll ich es dir mal an deinem Hals vormachen, wie ich es mir vorstelle?« Er streckte seine Hände vor, um es ihr zu demonstrieren.

Selma schluckte und schüttelte den Kopf. Sie erkannte, dass die Sache ihn zu langweilen begann, und das war sehr gefährlich. »Nein, großer Gott der Unterwelt. Ich habe mich ungeschickt ausgedrückt, edler Zeratostus. Ich meinte, mit einer bloßen Handbewegung. Sie machte merkwürdige Zeichen in der Luft, und die Ratte brach fiepend zusammen und starb.«

Das klingt schon interessanter. Vielleicht erwartet mich hier doch noch eine positive Überraschung. »Hat das Kind dabei gesprochen? Was sagte es?«

Erneut schüttelte die Rothaarige den Kopf. Sie hatte außergewöhnlich schöne Haare, stellte der Dämon bei diesem Schauspiel fest. Das Weibstück war wirklich rassig. Gut, dass sie ihm jederzeit zur Verfügung stand. Heute würde er sich erstmal um dieses mysteriöse Balg kümmern.

»Sie hat noch nie gesprochen.«

»Wo ist das Gör? Wie alt ist sie?«

»Sie schrubbt im Keller die Böden, und ich schätze sie auf 14 Jahre. Ihr genaues Alter weiß keiner. Sie irrte eines Tages einfach in meine Bar, und ich behielt sie zum Putzen.«

»Hol sie!« Er war neugierig auf dieses stumme Balg.

»Hey, du da, mach einen Long Island Icetea!« Den Cocktail kannte er wenigstens, und auch wenn das Getränk hier als antiquiert angesehen wurde, trank es der Dämon immer noch am liebsten.

Der Barmann, der einem Modellmagazin entsprungen zu sein schien, schob ihm das gewünschte Getränk gerade zu, als Selma mit dem Mädchen zurückkehrte. Struppiges, schwarzes Haar bedeckte fast ihr ganzes Gesicht, sodass man von diesem nichts erkennen konnte. Sie war von knabenhaftem Wuchs, gehüllt in eine weite Leinenbluse und Pluderhosen. Wie alle Sklaven war sie barfuß.

Selma stieß sie in die Richtung des Dämons. »Der Gott der Unterwelt will dich kennenlernen.« Der Stoß war zu heftig, dass Mädchen fiel auf die Knie. Aber kein Schmerzensschrei kam über seine Lippen. Trotzig reckte es den Kopf, und der Mund, den man nun erkennen konnte, formte sich zu einem Lächeln. Es verwirrte Zeratostus. Kein normaler Mensch lächelte, wenn er wusste, wem er gegenüberstand. Die Kleine muss den Verstand verloren haben.

»Ich habe die ganze Zeit auf Euch gewartet.« Die Bardame war überrascht, dass das Mädchen mit einem Mal sprach. Sie wollte ihr sofort zeigen, wie sie sich dem Gott gegenüber zu verhalten hatte und ihr eine Ohrfeige verpassen.

Zeratostus hob gebieterisch die Hand. »Nicht doch. Verängstige meine Kleine nicht noch mehr. Sie soll frei sprechen.«

»Aber sie kann doch gar nicht reden.«

Zeratostus lachte und lehnte sich kalt lächelnd zurück. »Ihr habt doch alle gehört, dass sie mit mir spricht. Sag mir deinen Namen, Kind!«

»Gar, das kommt von Garjetta, mein Herr.«

»Warum hast du vorher nie gesprochen?« Selma konnte es immer noch nicht fassen, aber eine herrische Handbewegung ihres Gottes befahl ihr zu schweigen.

»Das ist mir egal. Du freust dich also, dass ich dich mit in mein Reich nehme?«

»Ja, Euer Gnaden.« Das Mädchen hob das buschige Haar an, und zwei dunkle Knopfaugen blitzten freudig erregt aus ihrem Gesicht hervor. Was auch immer das Gör bewegen mochte, sich so zu verhalten, er mochte die Kleine. Was ihre magischen Fähigkeiten anging, darum würde er sich hinterher kümmern. Nun würde er das Kind mitnehmen und ihr seine Welt zeigen. Die Welt des Zirkus Adiamo. »Dann lass uns gehen, Gar.« Mit einer eleganten Bewegung erhob er sich von seinem Hocker, hielt ihr die Hand hin, die sie auch sofort ergriff. Sie würde ihm überallhin folgen, das war deutlich erkennbar.

Vor dem Club blieb Zeratostus stehen, schnippte mit den Fingern, und ein rotierender Ring bildete sich vor ihnen. Er war so hoch wie der Dämon selbst. Zeratostus brauchte sie nicht zu ziehen. Als wäre er ihr Vater, dem sie vertraute, betrat sie im Gleichschritt mit ihm die Tunnelöffnung. Ein Sog von Buchstaben und Zahlen erfasste sie, katapultierte sie durch die Zeit.

*

Ja, so war es damals gewesen. Damals? Eigentlich geschieht es ja erst in der der weitentfernten Zukunft. Zeratostus lachte über diese Gedankenspielerei. Zeit hatte für ihn eine andere Bedeutung. Er spielte mit ihr. Er konnte überall hin, in jede Epoche, und alle Jahrzehnte hatten ihre Reize. Er lenkte seinen Blick auf Garjetta, die damit beschäftigt war, die Höllenhunde abzurichten. Sie fürchtete weder Tod noch Teufel. Ja, sie war seine rechte Hand, und er konnte sich immer auf sie verlassen.

Die Gilde der Rose

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