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K A P I T E L 6

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Michel ließ mich wieder allein, und ich kleidete mich mit den Sachen, die er extra für mich zurechtgelegt hatte. Dann trat ich wieder zu ihm in die Wohnkammer.

Er saß auf der Erde an die Wand gelehnt und kaute auf einer Wurst. Als er mich erblickte, bot er mir auch eine an. Ich lehnte dankend ab. Mein Hunger war vorerst gestillt. Er erwiderte meinen forschenden Blick und stellte mit besorgter Miene fest: »Du humpelst ja.«

Ich nickte und versuchte meinen verbrannten Fuß nicht aufzusetzen. Beschämt schaute ich zu Boden. »Ja, das Feuer hat…« Ich biss mir auf die Zunge. Wie sollte ich ihm das alles nur erklären, es war ja selbst schwierig für mich, das Erlebte zu begreifen.

»Zeig mal!« Er legte seine Wurst zur Seite. Mit einer geschmeidigen Bewegung stand er auf und ehe ich mich versah, hatte er mich erneut auf die Couch gesetzt. Ich legte mich hin, sodass er meinen geschundenen Fuß begutachten konnte. Erschrocken zog er scharf die Luft durch die Zähne ein und eilte ins Bad, um mit einer Tinktur und einem Verband zurückzukommen. »Das sieht gar nicht gut aus. Mal sehen, ob meine Medizin überhaupt reicht. Was hast du da?“ Er fuhr mir bei der Frage über den gesunden Teil meiner Fußsohle, da, wo sich das Mal meiner Familie befand, das alle Frauen der Familie Rose besaßen. Ich erschauerte bei seiner Berührung. »Es sieht aus wie eine Rose.« Was sollte ich ihm darauf antworten? Es war eine Rose, das hatte er gut erkannt. Ich schwieg und mied seinen Blick. Seufzend versorgte er meine Brandwunde und umwickelte geschickt meinen Fuß mit dem Verband.

»Danke«, hauchte ich und ließ meinen Blick nun über ihn gleiten.

»Du bist mir wirklich ein Rätsel. Aus dieser Zeit scheinst du nicht zu kommen. Du bist merkwürdig.«

»Ihr auch«, konterte ich direkt.

Ein Schmunzeln huschte um seine vollen Lippen. »Da haben wir ja wenigstens etwas gemeinsam, Mylady.« Sein Blick traf mich mit spöttisch wirkender Miene. Er sieht gut aus, stellte ich in diesem Augenblick das erste Mal fest. Wirklich gut, nicht so wie die Männer aus meinem Dorf. Eigenartig, dass ich vorher nie auf so etwas geachtet hatte. Es war mir immer gleichgültig gewesen. Aber Michel war so ... interessant ... erklang eine leise Stimme in mir, und ich fragte mich, ob das an seinem hübschen Erscheinungsbild lag oder aber an dem Geheimnis, das ihn umwob. Ich konnte das Gefühl nicht abwehren, dass es Michel mit mir genauso erging. Eine sonderbare Situation, in der ich mich befand.

Er erhob sich und ging ins Bad. Als er zurückkam, drang ein Rauschen aus dem Badezimmer. Er ließ sich wieder nieder und blickte genau wie ich irritiert Blitz und Donner entgegen, die aufgeregt mit den Flügeln flatterten und aus dem Badezimmer kamen. »Freyja, Freyja. Du musst dich beeilen. Das Ei, das magische Ei!«

Siedend heiß fiel mir ein, wovon sie da sprachen. Das Ei war noch in meinem Kittel, und so, wie die beiden sich benahmen, war es in großer Gefahr. »Mein Ei, Michel, wo habt Ihr es hingetan?«

Michel sah mich entgeistert an. »Ei? Von welchem Ei sprichst du? Freyja, ich glaube langsam wirklich, du hast eins auf die Birne ... « Weiter kam er nicht. Ich sprang trotz meines lädierten Fußes auf und rannte ins Badezimmer.

Mein Kittel lag nicht mehr da, wo ich ihn zurückgelassen hatte. Panik überfiel mich. Meine Blicke suchten hektisch die Umgebung ab.

Michel, der mir gefolgt war, stand dicht hinter mir, sodass ich seine Körperwärme spüren konnte. »Freyja, was suchst du denn?« Als ich mich zu ihm herumdrehte, stand ich noch näher bei ihm, sodass ich instinktiv nach hinten zurück wich. Michel zog die buschigen Augenbrauen in die Höhe. »Ich verstehe nur Bahnhof. Wo hattest du dein Ei denn?«

»In meinem Kleid.«

Seine Augen weiteten sich. Rasch öffnete er den großen, weißen, rotierenden Kasten. Meinen Kittel fischte er heraus und hielt ihn mir mit zwei Fingern entgegen. Er verbarg seine Abneigung nicht. Ich nahm mein durchnässtes Kleidungsstück entgegen und fingerte das Ei aus meiner Tasche. Kritisch begutachtete ich das kleine goldene Ei ausführlich. Es war, dem Himmel sei Dank, nicht beschädigt. Erleichtert atmete ich auf und gab Michel mein nasses Kleid zurück. »Was macht das Ding mit meinem Kittel?«

»Na, waschen. Es stinkt ja zehn Meilen gegen den Wind.«

Skeptisch sah ich mir den Kasten genauer an. Ich hatte noch nie etwas Vergleichbares gesehen. »Da drin?«

Ich hörte, wie Michel scharf die Luft einsog. »Freyja, du solltest mir langsam reinen Wein einschenken. Ich will dir ja helfen, aber so werde ich aus dir einfach nicht schlau.«

Ein Alarmsignal meldete sich in meinem Kopf. Er ist fremd, birgt ein Geheimnis, und diesem Kerl soll ich vertrauen? Hier war Vorsicht angesagt. Ich versuchte meinerseits, Informationen von ihm zu erhaschen. »Wie funktioniert dieser Kasten?«

Michel seufzte. Er stützte sich am Türrahmen hinter meinem Kopf ab und kam meinem Gesicht bedrohlich nah. Er schien mich wie ein Tier abzuschnüffeln, aber dennoch nicht so direkt, wie es ein Hund tun würde. »Ich mache dir einen Vorschlag. Ich beantworte deine Fragen, und im Gegenzug gibst du mir Antworten auf meine Fragen. Ist das okay für dich?«

Dieses Mal war ich nicht vor ihm zurückgewichen. Kurz dachte ich über seinen Vorschlag nach. Was habe ich schon zu verlieren, wenn er die Wahrheit erfährt? Wäre er ein oder sogar der besagte Dämon, hätten Blitz und Donner mich längst gewarnt. Mir bleibt also nichts anderes übrig, wenn ich bei der Suche nach meiner Mutter weiterkommen will.

Ich nickte ihm mit einem lauten, tiefen Seufzer zu und folgte ihm in die Wohnstube. Wir machten es uns gemütlich und tranken Bier. Ich war froh, dass es das in dieser Zeit noch gab. Michels bohrender Blick traf mich. »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll«, gab ich kleinlaut zu.

Michel zuckte mit den Achseln, lehnte sich zurück und nahm einen großen Schluck. »Prost!« Er stieß seine Flasche gegen meine. Ich nahm einen Schluck und war erstaunt, wie sich der Geschmack von Bier in den letzten hundert Jahren verändert hatte. Es schmeckte immer noch, aber im Gegensatz zu früher war es nicht mehr ganz so würzig. Ich würde mich an den neuen Geschmack gewöhnen müssen.

»Das tut gut, und es mundet mir vorzüglich.« Durstig, wie ich war, trank ich sehr zügig. »Prost«, verkündete ich immer lauter werdend. Dieses Mal schlug ich meine Flasche gegen seine. Nach einem weiteren kräftigen Schluck begann ich einfach, ihm von meinem Traum von meiner verstorbenen Großmutter zu erzählen. Michel schwieg die ganze Zeit, hörte mir nur aufmerksam zu. Er verzog keine Miene bei meinen Worten, nippte nur hin und wieder an seiner Flasche.

»... und dann befand ich mich auf einmal in deiner Zeit, und den Rest kennst du ja. Dieses Ungetüm raste direkt auf mich zu. Ich glaube, es war ein Drache.« Mittlerweile war ich einfach zum ‚du‘ übergegangen. Er war ja auch gar kein Graf, wie er mir versichert hatte. Der Alkohol lockerte immer mehr meine Zunge.

Meine Worte ernteten einen ungläubigen Ausdruck. »Drache? Du meinst den LKW?«

»Wie auch immer dieses Monster genannt wird. Jedenfalls wollte es mich angreifen, doch du konntest mich ja noch rechtzeitig retten.«

»Er hätte dich beinahe überfahren«, verbesserte Michel mich. Ich sah ihm an, dass er am Liebsten losgelacht hätte. Ich schien etwas sehr Dummes gesagt zu haben. Er bemerkte meine Verunsicherung, denn er schob folgende Worte rasch nach: »Aber das Ergebnis wäre das Gleiche gewesen. Du wärst nun mausetot.«

Ich verstand ihn immer noch nicht richtig. Michel griff nach einem flachen Kasten, drückte etwas, und ein Bild an der Wand fing an, sich zu bewegen. Es tauchten immer mehr lebende Bilder auf, und ich starrte mit offenem Mund auf das mir Gebotene. Michel erklärte mir Vieles mithilfe des Fernsehers, wie der magische Kasten hieß. Es war alles so schwierig und neu für mich. Ich versuchte aber, es zu verstehen. Was für eine Welt, in die ich da geraten war! Eigentlich war es ja meine eigene, nur viel später. Kaum zu glauben, dass sich alles mal so entwickeln würde. Wirklich verrückt. Unglaublich! Was es alles gab. Man brauchte überhaupt keine Magier mehr. Die Menschen konnten so viel und wussten auch viel mehr als zu meiner Zeit.

Mit einem Mal spürte ich tiefe Erschöpfung in mir. Ich gähnte laut. Michel schaltete den Fernseher aus. Das Bild verschwand, augenblicklich kehrte Stille ein. »Du kannst in meinem Bett schlafen. Ich penne dann auf dem Sofa.«

Ich hatte keine Kraft mehr, um mich mit ihm über irgendetwas zu streiten. So ließ ich es zu, dass Michel mir half, mich zu erheben. Völlig entkräftet fiel ich in sein Bett. Es war so riesig und weich. Das Bett einer Prinzessin. Das Letzte, was ich hörte, war seine Erwiderung auf mein: »Danke, Michel!«

»Michael heiße ich.« Dann schloss mich ein tiefer Schlaf in seine Arme.

Die Gilde der Rose

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