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Februar 2018

Der Tag, an dem ich meine Karte kaufen wollte, war ein kalter Tag. Ich trug lange Jeans, darunter eine Leggins und dicke Socken, ein T-Shirt und einen langen Pulli, darüber einen langen Mantel und die Stiefel, die ich mir vor einem Jahr gekauft hatte. Und wenn man dazu auch noch mit einem Meter fünfundfünfzig 105 Kilo wog, sah das nicht wirklich ästhetisch aus. Zumindest war das mein Empfinden. Also schob ich meinen dicken Hintern in den vielen Klamotten vor dem Laden hin und her, in dem es die heiß begehrte Karte gab, die mich meinem Liebling näherbringen würde. Große Hoffnungen machte ich mir keine, aber wer wusste schon, was passieren würde? Reine Phantasie eines Fans zu seinem Star. Manchmal glaubte ich sogar, dass ich mich in diesen Mann verliebt hätte, tat es aber immer wieder als bloße Schwärmerei ab. In einen Star verliebte man sich einfach nicht. Universen lagen da zwischen Fan und demjenigen, dem man seine ganze Aufmerksamkeit schenkte. Aber ist es nicht genau das, was Verliebtheit ausmacht? Man sieht einen Menschen und fühlt sich zu ihm hingezogen. Dann versucht man, ihn - oder sie - kennenzulernen und hofft letztendlich, mit ihm – oder ihr – zusammenzukommen. Wohl nicht die geschickteste Art, sowas zu beschreiben, aber im Ansatz sollte es richtig sein. Jedenfalls stand ich da in meinen Zwiebelklamotten und tippelte auf meinen Füßen herum, weil ich es einfach nicht abwarten konnte, das gesparte Geld auszugeben. 250 Dollar sollte die Karte kosten. Fast zwei Jahre hatte ich immer wieder Geld weggelegt, um Jason Momoa etwas näher zu sein - ihn endlich einmal live zu erleben. YouTube war zwar klasse, aber das Feeling war einfach nicht dasselbe. Rund um mich herum standen junge Damen und Herren, so zwischen sechzehn und fünfundzwanzig, die sich gegenseitig aufputschten, wie Teenager giggelten und ihre Errungenschaften der Freundin zeigten, während die Herren die Augen verdrehten und wohl nicht verstanden, wie man so ein Gewese um die Stars machen konnte. Ich sah mich in der Menge um, die mir den Zugang zu dem Laden versperrte. Ich musste an meine eigene Jugend denken. Ich will damit nicht sagen, dass ich alt wäre, aber dennoch war früher alles anders. Ich war nicht besser gewesen als die schmachtenden und schwärmenden Mädels hier.

Und in dieser Menge konnte ich nicht nur Strahlen und Schwärmen sehen, sondern auch Ver- oder Bewunderung. Oder Skepsis, dass ich in meinem Alter wie ein Goth gekleidet war. Genau konnte ich die Mimik der Jugend nicht deuten. Was aber auch völlig egal war. Ich war hier, um meine Karte abzuholen. Und dann kam ich endlich an die Reihe.

»Die VIP-Karte für Beth O’Keefe, bitte«, bat ich den Verkäufer freundlich lächelnd um die Karte, die ich vor einem Jahr mit fünfundsiebzig Dollar angezahlt hatte.

Er blickte mich nicht weniger dumm an, als die Leute um mich herum. Sofort ging ein Raunen durch die Menge. Ich sah mich mit erhobener Braue um; einen fragenden Ausdruck im Gesicht. Nach und nach ließ ich meine Augen über die Gesichter gleiten, die ich sehen konnte. Der ein oder andere sah ertappt zur Seite, ehe ich mich wieder dem Herrn hinter der Theke zuwandte.

»Einen Moment, bitte«, sagte der Verkäufer freundlich. Während ich nach meinem Geldbeutel kramte, verließ der Verkäufer einen Moment die Theke, denn ich konnte ihn im nächsten Moment laut reden hören. »Wo ist die Karte?«, konnte man ihn gedämpft maulen hören, was mich stutzig werden ließ. Meine Verwunderung konnte man an der gehobenen Braue sehen, die fast den Haaransatz berührte.

»Die habe ich heute Morgen verkauft«, hörte ich eine junge Dame sagen. Wohl mit einer Erklärung, die dem Ladeninhaber gar nicht gefiel. Ich versuchte das Gehörte zu verarbeiten, wobei mir die Gesichtszüge entglitten.

»Das darf ja wohl nicht wahr sein!!!«, brüllte er und eilte zu mir und meinem wütenden Gesicht zurück. Der Herr dachte eine Weile nach, ehe er wohl eine Idee hatte.

»Geben Sie mir vierundzwanzig Stunden, um eine Karte für Sie zu bekommen«, bat er mich, was mich die Röte auf meinen Wangen kostete. Die Idee gefiel mir, auch wenn ich gerne den Laden auseinandergenommen hätte. »Könnte ich Ihre Nummer haben? Dann rufe ich Sie an, sobald ich die Karte habe.« Ich sah den Herrn noch eine Weile wütend an, denn die Karten waren so wenige, dass sie sehr schnell vergriffen waren. Seufzend zog ich mein Handy aus meinem Rucksack und las ihm die Nummer vor, die er sich direkt aufschrieb.

»Na hoffentlich bekommen Sie noch eine. Ich weiß, wie schnell die Karten vergriffen sind.« Ich versuchte ruhig zu bleiben, auch wenn ich jetzt lieber losgeheult hätte. Nickend versicherte er mir, dass er alles tun würde, um eine Karte zu bekommen. Also steckte ich mein Geld wieder ein und verließ den Laden mit knallroten Ohren, die sich auf tausend Grad aufgeheizt hatten.

In der riesigen Mall, in der sich der kleine Vorverkaufsladen befand, gab es natürlich auch noch andere Shops, die man gerne besuchte. Besonders gefiel mir der Klamottenladen, der Hosen, Shirts und Konsorten im Gothic-Stil verkaufte. Nur einmal einkaufen können wie ich will, dachte ich mir immer, wenn ich an den Fenstern vorbei ging und die vielen schwarzen Sachen sah, die ich mir, trotz des niedrigen Preises, immer noch nicht leisten konnte. Ich lief auf den Coffeeshop zu, um mir einen Cappuccino zu holen. Hinter der großen Fensterfront war Papier gespannt, so dass ich einen schonungslosen Anblick auf mein Spiegelbild erhaschte. Ich blieb stehen, betrachtete mich und drehte mich prüfend zur Seite. Ich schnaufte resignierend, hob dabei die Arme und ließ sie wieder fallen.

»Ab morgen mach ich Sport«, maulte ich mein Spiegelbild an und verwarf die Idee eines Cappuccinos, steuerte stattdessen den Supermarkt an und kaufte alles ein, was ich eigentlich nicht aß. Da gab es Gemüse, Fisch, Geflügelfleisch… eben alles, was man zum Abnehmen brauchte. Nahrhaft, mit wenig Kohlenhydraten. Dennoch konnte ich mir einen angewiderten Gesichtsausdruck nicht verkneifen. Meine Kost bestand normalerweise aus Nudeln, Fleisch, Burgern – kurz: alles was heftig und deftig war. Aber seit ich das Rauchen aufgegeben hatte, ging es mit meinem Gewicht bergab. Ich konnte noch so wenig essen, die Waage zeigte jeden Tag ein Kilo mehr an. Und das wirkte sich nicht nur auf den Anblick im Spiegel aus. Auch mein Gemüt litt darunter. Und gerade jetzt verhöhnte mich die Scheibe wegen des Bauches, den ich vor mir herschob. Mein Zorn kochte auf und verblasste genauso schnell wieder, als ich die leise Stimme meines zweiten Ichs in meinem Kopf hörte. Dann tu halt was dagegen, sagte sie. Und sie hatte Recht. Ich durfte mich nicht bemitleiden, sondern musste etwas tun. Also packte ich den Einkaufswagen bis oben hin voll und bezahlte mit Karte, die die Kassiererin lächelnd an sich nahm und die Rechnung fertig machte. Vier Tüten! Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Aber helfen tat das auch nichts. Die Sachen mussten nach Hause und in den Kühlschrank. Also ließ ich zwei Tüten erst mal zurück, brachte die ersten zwei hinaus und verstaute sie im Kofferraum meines Wagens. Dann holte ich die anderen zwei Tüten und gesellte sie zu den ersten beiden. Seltsamerweise ließ mich der Anblick dieser Tüten lächeln.

Ich schnipste mit den Fingern, denn ich hatte keine Ahnung, wie man richtig aß. Also zurück in die Mall und in den ansässigen Buchladen, wo ich mir ein Buch kaufte, das mir bei der Zubereitung der Gerichte helfen sollte.

Hatte ich früher immer die Treppe genommen, musste heute der Fahrstuhl mein Gewicht in den dritten Stock bringen. Dennoch japste ich nach Luft, als ich die Tüten in die Küche stellte, denn dieses Gewicht schaffte mich genauso sehr, als wäre ich die kompletten Stufen hochgelaufen.

»Es wird echt Zeit«, schnaufte ich immer noch, als ich meinen Entschluss bestärkte. Sicher zehn Minuten saß ich auf dem Stuhl und wartete darauf, dass sich meine Atmung wieder verlangsamte. Dann räumte ich die Tüten aus und setzte mich mit dem Buch auf die Couch, um es zu studieren. Schlecht sahen die darin enthaltenen Gerichte nicht aus, aber die überwiegende Zahl der Rezepte beinhaltete Zutaten, die ich wirklich nicht mochte. »Na, das geht auch ohne«, meinte ich zu einem Gericht mit Pilzen, ehe ich das Buch schloss und neben mich auf die Couch legte. Mittlerweile machten mich so kleine Anstrengungen recht müde, so dass ich einschlief und von diesem Verkäufer träumte, den ich in meinem Traum nicht gerade nett behandelte. Auch seine junge Angestellte kam nicht gut dabei weg.

The Story of my Life

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