Читать книгу The Story of my Life - Tanja Gleich - Страница 7
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13. September 2018
Mein Geburtstag. Gott sei Dank kein Freitag. Ich hasste es, wenn mein Geburtstag auf einen Freitag fiel. Dafür war dieser Donnerstag ein warmer Tag. Mit etwa zwanzig Grad fing der Morgen doch ziemlich gut an. Da ich niemanden hatte, den ich zu meinem Geburtstag einladen konnte, holte ich die Bilder der Stars heraus und stellte meine eigene Lieblingsstarliste zusammen, die mich durch den Tag begleiten sollten. Khal Drogo stand natürlich an erster Stelle. Oder lieber Jason? Och ja. Die realen Figuren sagten mir dann doch mehr zu. Würde schon seltsam anmuten, wenn Khal Drogo und Daenerys sich trafen und dann in meinem Schlafzimmer landeten. Herzlich begann ich zu lachen, holte einige Bilder aus den Zeichenrollen und verteilte sie so, wie ich sie haben wollte. Jason setzte ich in den Sessel, Emilia auf die Couch und neben ihr Kit – Jon Schnee. Rose ließ ich zu Hause, auch wenn sie Kits Frau war. War ja schließlich meine Party. Rory McCann stellte ich auf den Beistelltisch an der Tür.
»Schön aufpassen, Bluthund.« Lachend ging ich zurück ins Wohnzimmer und betrachtete meine Gäste, die ich auf die Couch gesetzt hatte. Abgeneigt schüttelte ich den Kopf, wobei ich eine Grimasse schnitt und »Nee, nee, nee« sagte. Also rollte ich Kits Bild wieder auf und lächelte nun meine Lieblinge an. Jon Schnees Bild gab ich wieder in die Rolle, um dann meine Gäste zu begrüßen. Aber wie begrüßte man den Mann, den man am liebsten an sich fesselte? Oder ihn auf der Stelle vernaschen, ihn vom Fleck weg heiraten oder einfach nur anhimmeln wollte? Lange sah ich Jasons Bild an, das ich gezeichnet hatte. Die Begrüßung gestaltete sich ziemlich schwierig, denn ein Bild war noch lange nicht die reale Person. Ich räusperte mich und straffte meine Statur. »Hi Jason. Hey Emilia. Wie geht es so? Schön, dass ihr gekommen seid.« Ich verdrehte meine Augen und schüttelte den Kopf. »Geht ja mal gar nicht.«
Der Teppich freute sich sicher über die Spur, die ich beim Hin- und Herlaufen verursachte. Nach einer ganzen Weile blieb ich wieder vorm Tisch stehen und räusperte mich. »Mister Momoa, Mrs Clarke. Schön, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind.« Sofort kniff ich die Augen zusammen, raufte meine Haare und stapfte zu einer Wand, die mal wieder für meine Zwecke leiden musste. Dreimal hieb ich meine Stirn gegen die Wand. »Das ist ja noch blöder«, stellte ich fest, während ich mir die Stirn rieb. Ich machte mir tatsächlich Gedanken, wie ich ein Bild begrüßen sollte. Schnaufend strich ich mir die Haare zurecht und ging in die Küche, um mir einen Tee zu machen.
Während der Earl Grey vor sich hin zog, brachte ich die kleine Erdbeer-Sahne-Torte ins Wohnzimmer, stellte einen Teller darauf und legte Besteck dazu. Lange starrte ich Emilias Bild an, ehe ich meine Situation kommentierte. »Ganz schön traurig, sich einen schönen Tag mit Bildern zu machen.« Ich spürte, wie sich Tränen in meine Augen bildeten, schluckte aber den Kloß im Hals herunter, ehe das Gefühl zu mächtig werden konnte. Schulterzuckend wandte ich mich der Küche zu, um meine Tasse zu holen. Dann zündete ich die zwei Kerzen an, die mich daran erinnerten, dass ich nächstes Jahr fünfzig werden würde. Ein halbes Jahrhundert würde dann hinter mir liegen. Und dabei kam es mir vor, als wäre ich gestern erst achtzehn geworden. Erneut zuckte ich die Schultern. Dann sang ich: »Happy birthday to me. Happy birthday to me. Happy birthday dear Bethany. Happy birthday to me«, pustete die Kerzen aus, klatschte in die Hände und wünschte mir natürlich nur einen Augenblick mit Jason. Dann setzte ich mich neben dem Sessel auf den Boden, als würde ich zu Jasons Füßen sitzen. Die Tasse hatte ich so platziert, dass ich sie bequem vom Tisch nehmen konnte. Doch noch bevor ich meinen Kuchen essen würde, suchte ich mir ›Canvas of my Life‹ heraus, das ich über mein Handy auf den Fernseher schickte. Es dauerte nicht lange, ehe der Fernseher aufflackerte und man die ersten Bilder des Videos sehen konnte. »Ach, Mist«, brummte ich, als mir einfiel, dass ich meine Geburtstagsgeschenke vergessen hatte. Ich hielt das Video an und ging ins Schlafzimmer, um die Päckchen zu holen. Zwei an der Zahl. Während ich ins Wohnzimmer zurückkehrte, konnte ich es mir nicht verkneifen, »Brav so. Lieber Hund« zu Rory McCanns Bild zu sagen. Erneut lachte ich und verteilte die Geschenke so, wie ich sie vorgesehen hatte. Das Gothic-Kleid ließ ich mir von Jason schenken. Ich konnte es dann doch nicht mehr bis Ende September abwarten und hatte das Kleid früher gekauft. Die passende Handtasche ließ ich mir von Emilia schenken. Ich kniete mich vor den Tisch und strahlte die Beiden an. »Das wäre aber nicht nötig gewesen. Danke.« Ich warf beiden einen Luftkuss zu und öffnete als erstes die Packung mit dem Kleid, das ich überrascht und absolut überwältig aus der Schachtel zog. »O mein Gott!«, sagte ich ehrfürchtig und erhob mich mit dem Kleid, das ich schon hatte kürzen lassen. »Das ist wunderschön«, hauchte ich mit belegter Stimme in Jasons Richtung und warf ihm ein Küsschen zu. Als ich es eine Weile von oben an mir betrachtet hatte, hibbelte ich kichernd ins Schlafzimmer und zog das Kleid an, das mir endlich passte und wie angegossen saß. Das Einzige, das jetzt noch störte, war die viele Haut, die sich nicht zurückbilden wollte. Darüber musste ich unbedingt mit meiner Versicherung reden. Mit stolz geschwellter Brust ging ich zurück ins Wohnzimmer und konnte hinter meiner Stirn ein Raunen hören.
›Du siehst umwerfend aus‹, ließ ich Emilia sagen.
›Einfach atemberaubend‹, kommentierte der Mann meiner Träume das Kleid, das er mir geschenkt hatte. Und dann kam ich mir dumm vor. Es fehlte nur noch das Klingeln an der Tür, hinter der ich einen Psychiater fand, der mich einweisen wollte. Ich öffnete noch das andere Päckchen und ging zurück ins Schlafzimmer, um mir das Kleid zusammen mit der Handtasche anzusehen. Ich wusste zwar nicht, wann ich dieses Kleid tragen sollte, aber das war unwichtig. Es gehörte mir. Und wenn ich es nur einmal im Jahr vor meinem Spiegel trug. Ich räumte die Sachen weg, zog mir meine Puschen an und ging rüber ins Wohnzimmer, wo ich die Bilder wegnahm. Dennoch sah ich zwischen den Bildern hin und her und stellte Jason auf die Couch. Dann packte ich Emilias Bild weg und verschloss ihre Rolle. Den Bluthund vergaß ich natürlich auch nicht. Der würde mir einen Schreck fürs Leben versetzen, wenn ich nachts aufwachen und aus dem Schlafzimmer kommen würde. Als ich zurück ins Wohnzimmer kam, schnappte ich meinen Teller und die Fernbedienung und setzte mich in den Sessel. Die Füße hatte ich hochgezogen und saß nun mit angewinkelten Beinen da. Schmunzelnd betrachtete ich die Position und begann, leise zu lachen.
»Noch vor acht Monaten war das nicht möglich.« Ich startete das Video und aß dabei ausnahmsweise zwei Stücke Torte. Na ja, es war eine kleine Torte, also galt das eher als ein normal großes Stück. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Beth«, wünschte ich mir erneut. Dazu hob ich meine Tasse, prostete dem Fernseher und dem Bild zu und trank dann einen vorsichtigen Schluck. In solchen Momenten wurde mir schmerzlich bewusst, wie alleine ich mich manchmal fühlte. Für gewöhnlich saß ich dann da und weinte stundenlang, bis dieses Gefühl vergangen war. Meine Mom hätte mich normalerweise getröstet und mir ihre Gegenwart geschenkt, so lange wie ich es wollte. Doch damals gab es solche Momente nicht. Erst als Mom und Dad vom Schicksal geschlagen wurden, musste ich feststellen, wie sehr meine Eltern mir doch fehlten. Und jetzt, neunundzwanzig Jahre später, waren meine einzigen Freunde die Bilder der Stars aus meiner Lieblingsserie. »Tz. Wäre traurig, wenn es nicht so aberwitzig wäre.« Tief atmete ich durch und trank einen Schluck des Tees. Das Video war bereits zu Ende und hatte zu einem anderen Video gewechselt. Murrend stellte ich die Torte in den Kühlschrank und ging dann zum DVD-Regal, aus dem ich Justice League zog und in den Player legte. Nochmal sah ich auf die Puschen, die zu dieser Zeit eigentlich unnötig sein sollten. Grinsend wackelte ich mit den Zehen, ehe ich ins Menü wechselte und den Film startete. ›Everybody knows‹ von Sigrid kam mir entgegen, als sich auch schon Tränen in meinen Augen bildeten, weil Superman tot war. Für die Meisten völliger Blödsinn, aber für mich völlig normal. Etwas, das ich von meinem Vater geerbt hatte. Ob Buch oder Film. In beides konnte ich mich so tief hineinversetzen, dass ich den kalten Wind spürte, der in der schwarzen Festung wehte. Oder so sehr schluchzte, dass sich alles schmerzhaft zusammenzog, weil ein Dinosaurier zurückblieb und dem Schiff hinterher sah. Schnell atmete ich tief durch und schüttelte meine Gedanken ab, die ich jetzt nicht haben wollte. Lieber bald Jason sehen. Mit diesen intensiv blauen Augen, bei denen ich mir immer wieder auf die Unterlippe biss. Das erinnerte mich daran, dass Aquaman am einundzwanzigsten Dezember in die Kinos kam. Ich war schon tierisch gespannt, wie der Film sein würde. »O Mann!«, grinste ich und rollte dabei meine Augen, während ich meinen Kopf drehte, um das Bild von Jason neben mir auf der Couch anzusehen. »Wie kannst du nur mein Traummann sein?« Lachend rieb ich über meine Arme, auf denen sich eine Gänsehaut gebildet hatte. Da Jason noch nicht zu sehen war, stoppte ich den Film und suchte mir den Trailer zu Aquaman raus. Fünf Minuten und siebzehn Sekunden Jason in seinem neuesten Film: Aquaman. Wenn jemand einen Bad Guy suchte, dann war er die beste Wahl dafür. Und das machte mir gerade wieder schwer zu schaffen. Liebe, Verliebtsein, einfache Begierde ... Was war es, das mich bei diesem Mann solche Gefühlen haben ließ? Ich wusste es nicht. Oder vielleicht wollte ich es mir nicht eingestehen, dass man sich wirklich in einen Star verlieben konnte. Warum auch nicht? Stars waren auch nur Menschen mit Gefühlen, Bedürfnissen. Mit Rechnungen, die sie bezahlen mussten. Aber so wollte ich nicht denken. Jemand wie ich hatte nicht das Glück einem Star zu begegnen. Kopfschüttelnd stand ich auf und ging meine Unterwäsche wechseln.
Ein Video nach dem anderen sah ich mir an. Ich hatte genug Stoff, um den Tag mit Jason zu verbringen, auch wenn das nicht wirklich ein Ersatz für den Mann war, dem ich gerne einmal begegnen würde. Was mich erneut dazu brachte, an die Premiere von Aquaman in New York City zu denken. Für die Premiere am 21. wäre ich sicher zu spät, da ich mein Glück kannte. Ich stellte mir das etwa so vor: Der Tag, an dem der Ticketverkauf startete. Ich würde auf glühenden Kohlen an meinem PC sitzen, hatte die Hand auf der Maus und behielt den Countdown im Auge. Und sobald die Null dastand, würde ich klicken und versuchen, so schnell wie möglich ein Ticket zu bestellen. Doch da ich nicht mehr so schnell wie früher oder vielleicht auch niemals war, weil ich nie so schnell hatte sein müssen, würde dann beim ›Zur Kasse gehen‹ dastehen, dass die Tickets bereits ausverkauft waren. Dieses Pech hatte ich schon immer. Irgendwann hatte ich es ganz aufgegeben.
Aber dieses Mal würde ich den Mann meiner Träume sehen. Und wenn es auch nur von weitem wäre; auf einem Stuhl stehend damit ich über die Großen hinwegsehen konnte. Bei diesen Gedanken fing ich an zu lächeln und fand mich in einem Traum wieder.
»Hallo?«, rief ich und sah mich in dieser riesigen Halle um, in der man einen pompösen Ball hätte geben können und die meine Stimme in einem Echo mit sich nahm. Holztäfelungen, in die Wand gearbeitete Bilder, Kronleuchter, die im Schein der Lichter glitzerten wie die Sterne am Himmel, Stühle, die aus einem anderen Jahrhundert stammten, unzählige Vasen mit Callas. Rote, grüne, weiße, gelbe; alle Farben waren hier vertreten. Sogar eine schwarze meiner Lieblingsblume gab es hier. An der Decke sah ich Bilder, von denen ich nur wenige benennen konnte: Da Vincis Abendmahl, die Erschaffung Adams von Michelangelo, Botticellis Geburt der Venus und sogar die Mona Lisa konnte man hier bewundern. Soweit ich sehen konnte, gab es keine Türen. Dafür war die ganze rechte Seite mit offenen Fenstern bestückt. Und aus jedem wehte sanft der Wind herein, der das bodenlange, weiße Kleid in Bewegung versetzte. Unbehagen breitete sich in mir aus und ich fing an zu laufen. Merkwürdigerweise in Zeitlupe, wie man es in so manchem Film sehen konnte. Da flogen die wallenden Kleider immer so elegant. Die Halle wollte kein Ende nehmen. Je länger ich lief, desto weiter schob sich die Wand nach hinten. Und dabei wirkte es nicht, als würde sich etwas verändern.
»Beth!« Abrupt blieb ich stehen, als ich meinen Namen hörte. Kaum geflüstert und doch deutlich zu hören.
»Ja?«, fragte ich aufgeregt in die Stille, die sich unnatürlich ausbreitete. Lange lauschte ich, ehe ich zu den Fenstern ging und zwischen den Vorhängen hindurchsah. Aber da war nichts außer roten Backsteinen, mit denen man das Fenster zugemauert hatte. Ungläubig trat ich zurück und ging zum nächsten Fenster. Auch dort sah ich auf eine Wand.
»Beth!« Erschrocken wirbelte ich herum und konnte in der Ferne eine Gestalt ausmachen, die sich nicht rührte.
»Haben Sie nach mir gerufen?« Noch während meiner Frage fing ich an, zu laufen.
»Beth!« Kalt lief es mir den Rücken runter, während ich endlich etwas hörte. Das Tapsen meiner nackten Füße auf dem Marmor. Die Gestalt regte sich und bewegte sich in Richtung der offenen Fenster, durch die sämtliches Licht drang. Auch der Blick nach hinten sagte mir dasselbe. Dennoch war ich mir sicher, dass ich Backsteinwände gesehen hatte. Mein Blick ging wieder nach vorne, um zu sehen, was die Gestalt machte. Sie war kurz vor einem Fenster.
»Warten Sie!«, rief ich und blieb stehen. Die Gestalt hielt inne und ich rannte los.
»Jason, bitte!«, rief ich mit aufgerissenen Augen in die Ruhe meines Wohnzimmers. Aufgerichtet und schwer atmend sah ich mich um, wo ich mich befand. Erleichtert atmete ich aus. »Gott sei Dank«, murmelte ich vor mich hin und wischte mir mit den Händen über mein Gesicht. Ich lehnte mich erschöpft in meinem Sessel zurück und blinzelte gegen die Decke. »Da träume ich endlich mal von ihm und sehe ihn doch nicht!« Enttäuscht raffte ich mich auf, räumte den Tisch ab und schaltete dann den Fernseher aus. Als ich zur Couch sah, fand ich das Bild immer noch dort, wo ich es gelassen hatte. Ich nahm es an mich. »Du könntest mir doch endlich mal im Traum erscheinen«, brummte ich das Foto an, während ich in mein Büro ging und die Posterrolle nahm. »Mehr werde‹ ich eh nicht kriegen.« Dann hauchte ich noch ein Küsschen auf sein Antlitz und rollte es zusammen. Ich ging zurück ins Wohnzimmer und sah mich nochmal um. »War ein schöner Geburtstag«, sagte ich nickend, schaltete das Licht aus und hoffte mal wieder inständig, dass ich endlich von Jason Momoa träumen würde.