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Mai 2018

Im Mai stellte ich mich zum ersten Mal auf die Waage, die mich sicher verhöhnen würde. Klar, 105 Kilo - ich hatte mich vor Beginn meines Vorhabens gewogen - waren für so eine kleine Person nicht gerade wenig. Tief atmete ich durch und stieg halb nackt, in Höschen und BH, auf die Waage, deren Zeiger sich rasend schnell über die Zahlen hinweg schob. Seufzend wartete ich darauf, dass der Zeiger stehenblieb. Ich wagte es kaum, einen Blick auf die Skala zu werfen. Zögerlich sah ich auf das Display. Es zeigte mir neunzig Kilo an.

»Du willst mich wohl verarschen!«, motzte ich die Waage an und stieg von ihr runter. »Ich hab‹ nie im Leben fünfzehn Kilo abgenommen!«, meckerte ich weiter und eilte ins Schlafzimmer an meinen Schrank, um mich im Spiegel zu betrachten. Die Haut hatte sich etwas gestrafft, aber man konnte sehen, dass ich mal fünfzehn Kilo mehr draufgehabt hatte. Verwundert stellte ich mich seitlich zum Schrank und begutachtete meine Form. »Wow«, machte ich beeindruckt und streichelte über den deutlich kleiner gewordenen Bauch. Stolz betrachtete ich mich im Spiegel, der auch meine Freudentränen zeigte. Ich hatte viel geschafft. Noch nicht das Maximum, aber rappeldürr wollte ich eh nicht werden. Dann schnellte ich herum und ging nochmal ins Bad und auf die Waage. Nichts hatte sich verändert. Sie zeigte immer noch fünfzehn Kilo weniger als noch vor einigen Wochen an. »Okay. Ich muss in die Apotheke«, beschloss ich, als ich die Haut auf meinem Bauch spürte. Sie hing jetzt nicht runter wie nach so mancher radikalen Diät, aber superstraff war sie auch nicht. Wenigstens hatten meine Arme nicht gelitten und hatten sich gut zurück gebildet. Wer mochte schon so Hängearme, die mit jeder Bewegung wackelten?

Ich schüttelte den Kopf und schlüpfte in Jeans, die ich mit einem Gürtel festschnallen musste. Dazu ein nun zu großer Pulli, der wie ein Sack an mir hing. »Entweder abändern oder neu kaufen«, jammerte ich, während ich Geldbeutel und Schlüssel an mich nahm.

In meiner Stammapotheke wurde ich merkwürdig beäugt, als ich den Ladenraum betrat und nach der Waage suchte.

»Guten Tag, Miss O’Keefe«, begrüßte mich die ältere Dame, die mich bisher immer gut beraten hatte.

»Hallo«, sagte ich und sah mich noch eine Weile um, ehe ich Mrs Hemsworth meine Aufmerksamkeit schenkte. »Wo ist denn die Waage?«, wollte ich wissen.

»Ah. Jetzt weiß ich, was mit Ihnen nicht stimmt. Sie haben abgenommen«, stellte sie begeistert fest, was mich erröten ließ.

Ich sah verlegen lächelnd zu Boden und nickte. »Ja, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das wirklich fünfzehn Kilo sein sollen.« Ich hob meinen Kopf wieder, um die Apothekerin meines Vertrauens anzusehen.

Immer noch lächelte sie und zeigte mit der flachen Hand zwischen zwei Regale. »Die Waage ist heute geeicht worden. Wir haben sie nur noch nicht wieder rausgestellt. Tut mir leid«, entschuldigte sich Mrs Hemsworth bei mir und führte mich nach hinten, wo das klobige Ding stand. Ich stieg aus meinen Schuhen, nahm die Jacke ab und stellte mich auf die Waage, die mir sogar mit Klamotten sechzehn Kilo weniger anzeigte.

»Wow«, machte ich wieder und stieg, mich am Hinterkopf kratzend, von der Waage. Während ich nachdenklich zu Boden sah, lächelte mich Mrs Hemsworth an.

»Sie sollten sich eine straffende Creme zur Unterstützung zulegen.« Sie kannte mich schon seit Jahren und wusste, wie sehr ich zugenommen hatte. »Am besten eine ganze Serie für Ihren Körper.« Ich hob eine Braue und sah die Dame fragend an, die einen Spiegel holte und ihn mir vorhielt. »Ihre Haut braucht Pflege«, sagte sie freundlich und wies mich mit ihrem Finger auf Stellen hin, die mehr einer Achtzigjährigen glichen als einer Frau meines Alters. Ich hatte auch im Gesicht gut abgenommen.

»Werde ich machen«, sagte ich verstehend und wollte schon gehen, als mich Mrs Hemsworth nochmal aufhielt.

»Ich kann mir gut vorstellen, dass Ihre Kleidung nicht mehr das Wahre ist.« Die Frau dachte wirklich mit. »Wenn Sie wollen, bringen Sie mir doch ihre Sachen und ihre neuen Maße vorbei. Eine Freundin von mir ist Schneiderin«, bot sie mir an, was mich fast zum Weinen brachte. Aus Dank schlang ich meine Arme um sie und schniefte leise an ihre Schulter.

»Danke, Mrs Hemsworth.« Dann löste ich mich wieder von ihr und sah die Frau an, die lächelnd ihren Kopf leicht schüttelte.

»Nennen Sie mich doch Kate«, bat sie mich und strich mir eine Träne mit dem Finger weg.

»Ich heiße Beth«, bot ich im Gegenzug an, auch wenn die Frau genau wusste, wie ich mit Vornamen hieß.

»Gerne«, sagte sie lächelnd und ging dann mit mir hinaus, um mich zu verabschieden. »Machen Sie weiter so, Beth. Sie sehen wirklich gut aus.« Ihr Kompliment ließ mich direkt erröten.

»Ich komme regelmäßig vorbei«, versprach ich mit einem stolzen Lächeln und hob dann die Hand zum Abschied. »Bis dann.« Ich winkte noch kurz, ehe ich nach Hause fuhr und dann zum ersten Mal wieder die Treppe benutzte. Es war immer noch schwer, die neunundachtzig Kilo hoch zu bringen. Dennoch spürte ich einen Unterschied. Strahlend betrat ich meine Wohnung und suchte am PC nach dem, was ich brauchte. Ich fand eine Pflegeserie, die von 150 Dollar auf fünfundachtzig heruntergesetzt war. Sie versprach, was ich wollte und hatte beim Test auch noch mit Gut abgeschnitten. »Sehr schön. In den Warenkorb«, sagte ich, als ich mich für den Kauf entschieden hatte. Ich klickte auf den PayPal-Button und wurde auch schon zu meinem Konto weitergeleitet. Die straffende Creme hatte ich hier auch gefunden und war nun mit 110 Dollar dabei. Gut, dass mein Kühlschrank voll war. So brauchte ich ans Einkaufen nicht zu denken. Und das Geld hatte ich bis zur Convention locker wieder auf dem Konto. Was mich daran erinnerte, dass ich das Bild von Jason fertig machen musste.

Irgendwann hatte ich mit Zeichnen und Malen angefangen und die Bilder als Speedpaintings in YouTube eingestellt. Zeichnungen von meiner Lieblingsserie Game of Thrones, wobei ich Khal Drogo erst einmal ausließ. Denn ihn wollte ich perfekt malen. Für mich perfekt. Mit der Zeit bekam ich immer mehr Abonnenten, denen meine Bilder gefielen. Ich wurde sogar angeschrieben, ob ich die Bilder nicht verkaufen wollte. Zuerst lehnte ich es ab, aber als ich für Jon Schnee ein Angebot über 10.000 Dollar bekam, änderte ich meine Meinung ganz schnell. Es gab tatsächlich Menschen, die meine Zeichnungen haben wollten. Aber dieses Angebot blieb leider das Einzige, das mich einige Monate in Saus und Braus leben ließ. Na ja, ich war jetzt nicht steinreich, aber noch kam ich mit Miete zahlen und allem anderen gut zurecht. Wer am Central Park wohnte, musste mit entsprechenden Kosten rechnen. Dennoch hielt mich nichts davon ab, weiter zu zeichnen und zu malen, und die Videos einzustellen. Letztendlich hatte ich etwa zweieinhalb Millionen Abonnenten, jede Menge Traffic und verdiente somit Geld über YouTube mit dem Partnerprogramm, das Google eingeführt hatte. Ich gehörte natürlich nicht zu der Riege der tausend besten Kanäle, aber fünftausend Dollar monatlich waren schon drin. Mal mehr, mal weniger. Bilder ließen sich nun mal nicht so schnell wie Speedpaintings malen. Dennoch hatte ich mittlerweile ein Repertoire von etwa zweihundert Bildern, die ich in acht Jahren gemalt hatte. Eben seit ich Fan der Serie wurde. Und als letztes hatte ich mich dann an Khal Drogo gewagt, wegen dem ich diese Convention besuchen würde. Seine Bilder schossen in den Klicks dermaßen schnell hoch, dass ich kaum noch wusste, wie der Stand war. In einer Sekunde hundert Klicks, in der nächsten schon eintausend. Der Vorteil bei solchen Videos war, dass sie sich jeder ansehen konnte. Denn man musste ja keine Sprache verstehen. Damit verdiente ich mir also meinen Unterhalt, aber zum wirklich gut leben reichte es nicht aus. Schlecht ging es mir nicht, auch wenn ich mir keine Villa auf den Florida Keys leisten konnte. Bei diesem Gedanken musste ich jedes Mal lachen, denn die Drei-Zimmer-Wohnung ähnelte so gar nicht der Madonna-Villa in Beverly Hills oder der von Gisele Bündchen in den Pacific Palisades. Dafür konnte ich mit dem Ausblick auf den Central Park aufwarten, den nicht jeder hatte. Als ich die Wohnung mietete, hatte ich auf eine Klausel bestanden, die mir den damaligen Mietpreis für immer garantierte. Der Vermieter war leichtgläubig auf diese Klausel eingegangen. Er hatte wohl nicht daran gedacht, wie rentabel allein der Blick auf den Central Park oder wie extravagant die Nachbarschaft werden würde. Heute reibe ich mir natürlich die Hände, weil mir damals ein echter Clou gelungen war. Und jetzt stand ich an eben diesem Fenster und sah auf die vielen Bäume hinab, die gerade zu sprießen begannen. Dabei trank ich einen Erdbeer-Shake, der mit Wasser angerührt wurde und trotzdem wie ein echter Shake schmeckte. Nur eben ohne die lästig vielen Kalorien. Tief durchatmend sah ich rüber zu meinem Tisch, wo das angefangene Bild lag und darauf wartete, beendet zu werden.

»Aber erst die Übungen«, mahnte ich mich und stellte den Shake auf dem Tisch ab, um dann die Übungen zu machen, die mich seit Monaten bei meiner Diät unterstützen.

The Story of my Life

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