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Projektionen – eine Klarstellung

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In unserer Kultur herrscht ein allgemeines Missverständnis vor, was Projektionen angeht und das ich klarstellen möchte. Angeblich projizieren wir unser eigenes abgelehntes Selbst auf jemand anderen, der diese Eigenschaften überhaupt nicht aufweist. Aber so funktioniert es nicht; Projektionen verlaufen so gut wie immer in beide Richtungen.

Oft projizieren wir etwas auf eine andere Person, was tatsächlich in dieser Person drinsteckt. Wir weisen womöglich dieselbe Eigenschaft auf oder auch nicht; aber egal, wie es nun ist, wir erkennen diesen Charakterzug, denn bei ihrem Anblick bricht die alte Verletzung wieder auf, die wir nach wie vor in uns tragen, weil wir diesen Aspekt in uns abgelehnt haben. Auch wenn jemand etwas auf uns projiziert, müssen wir mit dieser Erfahrung mitschwingen –oder anders ausgedrückt: Auch die Erfahrung, dass auf uns etwas projiziert wird, spiegelt etwas wider, was in uns abgelehnt und zurückgewiesen wurde.

Projizieren hat sich zu einer der meistgenutzten Ablenkungstechniken aller Zeiten entwickelt. Oft dienen Projektionen auch als faule und bequeme Ausrede, um keinen objektiven Blick auf sich selbst werfen zu müssen. Sie sagen einfach: »Du projizierst ja nur«, wenn jemand in Ihnen einen negativen Aspekt ausmacht.

Doch in Wahrheit können wir einen anderen Menschen erst dann bewusst und klar wahrnehmen, wenn wir uns unserer selbst vollständig bewusst sind, sonst betrachten wir die anderen weiterhin durch den Filter unseres Unterbewusstseins. Jedes Mal, wenn wir uns weigern, uns selbst anzuschauen, und sooft wir dann sagen: »Du projizierst ja nur«, um das zu verbergen, verpassen wir die Chance, einen klaren Blick auf uns selbst zu werfen. Und wir verpassen auch die Chance, unsere Welt und uns gegenseitig klar zu sehen und zu erkennen.

Jeder projiziert. Unser Ziel sollte also nicht darin bestehen, mit dem Projizieren aufzuhören, sondern vielmehr, uns unserer selbst so weit wie möglich bewusst zu werden. Wir können unsere extremen negativen Reaktionen auf andere und auch unsere positiven Reaktionen als die perfekte Chance zur Selbsterkenntnis betrachten.

Außerdem ist es ungesund, andere Menschen bzw. bestimmte Aspekte zu be- und verurteilen; je mehr wir etwas an einem Menschen ablehnen, desto mehr verschlimmern wir unsere eigenen Verletzungen. Indem wir im anderen etwas ablehnen, lehnen wir genau das in uns selbst ab – ein weiterer guter Grund, der dafür spricht, unsere verborgenen Aspekte anzuschauen und aufzulösen, anstatt uns davon immer wieder von Neuem Schaden zufügen zu lassen.

Wenn wir Teile unserer selbst weiterhin ablehnen (und unterdrücken), werden wir unauthentisch. Wir sind nicht mehr unser wahres Selbst. Wir leben eine Fassade, die wir für unser wahres Selbst halten. Das ist ein äußerst schmerzlicher Zustand. Irgendwann kommt es dann zu dem, was ich als »Symptome des Durchbruchs« bezeichne: Die Fassade, die wir der Außenwelt präsentieren, ist wie ein Stück Zellophan. Übt ein unterdrückter Aspekt unserer selbst genug Druck aus, bildet sich eine Blase und durchbricht die Fassade; sie zerreißt wie ein Stück Zellophan. Das ist der Durchbruch.

Unsere unterdrückten Aspekte sind unseren Blicken verborgen. Sobald sie dann durch den Druck hervorbrechen, werden sie als physische Symptome sichtbar. Jemand hat beispielsweise seine Wutgefühle unterdrückt und hält sie meistens gut versteckt. Doch wenn sich genügend Druck aufbaut, kommt die Wut an die Oberfläche und zeigt sich als Hautausschlag – ein Beispiel eines Symptoms des Durchbruchs. In Wahrheit sind alle sichtbaren Symptome Anzeichen für ein tiefer liegendes Problem. Sie sind sozusagen die roten Flaggen, die uns zeigen, wo unsere bewusste Aufmerksamkeit benötigt wird.

Wenn wir an einem Punkt im Leben angelangt sind, an dem die ursprüngliche Bedrohung, die überhaupt erst zur Dissoziation und Abspaltung führte, nicht mehr vorhanden ist, beginnen uns die Symptome des Durchbruchs zu stören. Dann hören wir den Schrei unserer Seele nach Integration, weil wir uns so sehr danach sehnen, wieder ganz zu sein. Wir sind lebendige Organismen, und wie jeder lebendige Organismus auf dieser Erde streben wir nach Gesundheit. Deshalb bedarf es keines Gedankens der Heilung, um einen Schnitt am Finger heilen zu lassen. Der Körper ist von Natur aus im Zustand der Gesundheit bzw. Ganzheit, wir heilen uns von Natur aus selbst.

Ebenso versuchen wir von Natur aus, alle fehlenden Aspekte unserer selbst wieder zusammenzufügen.

Sie werden immer wieder auf Leute und Umstände treffen, die genau auf das hinweisen, was in Ihnen abgespalten ist, damit Sie zur Heilung und zur Ganzheit zurückfinden.

In einem ersten Schritt müssen wir herausfinden, wie wir das Auflösen und Zurückgewinnen unserer fehlenden Aspekte angehen können.

Den Schatten umarmen

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