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Kinder großziehen, die gesund und ganz sind

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Auch heutzutage wollen viele Eltern nach wie vor ein gehorsames, gefügiges Kind haben, anstatt ihre Kinder zu gesunden Erwachsenen zu erziehen. Das Ziel heißt: ein Kind großziehen, das »gut« ist. Unser Rechtssystem verfolgt in Bezug auf Kriminalität genau denselben Ansatz. Wir wollen das, was als falsches Verhalten wahrgenommen wird, korrigieren und gute Bürger heranziehen. Um die Gefühle, die solches Fehlverhalten motivieren, kümmern wir uns dagegen nicht.

Gute Kinderziehung hat mit Emotionen zu tun, genauso wie gute Beziehungen mit Emotionen zu tun haben. Die meisten Eltern machen in dieser Hinsicht entscheidende Fehler: Erstens missbilligen sie die Emotionen ihrer Kinder, zweitens nehmen sie sie nicht ernst, und drittens bieten sie dem Kind keine praktische Hilfestellung.

Ein Beispiel: Der kleine Joey will nicht zur Schule gehen und fängt jedes Mal an zu weinen, wenn sein Vater oder seine Mutter ihn an der Schule absetzt. Die Mutter missbilligt das und schimpft Joey aus oder bestraft ihn mit einer Tracht Prügel oder indem sie ihn nicht mehr auf den Spielplatz lässt. Vielleicht tut sie Joeys Emotionen auch ab und sagt: »Das ist doch dumm. Du hast überhaupt keinen Grund, traurig darüber zu sein, dass du zur Schule musst. Jetzt hör gefälligst auf, so finster zu gucken.« Oder sie lenkt Joey von seinen Emotionen ab, gibt ihm einen Keks oder lenkt seine Aufmerksamkeit auf dem Weg zur Schule auf ein Pferd auf der Wiese.

Manche Eltern zeigen zwar Empathie, aber sie können dem Kind nicht weiterhelfen. Die Mutter sagt Joey vielleicht, es sei in Ordnung, traurig oder ängstlich zu sein, aber gleichzeitig unterstützt sie ihn nicht dahingehend, zu entscheiden, was er denn nun mit seinen unangenehmen Gefühlen machen kann. Höchstwahrscheinlich hinterlässt sie bei Joey das Gefühl und die Überzeugung, seine Emotionen seien so allesüberwältigend, dass er ihnen ohnmächtig ausgeliefert ist.

Kinder, die in einem ungesunden emotionalen Umfeld aufwachsen, sind nicht in der Lage, sich selbst zu beruhigen. Oft können sie sich emotional nicht mit ihrer Familie verbinden. Da sie zu Hause keine Nähe aufbauen können, fühlen sie sich furchtbar isoliert und allein, was wiederum zu gesundheitlichen Problemen führen kann.

Solche Kinder sind als Erwachsene oft nicht fähig, mit ihren Emotionen gut umzugehen, und haben Schwierigkeiten, funktionierende Beziehungen zu führen. Viele von ihnen entwickeln Beziehungen voller Ohnmacht und gegenseitiger Abhängigkeit. Sie haben zwar ein tiefes Bedürfnis nach anderen Menschen, leiden aber gleichzeitig unter einer extremen Angst vor Nähe.

Die wichtigste Ursache für soziopathisches und psychopathisches Verhalten bei Erwachsenen ist meiner Meinung nach ein ungesundes emotionales Umfeld in der Kindheit. Dabei darf man nicht vergessen: Emotionale Funktionsstörungen sind schwieriger zu erkennen als offenkundiger Missbrauch. Viele Serienkiller und Amokläufer in Schulen kamen angeblich aus »gesunden Familien«, doch dieses familiäre Umfeld war keineswegs gesund. Vielleicht physisch betrachtet – sie hatten genug zu essen und Kleidung, hatten vielleicht sogar viele Vorteile –, aber hinter diesem schönen äußeren Schein war die Familie emotional extrem dysfunktional und hat diese Menschen so geschädigt, dass sie mit anderen Menschen nicht in Verbindung treten konnten.

Emotionale Ablehnung und Missbilligung sind Formen emotionalen Missbrauchs. Wenn Eltern eine Emotion des Kindes abtun oder missbilligen, übernimmt das Kind mit der Zeit diese Einschätzung der Eltern. Es lernt, sein eigenes Urteil anzuzweifeln, und verliert sein Selbstvertrauen. Wird die Beziehung von emotionaler Dysfunktion bestimmt, lernt das Kind, dass sein Gefühl falsch ist.

Die Crux dabei ist: Das Kind lernt, dieses Gefühl als falsch zu bewerten, aber es fühlt es trotzdem und ist irgendwann davon überzeugt, an ihm selbst sei etwas falsch.

Den Schatten umarmen

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