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Kapitel 21

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Nick lehnt am Tresen und sieht der Neuen beim Arbeiten zu. Sie bringt gerade einen Burger und ein Schinken-Ananas-Baguette zu dem Tisch vierundsiebzig. Sie ist schnell, freundlich, ehrgeizig und lernt schnell dazu. Bereits an ihrem dritten Tag konnte sie die einzelnen Nummern der Tische auswendig, die für einen Kellner nun einmal sehr wichtig sind, damit er weiß, an welchen Tisch die Bestellung rauszugehen hat.

Außerdem mag er die Neue. Und das nicht nur wegen der arbeitstechnischen Bereicherung, die sie für sie ist, sondern weil sie auch privat ein nettes Wesen hat. Sie ist humorvoll, eigentlich immer bestens gelaunt und zudem sehr zuverlässig und hilfsbereit. Die drei Wochen, die sie inzwischen bereits hier arbeitet, war sie mindestens jeden zweiten Tag da. Sie hat Schichten von anderen Kollegen übernommen, die aus welchen Gründen auch immer abgesprungen sind, ohne sich auch nur ansatzweise zu beschweren. Im Gegenteil sogar, sie scheint beinahe erleichtert zu sein, wenn sie von jemandem zusätzlich eine Schicht übernehmen kann.

Und sie ist hübsch.

Sie ist zwar nicht der Typ Frau, nachdem Nick sich auf der Straße umdrehen würde, doch sie ist dennoch sehr hübsch, auf ihre irgendwie ganz eigene Art und Weise. Ihre Schönheit beruht eher auf ihrer Natürlichkeit und der Wärme, die sie ausstrahlt. Ihre Gesichtszüge haben einfach etwas sehr Ansprechendes an sich, eine beinahe perfekte Symmetrie, die einem dazu verleitet, sie die ganze Zeit ansehen zu wollen. Außerdem hat sie schöne Augen, die von einem tiefen dunklen Braun sind. Auch ihre Lippen sind voll und schön geschwungen, beinahe wie ein richtiger Kussmund. Ihrer Nase sieht man an, dass sie mindestens einmal gebrochen war, doch dieser kleine Makel macht ihr Gesicht eher noch ein wenig attraktiver. Ihre Haut wirkt immer etwas blass, vermutlich durch ihr dunkles Haar, das es umrahmt. Dadurch wirkt sie immer ein wenig kränklich.

Und sie hat eine schöne Figur. Sie ist recht groß, Nick ist vermutlich keine zehn Zentimeter größer als sie, obwohl er selbst über 1,80 Meter groß ist. Doch ihre etwas ungewöhnliche Größe verteilt sich überwiegend auf ihre Beine, sodass diese fast nicht zu enden scheinen wollen. Sie hat schöne Brüste und einen tollen Hintern, außerdem gefallen Nick ihre Rundungen an der Taille. Model-Maße.

Alles in allem ist sie sehr hübsch.

Mit einem freundlichen Lächeln bringt sie den Gästen, einem älteren Ehepaar, das Essen, unterhält sich kurz noch mit diesen und kommt dann langsam, den Blick mal hierhin mal dorthin schweifend, um zu überprüfen, dass auch ja alle Gäste zufrieden sind, zu Nick. „Du hast auch nichts zu tun, oder?“, grinst sie ihn an und lehnt sich neben ihn an den Tresen.

Er muss ebenfalls grinsen. „Nö, du übernimmst ja auch die Arbeit für mich.“

„Tja, dafür verdiene ich aber auch das Geld.“ Sie lacht.

„Es gibt immer einen Haken“, erwidert Nick und freut sich, als er sie erneut zum Lachen bringt. Er mag ihr Lachen. Es hat etwas Betörendes an sich, so wie eine Droge. Man möchte sie immer wieder zum Lachen bringen, weil es einem dann selber besser geht.

„Gott sei Dank hab ich bald Feierabend“, sagt sie dann mit einem flüchtigen Blick auf die Uhr, die über der Tür zu der Küche hängt. Es ist kurz vor zehn Uhr abends. „An Tisch siebzehn sitzen drei rotzfreche Teenager die mich immer mit meinem Vornamen ansprechen. < Hey, Melina, kannst du uns noch ´ne Cola bringen? > < Melina, wo bleibt unser Essen? > < Melina, bringst du mir noch Ketchup? > Ich könnte jedes Mal kotzen, wirklich, ich hasse das.“

Nick muss anfangen zu lachen. „Du kannst dir ja mein Namensschild anpinnen, dann sind sie verwirrt.“

Sie lacht wieder. „Wahrscheinlich. Oder sie denken, ich bin ein Transvestit.“ Sie lachen beide. „Wie lange musst du denn noch bleiben?“ Melina sieht ihn aus fragenden braunen Augen an. Irgendwie verleihen ihr diese großen braunen Augen etwas kindlich Unschuldiges, so wie Bambi.

Er seufzt. „Bis zum bitteren Ende – ich hab heute Schlussdienst. Also kann ich warten, bis sich der letzte Gast dann irgendwann endlich aus dem Laden schleppt. Aber ich hoffe, dass es nicht so lange dauert. Ich muss noch für ´ne Prüfung lernen und wenn ich heute erst gegen zwei, halb drei rum zu Hause bin, kann ich mich morgen garantiert nicht dazu aufraffen. Dann will ich den Sonntag lieber ausschlafen anstatt zu büffeln. „

Melina betrachtet ihn nachdenklich. „Wenn du morgen wirklich lernen willst, kann ich auch deinen Schlussdienst übernehmen. Dann kannst du gegen Zehn abhauen, früh schlafen gehen und dann morgen den ganzen lieben langen Tag lernen. Nicht dass du sonst noch deine Prüfung versaust.“

Nick sieht sie an, von ihrem Angebot überrascht und gerührt zugleich. „Ach, du bist in der letzten Woche schon zweimal für mich eingesprungen, ich will dir das nicht noch einmal antun. Denk an die Typen an Tisch siebzehn.“

Sie lacht erneut. „Es ist ja nur ein Angebot, nachher fällst du nämlich durch die Prüfung und gibst mir die Schuld, weil ich dich bis in die Puppen habe arbeiten lassen.“ Sie zwinkert ihm grinsend zu. „Oder noch schlimmer, du hältst mir einen Vortrag über Leichen und so.“

„Was hast du denn gegen Leichen?“ Er muss über ihren Gesichtsausdruck lachen.

Sie verzieht den Mund. „Ehrlich, ich verstehe nicht, wieso man freiwillig Gerichtsmediziner werden will.“

Er zuckt mit den Schultern. „Liest du nicht gerne Krimis und so?“

„Ja“, gibt sie angespannt zurück, „ich lese gerne, aber deswegen muss ich noch lange nicht in einem toten Menschen rumbohren, ihn auseinander nehmen und seine einzelnen Organe wiegen. Mir reicht die bloße Vorstellung, um einen Brechreiz zu bekommen.“ Nick muss amüsiert grinsen. „Nein, jetzt mal ehrlich“, sagt Melina und reibt ihre Hände aneinander. „Wenn deine Gäste wüssten, dass du nachmittags an Leichen rumschnippelst, würdest du garantiert kein Trinkgeld mehr bekommen.“

„Wer weiß“, grinst Nick nur. „Mir macht es auf jeden Fall Spaß – wenn man es so nennen kann. Außerdem muss ich ja erst mal mein Medizinstudium überstehen, ehe ich wirklich Gerichtsmediziner werden kann. Wenn mein Onkel da nicht wäre, dann dürfte ich garantiert nirgendwo dran rumschnippeln.“

Melina sieht ihn mit leicht zusammengezogenen Brauen an. „Ist dein Onkel Arzt?“

Er nickt und seufzt dann leise. „Chefarzt sogar. Eigentlich verschafft mir das nur Vorteile, auch wenn es den anderen gegenüber vielleicht ein bisschen unfair ist. Die dürfen sich alle nämlich nur mit dem Stoff rumschlagen, während ich mir bereits Leichen ansehen darf.“ Er seufzt wieder, während Melina erneut das Gesicht verzieht. „Aber manchmal ist es auch wirklich schwierig. Weil jeder erwartet, dass ich mindestens genauso gut werde wie er.“

„Ist bestimmt nicht einfach“, pflichtet sie ihm bei. Dann lächelt sie wieder schwach. „Ich hätte dennoch keine Lust, alleine mit Dutzenden Toten in einem Raum zu sein. Irgendwie würde ich dauernd das Bedürfnis verspüren, mich umzudrehen und zu gucken, ob sie auch wirklich noch tot sind.“

Nick muss lachen, doch ehe er auf ihren Kommentar antworten kann, kommt Isa auf sie zu, in der Hand ein Tablett beladen mit leeren Gläsern. „Lia, die Kerle am Tisch siebzehn fragen nach dir, sie wollen zahlen!“, sagt sie an Melina gewandt, ehe sie in die Küche verschwindet.

„Gut“, seufzt sie leise und stemmt sich vom Tresen ab. „Also überleg`s dir nochmal mit deinem Schlussdienst, ich hab da echt nichts gegen. Ich hab morgen nichts zu tun und außerdem kann ich das Geld gebrauchen.“

„Meliiiinaaa!“, brüllen da die drei Jungen im Chor durch den halben Laden.

Das Gesicht von ihr verfinstert sich. „Glaub mir, wenn das weiter so geht, hast du bald drei neue Leichen, die du untersuchen kannst.“ Nick muss wieder lachen, während Melina mit gereizter Miene zu dem Tisch geht.

Sein Blick folgt ihr.

Liebe ist tödlich

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