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Kapitel 1

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Sie läuft.

Sie weiß, dass ein Entkommen unmöglich ist. Irgendwo in ihrem tiefsten Inneren weiß sie es. Dennoch läuft sie. Immer weiter, so schnell wie es ihre schmerzenden Muskeln erlauben. Immer weiter und weiter, fort nur fort. Das ist das einzige, was zählt.

Doch er ist hinter ihr, irgendwo.

Auch das weiß sie. Er wird sie nicht gehen lassen, er wird sie nicht entkommen lassen. Zu lange schon hat er sie gefangen gehalten, sie gequält, gefoltert, verletzt … Er kann es sich nicht erlauben sie lebend aus diesem Albtraum zu entlassen. Denn dann würde es seinen eigenen Tod bedeuten.

Immer wieder rutschen ihre nackten Füße auf den nassen Blättern und Wurzeln, die den Waldboden bedecken, aus. Einmal fällt sie sogar hin. Doch sie zwingt sich den Schmerz zu ignorieren und wieder aufzustehen. Andernfalls wäre sie verloren. Für immer.

Sie weiß nicht, wo sie ist und in welcher Richtung Hilfe liegt. Seit Wochen, wenn nicht sogar Monaten, hat sie kein Tageslicht mehr gesehen. Auch jetzt sieht sie kaum etwas. Das Bild vor ihren Augen ist verschwommen und unscharf, ihre Augen durch die Berührung mit der Entwicklerlösung verätzt. Wahllos sucht sie die Richtung aus, in die sie läuft, die Hände tastend vor sich ausgestreckt, mit der stillen Hoffnung im Herzen, dass sie ihrem Schicksal entrinnen kann.

Doch niemand kann seinem Schicksal entkommen.

Sie hört seine Schritte hinter sich, das leise Keuchen, das ihr verrät, dass er ihr bereits näher ist als sie angenommen hat. Die Hoffnung weicht ihrer Panik, die sie trotz ihrer schlechten Augen dazu antreibt noch etwas schneller zu laufen. Sie kann nicht rational denken, dass einzige, was sie wahrnimmt, ist sein leises Keuchen und das panische Klopfen ihres Herzens.

Wieder rutscht sie auf dem nassen Untergrund aus. Wieder stürzt sie. Panisch versucht sie sich erneut aufzurappeln, ihre verätzten Augen wollen ihr ihre Umgebung nur schemenhaft enthüllen. Sie weiß nicht, wo er ist, nur dass er irgendwo hier sein muss, hinter ihr. In ihrer Nähe. Und dass es ihren Tod bedeutet, wenn er sie findet.

Gerade als sie sich an einem niedrigen Zweig auf die Beine zieht, hallt ein lauter Knall durch den stillen Wald. Vögel stieben aus den Bäumen und auch andere Waldtiere ziehen sich in das Herz ihres Heimes zurück. Ein weiterer Schuss. Für einen Moment ist sie erstaunt, wie wenig Schmerz sie empfindet. Noch ein Schuss. Im nächsten Augenblick empfindet sie beinahe so etwas wie Erleichterung. Wieder ein Schuss. Dunkelheit kommt auf sie zu, hüllt sie für immer ein. Ein letzter Atemzug, ein Hauch.

Dann entweicht ihr jegliches Leben.

Liebe ist tödlich

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