Читать книгу Recht für Pflegeberufe - Theo Kienzle - Страница 14
1.3 Einschränkung Selbstbestimmungsrecht
ОглавлениеFraglich ist, wie in der Praxis mit Patienten oder Heimbewohnern umgegangen wird, deren Selbstbestimmungsrecht aufgrund des Alters oder psychischer Erkrankungen oder geistiger Behinderung eingeschränkt ist.
Mit dem Selbstbestimmungsrecht ist die Einwilligungsfähigkeit verknüpft. Jedoch kann nur derjenige, der gewissermaßen im »Vollbesitz seiner geistigen Kräfte« ist, sinnvoll über sich selbst bzw. medizinische und pflegerische Maßnahmen bestimmen. Dazu sind drei Gruppen von Menschen zu unterscheiden:
• Trotz noch nicht vorhandener Geschäftsfähigkeit liegt in der Regel bereits ab dem 14. Lebensjahr die notwendige Einsichts- bzw. Einwilligungsfähigkeit vor, d. h. der jeweilige Jugendliche kann selbst, unter Umständen mithilfe des Familiengerichts, in medizinische Maßnahmen auch gegen den Willen der Eltern einwilligen oder diese verweigern. Bei medizinischen Maßnahmen können daher die Eltern ab dem 14. Lebensjahr nicht mehr allein »über den Kopf des Kindes/Jugendlichen hinweg« entscheiden. Davon zu unterscheiden sind allerdings nicht notwendige Eingriffe, wie Piercing, Tätowierung und Schönheitsoperationen. Hier entscheiden die Eltern mit.
• Bei Kindern vor der Vollendung des 14. Lebensjahres wird das Selbstbestimmungsrecht im Normalfall von den Eltern ausgeübt, d. h. diese entscheiden für das Kind. Entscheiden Eltern allerdings gegen medizinisch notwendige Behandlungsmaßnahme, unter Umständen dabei den Tod des Kindes in Kauf nehmend, verstößt die Ablehnung eindeutig gegen das Wohl des Kindes. Das Familiengericht kann deshalb das Sorgerecht (teilweise) entziehen und durch einen Vormund die Einwilligung in die medizinische Maßnahme, anstelle der Eltern, erteilen lassen.10
• Bei psychisch kranken oder geistig behinderten Menschen kann trotzdem noch eine (wirksame) Einwilligung erteilen werden, wenn noch die natürliche Einsichts- und Steuerungsfähigkeit vorhanden ist. Er oder sie hat die notwendige Einwilligungsfähigkeit, sofern die beabsichtigten diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen in groben Zügen, d. h. hinsichtlich der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, erfasst werden können.11 Die Geschäftsfähigkeit ist dazu nicht erforderlich. Für die Einwilligungsfähigkeit sind daher geringere geistige Fähigkeiten als für die Geschäftsfähigkeit notwendig.
• Liegt jedoch nicht einmal die natürliche Einsichtsfähigkeit vor, muss ein eventuell vorhandener Betreuer entscheiden oder eine Betreuung beantragt werden.12
• In der Notfallambulanz und auf der Intensivstation sind die Patienten des Öfteren in einem Zustand, in dem die Einwilligungsfähigkeit fehlt. Sofern nicht ein Betreuer oder bei Minderjährigen die Eltern entscheiden können, sind dringende Maßnahmen nach dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen möglich. Bei dem mutmaßlichen Willen muss ermittelt werden, welche Maßnahmen im Interesse des Betroffenen liegen. Im Zweifel ist dahingehend zu entscheiden, dass es im Interesse des Patienten liegt, seine Schmerzen zu lindern und seine Gesundheit wiederherzustellen bzw. das Leben zu retten.
• Einwilligung ( Kap. CE 05 A 1.1)
• Notstand ( Kap. CE 01 2.5.4; Kap. CE 06 A 1.1)
• Patientenverfügung ( Kap. CE 06 C 1)