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2.2.4.7. Weitere Turmformen

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Neben rechteckigen oder quadratischen Türmen einerseits, runden oder zumindest feldseitig gerundeten andererseits gab es noch weitere Turmformen. Der Grundriss konnte entweder in voller Höhe eine andere Form aufweisen – von gleichzeitigen Burgen kennt man etwa achteckige Türme oder solche, denen angriffsseitig eine Spitze vorgelegt war – oder er konnte im oberen Turmteil wechseln. Schließlich gab es Tourellen – schlanke Türme ohne Innenräume zumindest im unteren Teil – und die variantenreiche Sonderform des Erkerturmes oder Wehrerkers.

Alle diese Varianten kamen prinzipiell auch bei Stadtmauertürmen vor, aber sie waren große Ausnahmen, gemessen an der enormen Anzahl der rechteckigen und gerundeten Türme. Zudem gehörten sie weit überwiegend in die Spätzeit der mittelalterlichen Stadtmauern ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie ästhetisch irrelevant gewesen wären, denn gerade die ungewöhnlichen oder in der Höhe variierten Grundrisse waren Mittel zur Akzentuierung der Mauern, etwa an einer Ecke oder an einer sonst besonders exponierten Stelle.

Der achteckige Turm ist eine der besonders naheliegenden Abwandlungen des quadratischen Turmes und erzielt in seiner Mischung aus Komplexität und Regelmäßigkeit eine beachtliche ästhetische Wirkung, weswegen er auch im romanischen und gotischen Sakralbau häufig vorkam. Bei den Stadtmauern geht allein ein donauseitiger Eckturm von Hainburg in die späte Romanik zurück; vergleichbar scheint eine ergrabene polygonale Eckschale in Duisburg („Koblenzer Turm“, um 1200?), die im 14. Jahrhundert in Backstein sechseckig erneuert wurde (Abb. 420). Aus dem späten 14. Jahrhundert kann als weiterer Eckturm am Fluss der Kölner „Bayenturm“ genannt werden, dessen schmuckreicher Oberbau auf einen romanischen quadratischen Sockel aufgesetzt wurde. Älter und weithin sichtbar ist der „Wasserturm“ in Luzern, dessen Holzaufsatz auf 1339 datiert ist, was für den ganzen Turm gelten dürfte (Abb. 71). Weiter östlich werden die Achtecktürme im 14. Jahrhundert etwas häufiger, entsprechend der späteren Entstehungszeit der meisten Mauern. Erwähnenswert sind etwa der „Rabenturm“ in Mühlhausen (Thüringen; Abb. 452), der stadtseitig geöffnet ist; in Schlesien sind die beiden Türme am „Striegauer Tor“ in Jauer und am „Niedertor“ in Neustadt zu nennen, ferner ein sekundär eingefügter Mauerturm in Striegau.

Achtecktürme

Noch etwas häufiger waren Achtecktürme im Backsteingebiet. Das beginnt mit den gut gestalteten Türmen des „Mühltores“ in Brandenburg (1411; Abb. 268) und des „Hühnerdorfer Tores“ in Tangermünde (Abb. 500), bleibt in Pommern eher bescheiden (Wollgast, Erkerturm in Gollnow) und erreicht seinen Höhepunkt im Ordensland. Dort waren Achtecktürme vor allem an Ecken üblich, häufig mit quadratischem Sockel (Elbing, Lauenburg (Abb. 34), Konitz, Strasburg, Preußisch Stargard), aber auch manchmal als normale Mauertürme (Danzig, Thorn).

Polygonale Türme von weniger regelmäßiger Form als das Achteck sind eher noch seltener. Einen Höhepunkt bildet hier der Raum des Rheinischen Schiefergebirges, wo im 14./15. Jahrhundert die Variation der Grundrissform ins Extrem getrieben wurde. Neben rechteckigen Türmen findet man fünf- und sechseckige, trapezförmige, einen „Fächerturm“ spätrömischer Art (Engers) und noch unregelmäßigere, kaum in Kürze beschreibbare Formen. Relativ regelmäßig sind noch Rechtecktürme, bei denen die feldseitigen Ecken abgeschrägt sind – fünf Seiten des Achtecks wie bei den Chorbauten gotischer Kirchen. Man findet sie gelegentlich im Ordensland und auch im Rheinischen – erwähnenswert sind zwei Türme in Hameln und der „Fillerturm“ im nahen Alfeld (Abb. 434), beide wohl aus der Zeit um 1400 oder noch jünger –, aber insgesamt bleiben sie seltene Ausnahmen, obwohl es außerhalb des deutschen Raumes berühmte und gut erhaltene Beispiele gibt (Visby/Gotland, Montagnana/Venetien).

Unregelmäßig polygonale Türme und Türme mit angriffsseitiger Spitze


Abb. 71 Luzern (Schweiz), der „Wasserturm“, der den Ausfluss der Reuss aus dem Vierwaldstätter See kontrolliert, ist eines der Beispiele eines achteckigen Turmes im Rahmen einer Stadtbefestigung; der Holzaufsatz ist 1339 dendrodatiert.

Türme mit angriffsseitig vorgelegter Spitze, eine gelegentlich im Burgenbau nicht nur Deutschlands auftretende Form, beabsichtigten wohl vor allem, anfliegende Wurfgeschosse seitlich abzulenken. Dies konnte eigentlich nur funktionieren, wenn die Angriffsseite schmal und der Aufstellungsort der Wurfmaschine daher festgelegt war, was bei einer Stadt kaum so sein konnte. Deswegen blieben solche Türme dort Ausnahmen. In Hainburg an der Donau findet man neben „normal“ in die Mauer eingebundenen quadratischen Türmen auch solche, die um 45 Grad über Eck gedreht waren, ein Experiment ohne Nachfolge. Wenig jünger sind wohl die zugespitzten Rundtürme im oberschlesischen Leobschütz, das vor 1224 von Ottokar I. von Böhmen gegründet wurde und dessen Mauer 1282 schon existierte (Abb. 473). Alle weiteren Beispiele stammen erst aus der Spätzeit um und nach 1400, so wohl ein Eckturm in Reichenweier/Oberelsass, ferner das rhomboide, übereck gestellte „Dreikönigstürmchen“ in Dinkelsbühl oder der runde, zugespitzte „Diebsturm“ in Grünberg/Hessen, der bergfriedartig an der Angriffsseite steht. Sind diese Bauten noch echte Türme, so sind andere schon typische Experimente der Feuerwaffenzeit, etwa ein Fünfeckturm in Mühlhausen, bei dem nur die Spitze vor die Mauer ragt, der fünfeckige Turm in Neckarbischofsheim von „1448“ (Abb. 72), der Solothurner „Krummturm“ (1462/63), ein Turm in Weißenburg/Mittelfranken von 1469 oder schließlich der nur unten zugespitzte, runde „Wollenweberturm“ im hessischen Korbach (1505).


Abb. 72 Neckarbischofsheim (Baden–Württemberg), der inschriftlich „1448“ datierte fünfeckige Turm ist zeitweise als ein Vorläufer der echten Bastionen angesprochen worden, ist aber nur ein Beispiel für die Experimentierfreude der frühen Feuerwaffen zeit. (Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden, 8,1: Amts bezirke Sinsheim, Eppingen und Wiesloch, 1909).

Der Wechsel der Grundrissform mit zunehmender Turmhöhe ist eine Form, die erst in der Spätzeit aufkam und dann nur für einzelne Türme an exponierter Stelle verwendet wurde. Die einfachste Variante war hier ein quadratischer Sockel, auf den ein runder oder auch achteckiger Oberbau aufgesetzt war. Die Häufigkeit derartiger Achtecktürme in Ostpreußen war schon angesprochen worden, in Schlesien wurde mehrfach die Rundturmvariante verwendet, und zwar bis ins frühe 17. Jahrhundert hinein (Patschkau; Löwenberg, „Bunzlauer“ und „Laubaner Tor“; Abb. 73), womit man die Tortürme von Nördlingen vergleichen kann. Einen runden Turm auf quadratischem Sockel, der innen achteckig ist, ist auch der „Diebesturm“ im westfälischen Borken (um 1500).

Wechselnder Grundriss auf verschiedenen Höhen

Die Seltenheit der Beispiele und die weite Entfernung zwischen ihnen verdeutlicht, dass es sich um eine Ausnahmeerscheinung handelte. Gerade als solche wurden derartige Türme allerdings auch zum Ausgangspunkt eines der eindrucksvollsten Phänomene im gesamten deutschen Stadtmauerbau – großer und auch ornamental besonders ausgestatteter „Wahrzeichentürme“, die meist an Mauerecken und an Flussufern stehen und unten im Zusammenhang anderer Entwicklungen noch besonders behandelt werden (vgl. 2.2.4.10.).

Ausnahmeerscheinungen bei den Türmen waren auch Tourellen – schlanke, meist runde Türme ohne Innenraum oder mit einen Innenraum erst zuoberst, selten höher als die Mauer (etwa Augsburg, Nordvorstadt; Limburg, „Katzenturm“; Wimpfen im Tal). Marburg/Lahn hatte, noch in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, so ziemlich die einzige Mauer, die diese Form mehrfach und ausnahmslos anwendete. Wenn man Marburg in einem erweiterten Sinne zum rheinischen Einflussgebiet rechnet, so ist aber die Region benannt, in der solche Formen noch am ehesten auftraten, und zwar eher noch häufiger im Burgenbau; offenbar handelte es sich um eine Sparform der weit häufigeren halbrunden Türme und Schalen.

Tourellen, Mauerver sprünge und „Scheintürme“

Noch sparsamer als selbst der kleinste Turm war es, einfach die Mauer selbst um ein kurzes Stück – meist 2–3 m – verspringen zu lassen. Zwar fehlte dabei die Überhöhung, aber der Versprung erlaubte den Blick und den Schuss auf die anschließende Mauerpartie, sei es vom Wehrgang aus, sei es aus tiefer sitzenden Scharten. Dass von dieser Möglichkeit so gut wie kein Gebrauch gemacht wurde, belegt ein weiteres Mal, was schon bei der Funktion der Türme selbst festgestellt worden war, dass nämlich die Idee des „flankierenden“ Beschusses in der Zeit vor den Feuerwaffen noch keine nennenswerte Rolle spielte, nicht einmal in dem Sinne, dass von den Wehrgängen und Wehrplatten aus seitlich geschossen wurde. Das eindrucksvollste, weil besonders systematische Beispiel solcher Versprünge bot die flussseitige Mauer des niederbayerischen Landshut (Abb. 74) und Ähnliches gab es in Schwäbisch Gmünd. Beide stammten erst aus der Zeit um 1400 und dem 15. Jahrhundert und das gilt auch für einen sekundär eingebauten Versprung in Marbach/Neckar, sodass man diese Fälle schon fast in die Feuerwaffenzeit einordnen kann, die ohnehin stark mit Flankierung experimentierte. Das einzige wesentlich frühere Beispiel fand ich an der Mauer von Türkheim im Elsass, die ab 1311 entstand.

Als letztes, ebenfalls seltenes Phänomen, das aber die Vielfalt der formalen und ästhetischen Möglichkeiten nochmals unterstreicht, sind die „Scheintürme“ anzuführen: Bauten, die frontal von der Feldseite den Eindruck eines Turmes mit Zinnen oder Wehrgang vermitteln, während eine genaue Betrachtung zeigt, dass es sich nur um Mauerstücke handelt, die – in der gleichen Stärke wie die Mauer selbst oder geringfügig stärker – turmartig hochgeführt sind. Sie erinnern damit an die Schildmauern der Burgen, deren Funktion sie aber nicht erfüllen konnten, weil eine vergleichsweise schmale Burg so halbwegs geschützt werden konnte, aber nicht ein Flächenphänomen wie eine Stadt (das einzige mir bekannte Beispiel einer „echten“ Schildmauer, die eine Stadt schützte, ist Esslingen, wo die Schildmauer vor 1268 der Mauer hinzugefügt wurde). Derartige Türme auf der Ecke einer Mauer – wie bei den benachbarten und verwandten Mauern von Lindenfels und Eberbach im Odenwald – könnte man noch als eine Art reduzierte Schalentürme verstehen, zumal die geknickte Grundrissform Standfestigkeit sicherte. In Stadtilm (Thüringen) oder Maienfeld (Graubünden) gibt es aber solche gezinnten Mauerstücke auch über geradem Grundriss im Mauerverlauf, die wirklich nichts anderes als ein (statisch labiler) Versuch sein können, einen Turm vorzutäuschen. Maienfeld wird dabei der nördlichste Ausläufer eines italienischen Phänomens sein, denn etwa in Venetien oder der Lombardei gab es Derartiges häufiger.


Abb. 73 Löwenberg (Schlesien), der „Bunzlauer Turm“ ist ein Beispiel eines Rundturmes mit quadratischem Sockel, wie er in Schlesien häufiger war; hier könnte der Sockel noch ins 13. Jahrhundert zurückgehen (Chr. Herrmann).

Um den Verteidigern einen etwas geräumigeren und wettergeschützten Aufenthalt zu verschaffen, benötigte man nicht unbedingt einen Turm mit seinem erheblichen Bauaufwand. Man konnte vielmehr auch ein „Häuschen“ auf die Mauer selbst setzen und damit jedenfalls die Turmmauern in etlichen Metern Höhe „einsparen“. Natürlich war die Ersparnis umso größer, je kleiner man das Häuschen auf der Mauer machte, und dies hatte Grenzen. Insbesondere ergab die normale, deutlich unter 2 m liegende Dicke der Mauer keinen brauchbaren Innenraum mehr, wenn man nicht beide Seiten des Hauses auskragte. Diese Merkmale ergaben einen kleinen Bau von 3–5 m Länge, parallel zur Mauer gemessen, und einer Innenraumbreite von etwa 2–2,5 m, meist mit einem Satteldach, dessen First gleichfalls parallel zur Mauer verlief.

Wehrerker


Abb. 74 Der seltene Fall einer Mauer in „Sägezahn“-Anordnung ist in Landshut (Niederbayern) in alten Darstellungen dokumentiert; rechts das Sandtner-Modell von 1571, links der Merianstich von 1657 (von Reitzenstein, Die alte bairische Stadt, 1967; Merian, Topographia Bavariae, 2. Aufl. 1657).

Steinerne Erker dieser Art kamen als vereinzelte Bauten hier und dort vor, treten aber in einer gewissen Dichte vor allem in zwei Regionen auf, die sicher nicht zufällig auch spätmittelalterliche Höhepunkte schmuckreicher Mauerarchitektur bilden, in beiden Fällen ausgehend von einem kleinteiligen Baumaterial. Einerseits findet man Wehrerker im rheinischen Schiefergebiet, mit Ausläufern am Niederrhein und im benachbarten Hessen. Sie kommen hier kaum vor 1400 auf – Zons (nach 1373; Abb. 424) dürfte ein eher frühes Beispiel sein – und reichen bis in die Feuerwaffenzeit hinüber, etwa am „Zollhof“ in Bacharach, wo sie Schlüsselscharten besaßen. Charakteristisch war im Rheinland die Vorkragung auf Konsolen oder auf Maßwerkfriesen aus Werkstein, wobei neben rechteckigen (Oberwesel) auch runde oder polygonale Erker auftraten (Boppard, Bacharach, Cochem, Ediger, ehemals Mainz, dort als „Letzen“ bezeichnet). Typisch war ferner, dass die Erker die Mauertürme nicht ersetzten, sondern nur ergänzten; gut erkennbar ist das zum Beispiel noch in Sonnenberg bei Wiesbaden oder in Ober-Ingelheim. Dies und die Tatsache, dass die Mauern der Region stets Wehrgänge besaßen, geben den Wehrerkern des Rheinlandes einen eher gestalterischen Akzent, während sie wehrtechnisch nicht wirklich notwendig erscheinen. Als Ausnahme, wo tatsächlich ein Mauertor von einem Wehrerker überhöht wird, sodass gleichsam ein Torturm vorgetäuscht wird, ist das „Balduinstor“ in Cochem (Mitte des 14. Jahrhunderts) zu nennen.

Das andere Gebiet mit etwas höherer Dichte von Wehrerkern ist die Backsteinregion, in der sie mit den Mauern als Ganzes gleichfalls fast immer ins 14./15. Jahrhundert gehören. Da in Brandenburg und darüber hinaus wehrganglose Mauern verbreitet waren, muss man die Erker hier, wo sie gleichfalls fast immer mittig zwischen den Türmen bzw. Wiekhäusern saßen, in höherem Maße funktional verstehen: Sie vermehrten die Standplätze der Verteidiger. Typisch sind hier hohe, aus Backstein aufgemauerte Konsolen bzw. regelrechte schmale Stützpfeiler. Wohlerhaltene Beispiele findet man noch in Neumarkt und Bernstadt (Schlesien), in Brandenburg in Beeskow, Friedeberg, Prenzlau und Königsberg (Neumark), schließlich in Pyritz/Pommern, wo sie außen aus dem Anzug senkrecht aufsteigen und damit geradezu an flache Wiekhäuser erinnern, während sie stadtseitig auf 3,5 m hohen Backsteinkonsolen ruhen (Abb. 75).

Eine naheliegende Annahme ist im Übrigen, dass derartige Erker weitaus häufiger waren, als wir es noch feststellen können, und zwar als Holzkonstruktionen, von denen wegen des witterungsbedingten Verfalls vor allem der Mauerkronen alle Spuren verschwunden sind. Die erhaltenen oder belegbaren Erker aus Mauerwerk wären dann lediglich die besonders aufwendige Spätform eines weit häufigeren Phänomens. Nur besonders frühe Abbildungen wie etwa in den „Schweizer Chroniken“ der Zeit um 1500 können derartige Konstruktionen noch belegen.

Eine Mischung aus einem echten Turm und einem Erker ist jene Form, bei der ein schlanker Turm auf Strebepfeilern ruht, die einseitig oder beidseitig aus der Mauer vorspringen. Die Strebepfeiler geben dabei bessere Stabilität – wichtig vor allem, wenn ein höherer, turmartiger Aufbau darauf sitzt (Abb. 76) –, während zugleich gegenüber einem normalen Turm Mauerwerk eingespart wird. Alle mir bekannt gewordenen „Türme“ dieser Art gehören erst in die Zeit um 1400 und danach. Auch sie sind nur in wenigen Gebieten etwas häufiger, vor allem in Franken.

Erkertürme


Abb. 75 Beeskow (Brandenburg), Wehrerker, hier wohl aus der Mitte des 15. Jahrhunderts. Wehrerker sind, verglichen mit Türmen, eine Sparform, die nur noch selten erhalten ist, aber oft verschwunden sein dürfte.


Abb. 76 Rothenburg ob der Tauber (Mittelfranken), Feldseite eines Rundturmes, der beidseitig auf Strebepfeiler aufgesetzt ist, an der Westseite der äußeren Mauer (spätes 14. Jahrhundert).

Dort sind mehrere schlanke Rundtürme an der Mauer von Rothenburg die wohl berühmtesten Bauten dieser Art, insbesondere der „Große“ und der „Kleine Stern“ in der Spitalvorstadt (um 1410–15). Weitere weniger beachtete Beispiele gibt es aber in Feuchtwangen (um 1388/95), dessen elf runde oder eckige Türme alle auf Strebepfeilern balancierten; andere Fälle findet man in Ansbach, Langenzenn, Fladungen, Neustadt, Heidingsfeld, Homburg, Zeil und in Württembergisch Franken in Niedernhall, Laufen, Grünsfeld, Freudenberg, Wimpfen im Tal und Marbach. Am Niederrhein bietet wiederum Zons neben den Erkerhäuschen auch einen Achteckturm auf Strebepfeilerfuß, während in Mayen und Rhens als Sonderfall regionaltypische Halbrundtürme vorkommen, die ausnahmsweise nicht in die Mauergasse vorspringen, sondern nur über sie auskragen. Im Backsteingebiet ist schließlich wieder Beeskow zu nennen, zudem zwei Türme in Hinterpommern, ein achteckiger in Gollnow, ein rechteckiger in Lassan.

Erker auf Strebepfeilern – also keine mehrgeschossigen Aufbauten, sondern nur kleine, brustwehrgeschützte Plattformen – waren dagegen selten; dies überrascht nicht, denn für das geringe Gewicht war der Strebepfeiler im Grunde überflüssig. Ein schönes Beispiel ist in Mühlhausen/Thüringen erhalten; der rechteckige Erker besitzt je eine Zinnenlücke pro Seite und einen umlaufenden Wasserschlag (Abb. 453). Auch die verschwundene äußere Mauer von Erfurt (um 1410–83) besaß mehrere Runderker auf Strebepfeilern.

Die mittelalterlichen Stadtbefestigungen im deutschsprachigen Raum

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