Читать книгу Das Blut der Auserwählten - Thomas Binder - Страница 38
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ОглавлениеKurt saß in der Schule. Er hörte nicht zu. Er fantasierte, stellte sich einen Baseballschläger vor, mit dem er jedem, der irgendeine abfällige Bemerkung über ihn oder seine Familie gemacht hatte, den blanken Schädel vom Hals schlagen konnte, um ihre leblosen Körper danach aufgespießt verbrennen zu lassen. Vor den Augen aller, die noch übrig waren.
Er stellte sich vor, wie er seine Lehrer mit einer übergroßen, geladenen Schrotflinte, wie eine Schafherde, zusammen trieb und alle dazu brachte, von einer meterhohen Klippe in die reißenden Fluten des wilden, unbarmherzigen Meeres zu springen, wo sie alle schön langsam ertrinken oder von einem Hai gefressen würden oder wie auch immer zum Teufel ins Gras beißen sollten.
Er hätte Drehbuchautor für Horrorfilme werden können.
Er dachte daran, all diesen eingerauchten Hippies und Blumenkindern mit ihrem Gequatsche von Frieden und Gleichheit ihre ach so teuren Kunstwerke und Bücher und Botschaften in ihre betäubten Gesichter zurück zu schleudern, sie zu zerstören, ein zu schlagen, sie auf zu fressen, durch zu kauen und wieder aus zu spucken, um zu sehen, was die tun würden, wenn man ihnen alle Freude am Leben gewaltsam aus dem Herzen reißt; ob diese Idioten dann noch immer von Frieden und Freude und ach so freier, bedingungsloser Liebe brabbelnd vor sich hin träumen würden.
Sie alle sollten für ihre ihre Ignoranz, ihre Illusionen bezahlen. Für ihre Scheuklappen vor der gnadenlosen Realität und für ihre heuchlerischen Pseudobotschaften sollten sie büßen.
All das ging ihm während einer Geschichtsstunde durch den Kopf, als er auf das Bild des Filmprojektors starrte, welches Aufnahmen von Hitler und Stalin zeigte. Das Licht des Projektors reflektierte von der blassen Haut ihrer durch und durch unmotivierten Lehrerin, die mit halluzinogenen Drogen bis oben hin abgefüllt war. Ihr Kopf lehnte leblos gegen die Wand am hinteren Ende des Klassenzimmers und ihre Augen waren geschlossen. Die Kinder hatten diesen Film schon etwa zwanzig Mal gesehen und waren mittlerweile völlig abgestumpft davon.
Sie langweilten sich, immer wieder dieselben Bilder zu sehen, doch sie würden nie die wahren Hintergründe verstehen können, weil die meisten Erwachsenen zu feige oder zu faul waren, ihnen ihre persönliche Version der Wahrheit über diese Taten begreiflich zu machen.
Kurt hing – während Hitler gerade eine seiner markanten Reden hielt - seinen eigenen Gedanken nach, ohne seine Umwelt zu registrieren und kritzelte in sein Heft irre, wahnsinnige Zeichnungen von zerquetschten Körpern und massakrierten Tieren.
Er verstand all die positiven, predigenden Lebensverbesserer nicht, wie die auf solchen Schwachsinn kommen konnten. Das Leben war scheiße. Das Leben war undankbar und alles andere als gerecht. Zumindest sein Leben.
Wofür sollte er eine Schule besuchen, wenn er doch vor dem Abschluss sowieso wieder rausfliegen würde? Wozu sollte er einen Job lernen, den er nur zwei Wochen später verlieren würde? Warum sollte er nicht sofort, jetzt und hier, mit allem Schluss machen?
Allen, die es sichtlich genossen, ihn runter zu machen, die Tour vermasseln und ihnen die einzige Quelle zur Befriedigung ihrer eigenen Minderwertigkeitskomplexe weg nehmen ... so dass sie an ihrer eigenen Unsicherheit zugrunde gehen sollten.
Er wollte nicht den Rest seines Hundelebens der Fußabtreter für alle anderen sein. Also beschloss er, diesmal endgültig einen Schlussstrich unter seine gequälte Existenz zu ziehen.