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[25]Die filmische Handlung
ОглавлениеWie bei sehr vielen szenischen Filmen steht auch in „Die Himmelsleiter“ am Beginn der Handlung ein bedeutsames Ereignis, das die filmischen Akteure in eine kritische, existenziell bedrohliche Lage bringt. Hier ist es der verlorene Krieg, der alle bisherigen Lebenspläne Makulatur werden lässt und die Überlebenden dazu zwingt, sich eine neue Zukunft aufzubauen und verloren gegangene Positionen wiederzugewinnen. Der Film folgt damit einem vielfach angewandten und (nicht nur im Film) erprobten Erzählmuster: Eine gravierende Zustandsveränderung der Lebenswelt von Protagonisten (= Ereignisanfang) bewirkt diverse Handlungen, die zur (Wieder-)Herstellung einer stabilen Lebenswelt oder, seltener, zum Untergang der Protagonisten führen (= Ereignisende). Das Publikum wird einer solchen stereotypen Erzählweise deshalb wahrscheinlich widerspruchslos folgen. Aber es sind nicht allein die stereotypen Erzählklischees, wiedererkennbaren Erzählbausteine und schablonenhaften Charaktere, die eine Erzählung massentauglich machen, es ist auch die Eigenlogik des Mediums ‚Film‘ selbst, die sehr oft dazu führt, dass die filmisch erzählte Welt den Erzählstereotypen folgt, die sich in den Alltagserzählungen unserer tatsächlichen Welt bewährt haben. Denn wie die tatsächliche Welt ist eben auch das Medium ‚Film‘ raumzeitlich strukturiert, und dieser Umstand begünstigt das Erzählen von chronologisch ablaufenden katastrophalen Ereignissen oder zwischenmenschlichen Konflikten und sperrt sich gegen die Darstellung ‚zeitloser‘ Strukturen. Die erzählte Welt des szenischen Films ist genauso wie die tatsächliche vergangene Welt auf ihrer optisch-akustischen Oberfläche eine Welt von Ereignissen. Die in den Tiefen dieser Welt wirksamen politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Strukturen sind als Filmbilder direkt kaum darstellbar und werden nur indirekt sichtbar in den Motiven, Verhaltensweisen, Konfliktlösungsstrategien und sozialen Beziehungen der Akteure. Der historische Spielfilm hat jedenfalls das Potenzial, solche Tiefenschichten der Ereignisse zu zeigen, er nutzt es nur nicht immer (→ Kap. 2.2.1 und 2.2.2).