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Die dokumentarische Erzählung
ОглавлениеDie dokumentarische Erzählung sucht sich je nach Erzählinteresse und erwartetem Publikumszuspruch historische Personen, historische Schauplätze oder historische Ereignisse aus unterschiedlichen Geschichtsepochen als Erzählgegenstände. Die Auswahl treffen meist die für Geschichtssendungen zuständigen [31]FernsehredakteureRedakteur nach vorgegebenen Kriterien (→ Kap. 2.3 und 3.2). Als Tatsachenerzählung hält sich die dokumentarische Erzählung an die historischen Fakten. Der verbale ErzählerVerbaler Erzähler ist darum bemüht, die Erzählung so zu gestalten, dass eine spannende Geschichte entsteht (→ Kap. 3.3). Zugleich muss er streng darauf achten, dass er immer wieder Belege zur Hand hat, die seine Erzählung beglaubigen. Diese Belege müssen als Dokumente explizit kenntlich gemacht werden (verbal oder als Textinserts). Quellen, darunter vor allem alte Fotos und Filme, sind deshalb der audiovisuelle Rohstoff für dokumentarische Geschichtsfilme. Sie führen den heutigen Betrachter bis ins 20. und 19. Jahrhundert zurück, in die Zeit, als die Techniken zur Speicherung der Welt als Bilderwelt alltagstauglich waren. An Tonquellen stehen digitale Aufnahmen, Tonbänder, Schallplatten und einige wenige Wachswalzen zur Verfügung, die bis in die 1880er Jahre zurückreichen. Zeitlich noch weiter zurück führen Gemälde, Fresken, Skulpturen, Baudenkmäler und viele andere sichtbare Dokumente, die unseren Zeithorizont rückwärts in die Neuzeit, das Mittelalter und bis hin zu fernen antiken Welten erweitern. Die Zahl der Dokumente nimmt dabei allerdings immer mehr ab und damit auch die Möglichkeiten der AuthentifizierungAuthentizität, authentisch, Authentifizierung. Praktischerweise unterscheiden wir deshalb zwischen dokumentarischen Erinnerungsfilmen und dokumentarischen HistorienfilmenDokumentarischer Historienfilm. Die ErinnerungsfilmeErinnerungsfilme handeln von der Vergangenheit, die sich noch im Zeithorizont der Zeitgenossen befindet und etwa 80 bis 100 Jahre zurückreicht. Sie wurde erlebt und kann erinnert und erzählt werden. Das ist auch der Grund für die Anwesenheit vieler ZeitzeugenZeitzeugen in zeitgeschichtlichen Dokumentationen (→ Kap. 2.3.1). Die dokumentarischen HistorienfilmeDokumentarischer Historienfilm handeln hingegen von weiter zurückliegenden Epochen, für die es keine ZeitzeugenZeitzeugen mehr gibt, und denen es oftmals an Film-, Foto- und Tondokumenten fehlt. Für diese Epochen sind spezielle ErzählformErzählformen vonnöten, auf die an anderer Stelle genauer einzugehen ist (→ Kap. 2.3.2).
In der folgenden Tabelle sind die wichtigsten Aspekte des Kapitels grafisch zusammengefasst:
[32]Audiovisuelle Geschichte | Szenische Erinnerungsfilme | Szenische Historienfilme | Dokumentarische Erinnerungsfilme | Dokumentarische Historienfilme |
Erzählte Zeit | Innerhalb des Erinnerungshorizonts der Zuschauer | Außerhalb des Erinnerungshorizonts der Zuschauer | Innerhalb des Erinnerungshorizonts der Zuschauer | Außerhalb des Erinnerungshorizonts der Zuschauer |
Erzählmodus | Unmittelbar darstellend (szenisches Spiel) | Unmittelbar darstellend (szenisches Spiel) | Mittelbar erzählend (Voice-OverVoice-Over) | Mittelbar erzählend und unmittelbar darstellend (Voice-Over + Spielszenen) |
Verweise auf die tatsächliche Welt = AuthentifizierungAuthentizität, authentisch, Authentifizierung | Voice-Over oder Textinserts im Vorspann – Szenenbild, Kostüme etc. | Voice-Over oder Textinserts im Vorspann – Szenenbild, Kostüme etc. | ArchivmaterialArchiv(film)material (Text, Bild, Film, Ton), ZeitzeugenZeitzeugen, ExpertenExperten | Überreste, ExpertenExperten plus historisch-szenische Rekonstruktionen |
Erzählte Welt/tatsächliche Welt | Erzählen von möglichen historischen Welten | Erzählen von möglichen historischen Welten | Erzählen von tatsächlichen historischen Welten | Erzählen von tatsächlichen und möglichen historischen Welten |
Tab. 1
Szenische und dokumentarische Erinnerungsfilme sowie szenische und dokumentarische Historienfilme und ihre Charakteristika
Weiterführende Literatur
Arnold/Hömberg/Kinnebrock Arnold/Hömberg/Kinnebrock 2010: Klaus Arnold/Walter Hömberg/Susanne Kinnebrock (Hg.), Geschichtsjournalismus: zwischen Information und Inszenierung. Münster 2010.
Bietz 2013: Christoph Bietz, Die Geschichten der Nachrichten: Eine narratologische Analyse telemedialer Wirklichkeitskonstruktion. Trier 2013.
Bösch 2009: Frank Bösch, Der Nationalsozialismus im Dokumentarfilm: Geschichtsschreibung im Fernsehen, 1950–1990. In: Frank Bösch/Constantin Goschler (Hg.), Public History. Öffentliche Darstellungen des Nationalsozialismus jenseits der Geschichtswissenschaft. Frankfurt a.M., New York 2009, 52–76.
Hißnauer/Schmidt 2012: Christian Hißnauer/Bernd Schmidt, Die Geschichte des Fernsehdokumentarismus in der Bundesrepublik Deutschland. Forschungsdefizite und Forschungstrends. Ein Überblick. URL: <http://rundfunkundgeschichte.de/artikel/die-geschichte-des-fernsehdokumentarismus-in-der-bundesrepublik-deutschland-2/> [Zugriff: 10.08.2016].
Hohenberger/Keilbach 2003: Eva Hohenberger/Judith Keilbach (Hg.), Die Gegenwart der Vergangenheit: Dokumentarfilm, Fernsehen und Geschichte. Berlin 2003.
Latour 2015: Jerome Latour, Gespräch mit Szenenbildner Jerome Latour. Zeitreise 1947. URL: <http://www.daserste.de/unterhaltung/film/die-himmelsleiter-sehnsucht-nach-morgen/sendung/jerome-latour-szenenbildner-100.html> [Zugriff: 10.08.2016].